Quantum-Chef Belluzzo: "Wir wollen mehr Kunden erreichen"

18.10.2006
Richard Belluzzo, Chairman und CEO von Quantum, sprach mit CW-Redakteurin Kriemhilde Klippstätter über die Strategie des Unternehmens nach der Adic-Übernahme.

CW: Seit sieben Wochen ist die Übernahme von Adic durch Quantum abgeschlossen. Sind Sie immer noch davon überzeugt, dass der relativ hohe Kaufpreis von 770 Millionen Dollar gerechtfertigt war?

Belluzzo: Ja. Lassen Sie mich Revue passieren, was in den vergangenen zwölf Monaten geschehen ist. Vor nicht ganz einem Jahr begannen wir, uns mit der Repositionierung und Restrukturierung von Quantum zu beschäftigen.

CW: Zu welchem Zweck?

Belluzzo: Wir wollten auf die Herausforderungen der Industrie antworten und uns im Hinblick auf Kundenzentrierung und Angebotstiefe besser aufstellen. Dazu wollten wir differenziertere Techniken einkaufen, die wir mit unseren bündeln können, um den Ertrag zu verbessern.

CW: Durch Übernahme einer Firma mittels Kostenreduzierung Geld sparen und den Gewinn steigern?

Belluzzo: Ja, deshalb suchten wir zuerst die für uns richtige Preisspanne für den Kauf eines Unternehmens. Wir endeten bei der Übernahme von Adic am oberen Ende des gesteckten Rahmens, aber der Kaufpreis lag innerhalb des Zielkorridors.

CW: Angeblich sparen Sie jetzt mit 75 bis 80 Millionen Dollar doppelt so viel ein, als bei der Bekanntgabe der Übernahme im Mai als Ziel genannt wurde.

Belluzzo: Bevor wir die Details nicht kannten, wollten wir nicht zu viel versprechen. Aber seit dem 2. Mai, als wir mit den Planungen begannen, zeigte sich ein Einsparpotenzial in Höhe von 75 bis 80 Millionen Dollar.

CW: Wo kommen die her?

Belluzzo: Der Betrag setzt sich aus vielen kleineren zusammen. So konnten wir unsere Fertigungskapazitäten konzentrieren und beispielsweise eine von zwei Fabriken in Südkalifornien schließen, indem wir Mitarbeiter nach Colorado versetzten. Es gibt viel Doppeltes, das wir nur einmal brauchen, und wir sind größer. So erzielen wir bessere Einkaufspreise und Frachtraten. Bis jetzt haben wir die notwendigen Entscheidungen schon zu rund 80 Prozent getroffen.

CW: Wie viele Mitarbeiter beschäftigt das kombinierte Unternehmen?

Belluzzo: Etwa 3100.

CW: Und wie viele werden es zum Jahresende sein?

Belluzzo: Wir beziffern den Personalabbau auf neun Prozent. Betroffen waren vor allem Personen, deren Stellen doppelt besetzt waren. Der größte Teil der Maßnahmen liegt aber bereits hinter uns, weil das unsere erste Aufgabe war.

CW: Wie sieht es mit den Geschäftstellen von Adic und Quantum außerhalb der USA aus?

Belluzzo: Wir hatten bis letzte Woche zwei Büros in München, zwei in Paris, zwei in Zürich. Wir haben in Seoul eine Niederlassung geschlossen und eine in Peking. Insgesamt wurden weltweit sechs bis sieben Büros aufgegeben. Aber der Personalabbau war da nicht sehr bedeutend. Uns ging es darum, die Teams zusammenzustellen.

CW: Worauf lag die Priorität?

Belluzzo: Wir wollen mehr Kunden erreichen, über ein breiteres Portfolio innerhalb und außerhalb der Bandtechnik verfügen und die Ertragslage verbessern.

CW: Gibt es eine Position, die Sie für Quantum gerne anstreben?

Belluzzo: Ja, wir wollen der Spezialist für Backup, Recovery und Archivierung werden. Wie wollen zum Kunden gehen und eine End-zu-Endlösung in diesem Bereich - von der Anbindung von Außenstellen bis zum Desaster Recovery - anbieten können.

CW: Hätte Storagetek, das ja von Sun gekauft wurde, eine Alternative zur Übernahme von Adic dargestellt?

Belluzzo: Storagetek wäre für uns zu groß gewesen. Außerdem passt Adic besser zu uns, da es sich ebenfalls im Open-Systems-Umfeld bewegt und Storagetek eher Mainframe-orientiert war.

CW: Sun argumentierte bei der Storagetek-Übernahme, dass die Anwender eher eine Gesamtlösung eines Herstellers bevorzugen, als den Speicher extra zuzukaufen.

