Qtopia: Standard für Linux-PDAs

23.05.2002 von Wolfgang Miedl
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Linux findet seit einiger Zeit auch im Handheld-Umfeld Verbreitung. Bisher existieren hier aber zahllose inkompatible Embedded-Derivate. Mit „Qtopia“, einer PDA-Version seines populären QT-Frameworks, will Trolltech nun neue Maßstäbe setzen. Dank dieser standardisierten Systemumgebung steigen die Chancen, dass sich Linux neben Palm und Pocket PC etabliert.

Linux am PDA ist nichts Neues mehr. Mit dem Open-Source-Betriebssystem sind eine Reihe von Geräten ausgestattet. Zu den bekanntesten zählen Samsungs „Yopy“, Agendas „VR3“ und als neuestes der „Zaurus“ von Sharp. Daneben gibt es etliche Projekte, die sich mit Embedded-Linux-Portierungen auf den „Ipaq“ von Compaq befassen. Zu den Anbietern von Linux-Distributionen zählen unter anderem Lineo, Lynuxworks, Montavista Software, Timesys oder FSM Labs. Allerdings steht Linux in diesem Segment bisher nicht für

plattformübergreifende Standards. Jedes dieser Systeme weist Besonderheiten auf, weshalb die Anwendungen des einen Linux-Device nicht auf einem anderen laufen.

Für eine Handvoll Linux: Sharps

Zaurus ist der erste PDA mit Trolltechs Qtopia-Framework.

Das norwegische Unternehmen Trolltech hat sich nun dieses Problems angenommen. Bisher haben sich die Osloer mit dem Qt-Toolkit, das als Basis für die erfolgreiche Linux-Desktop-Umgebung KDE fungiert, einen Namen gemacht. Es handelt sich dabei um ein plattformunabhängiges Application Programming Interface (API) für die C++-Entwicklung. Darin werden betriebssystem-spezifische APIs wie etwa die Ansteuerung der grafischen Benutzeroberfläche gekapselt. Entwickler sind damit in der Lage, Anwendungen nicht nur für Linux, sondern auch für Windows, Mac OS oder andere Plattformen zu schreiben.

Als Erweiterung der bereits für Appliances existierenden Variante „Qt/Embedded“ gibt es nun speziell für PDAs und Smartphones den auf Qt basierenden Aufsatz Qtopia. Im Vordergrund steht dabei eine einfach und intuitiv zu bedienende grafische Oberfläche. Denn im PDA-Bereich spielt Ergonomie eine größere Rolle als im PC-Segment - der Erfolg der Palm-Plattform ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen. Ein zweiter Schlüsselfaktor ist die Verfügbarkeit von vielen Anwendungen.

Ergonomie und Anwendungen

Beide Punkte werden mit Qtopia adressiert. Das Graphical User Interface (GUI) macht Anleihen bei Palm wie bei Pocket PC. Neben der optischen Gestaltung hat Trolltech auch gleich eine Reihe von Anwendungen beigefügt, so etwa die Handheld-üblichen PIM-Programme (PIM = Personal Information Manager) wie Kalender, Adressbuch oder To-do-Liste. Daneben sind eine Reihe von Standardanwendungen wie Text-Editor, Audio- und Video-Player, Mail-Client, der Opera-Browser sowie diverse Spiele enthalten.

Entscheidend für den PDA-Einsatz sind darüber hinaus ein Buchstabenerkenner für die Texteingabe und eine Desktop-Software für verschiedene Betriebssysteme, die die Datenübertragung mit dem PC abwickelt. Trolltech hat für den Umgang mit Daten und Dateien eine Abstraktionsebene geschaffen, die den Anwender vom darunter liegenden Linux-Dateisystem abschottet. Für die Einhaltung der marktüblichen PDA-Komfortstandards ist dies unabdingbar. Linux-Poweruser haben allerdings die Möglichkeit, mit Qtopia-Portierungen der üblichen Kommandozeilen-Tools wie etwa der Bash-Shell den Linux-gemäßen Zugriff auf die Systembasis herzustellen. Die Synchronisation mit Microsoft Outlook, einem der typischen Standard-PDA-Features, soll ab Jahresmitte verfügbar sein.

Auch die Java-Virtual-Machine „Jeode“ von Insignia ist integriert. Allerdings geht Trolltech-Gründer und President Erik Eng nicht davon aus, dass Java auf PDAs in näherer Zukunft eine große Rolle spielen wird. Die Performance von interpretiertem Code könne auf den kleinen Computern nicht mit dem von nativen C++-Linux-Anwendungen mithalten.

Interesse bei Hardwareherstellern

Nach Angaben von Trolltech belegt das Qtopia-Paket in der Minimalausstattung zusammen mit dem darunter liegenden Embedded Linux etwa 6 bis 8 MB Flash-Speicher. Durchschnittliche PDAs mit der ARM-CPU verfügen über 16 bis 32 MB Speicher - mehr als genug für diese Linux-Variante.

Gerade die Hardwarehersteller dürften ein großes Interesse an Qtopia haben. Einerseits ersparen sie sich dadurch die Entwicklung einer eigenen Linux-Systemumgebung. Setzt sich das Trolltech-Produkt durch, gibt es zudem endlich einen Standard-Desktop für Linux-PDAs. Damit wäre ein weiterer wichtiger Faktor für den Erfolg einer Plattform erfüllt: Wie bei Palm und Pocket PC dürfte die Zahl der verfügbaren Anwendungen rapide ansteigen. Trolltech als Qt-Anbieter hat dabei gute Karten, das Rennen zu machen.

Sharp ist derzeit der erste Hersteller, der mit dem Zaurus PDAs auf Qtopia-Basis anbietet. In den nächsten Monaten wollen die Norweger weitere Hardware-Hersteller bekannt geben, die Qtopia-PDAs produzieren wollen.