Belluzzo: Das sehe ich anders, weil die großen Systemlieferanten dazu neigen, Komponenten nur zuzukaufen und unter eigenem Namen weiterzuverkaufen. Wir investieren in die Technik und entwickeln die Systeme und glauben deshalb, dass wir effektiver sind. Wir werden sehen, wer Recht behält. Tatsache ist, dass dieser Markt eine große Chance bietet.

CW: Was passiert mit der Marke Adic?

Belluzzo: Der Firmenname wird über die Zeit verschwinden, aber nicht die Produktbezeichnungen, weil die sehr stark im Markt verankert sind.

CW: Stichpunkt: Virtual Tape Library. Jedermann bietet heute VTL an.

Belluzzo: Wir waren einer der ersten Anbieter dieser Technik, und jetzt fängt der Markt dafür zu wachsen an. Aber auch hier gilt: Viele Anbieter kaufen die Komponenten zu, und es gibt nicht so viele Techniklieferanten, wie es den Anschein hat. Wir glauben außerdem, dass VTL erst der erste Schritt ist.

CW: In welche Richtung?

Belluzzo: Wir werden noch in diesem Jahr ein Produkt auf den Markt bringen, das eine VTL enthält. Zusätzlich wird das System Software für Datenreplizierung, für die Anbindung von Außenstellen und die Technik für Daten-Deduplizierung enthalten. Das ist die Softwaretechnik von Rocksoft, die Adic einbrachte. Diese Lösung wird es auf Datenkompressionsraten von 40 zu eins bringen und gerade für die Anbindung von Außenstellen viel mehr Leistung als herkömmliche Systeme bieten.

CW: Sehen Sie generell einen Trend zu Festplatten-basierenden Archivlösungen?

Belluzzo: Nicht für Archivzwecke, das sind Drives noch immer zu teuer. Nicht nur in der Anschaffung, sondern vor allem im Rechenzentrumsbetrieb wegen der Kosten für Strom und Kühlung. Disk und Tape werden auch weiterhin zusammenarbeiten. Auch VTL ist nur ein Zwischenschritt zum Bandarchiv.

CW: Aber Disk-basierende Lösungen, etwa EMCs Centera-Speicher, verkaufen sich doch recht gut.

Belluzzo: Aber die meisten Beschwerden von Anwendern solcher Systeme drehen sich darum, dass man diese Daten nicht von den Platten runterziehen und auf Band archivieren kann. Das wird auf die Dauer recht teuer, außer Sie nutzen die Daten sehr häufig.

CW: Sie haben vor zwei Jahren Certance von Seagate gekauft und sich für einen Kaufpreis von 60 Millionen Dollar die LTO-Technik ins Haus geholt.

Belluzzo: Die Integration von Certance lief problemlos.

CW: Verkaufen Sie mehr LTO- oder DLT-Laufwerke nennen?

Belluzzo: Wir verkaufen immer noch mehr DLT-Systeme.

CW: Wegen der installierten Basis?

Belluzzo: Ja, und auch, weil IBM und HP viele LTO-Laufwerke absetzen.

CW: Quantum ist kein starker Player im LTO-Geschäft?

Belluzzo: Doch schon, aber der Hauptgrund für die Übernahme von Certance war, dass wir diese Technik im Haus haben und anbieten können. Die größte Herausforderung war, dass IBM und HP allerbeste Absatzkanäle hatten. Wir mussten stärker werden, mehr Verkaufskanäle entwickeln, mehr Partner und OEM-Kunden gewinnen. Jetzt sind wir der größte Lieferant von Bandautomaten, und wir sind froh, LTO-Laufwerke bauen zu können.

CW: Dann haben Sie im Portfolio noch die alten Bandformate wie Travan, DAT und DDS.

Belluzzo: Da wird nicht mehr viel investiert. Wir konzentrieren uns im mittleren Leistungsbereich auf DLT und LTO. Für das Einstiegssegment haben wir mit Go-Vault eine removable Festplatte vorgestellt.

CW: Wo sehen Sie die Company in zwei Jahren?

Belluzzo: Ich denke, wir werden mehr komplette Systeme verkaufen, statt Komponenten. Ich hoffe, wir können dann ein Lösung aus Software, Platten- und Bandsysteme für alle Kundenbelange anbieten.

CW: Stichwort Software.

Belluzzo: Die wird in Zukunft noch wichtiger für uns. Wir haben ja schon Programme für VTL und Deduplication, Replication, Management. Ende letzten Jahres haben wir unsere Sicherheitslösungen präsentiert: Wie sichert man Daten auf sekundärem Storage und Band? Auf diesen Gebieten wollen wir vorne mit dabei sein.

CW: Wie ist die Verteilung zwischen OEM- und Brand-Business?

Belluzzo: Das OEM-Geschäft macht fast die Hälfte des Umsatzes aus. In Zukunft wollen wir mehr unter unserem Namen verkaufen.