Praxistest: Sony Ericsson M600i

02.04.2007

Lieferumfang / Verarbeitung

Beim Öffnen der Verpackung entblättert sich ein Reigen aus nützlichen Gimmicks: ein Stereo-Kabelheadset und ein USB-Datenkabel für Fastports sowie einen 64 MB großen Memorystick Micro M2 mit 64MBs Speicherkapazität hat Sony Ericsson dem M600i nebst einer umfangreichen Bedienungsanleitung mit auf den Weg gegeben. Wenn man ein klares Bild seines Nutzers vor Augen hat, fällt auch das Design eines Telefons nicht allzu schwer. Sony Ericsson beschränkt sich beim M600i daher aufs Relevante: Display und Tastatur. Graham Bell und Thomas Watson werden sich im Grab umdrehen: warum haben sie eigentlich das Telefon erfunden, wenn wir mit ihm unsere Korrespondenz wieder schriftlich führen sollen? Aber wenn es der Zeitgeist vorschreibt, werden Telefone zu Brieftauben und dieses Bild verkörpert das M600i mit seiner strahlend weißen Färbung, dem grau-silbernen Kantenfinish und den geschickt gesetzten türkisen Kontrasten wie kein anderes Handy. Mit seiner beachtlich kleinen Tiefendimensionierung von lediglich 15mm Dicke und einem vergleichsweise geringen Gewicht von 112 Gramm passt das M600i bequem in jede Jackettasche und hat knapp die Abmessung einer durchschnittlichen Zigarettenschachtel vor der Mehrwertsteuererhöhung. Am oberen rechten Rand des Gehäuses findet man einen fest schließenden Slot für M2-Memorysticks, an der Rückseite einen Anschluss für externes Antennenzubehör.

Das neue Symbian-basierte UIQ3-System des M600i braucht viel Platz und ein brilliantes, 240x320 Pixel großer und 262.144 Farben bunter Touchscreen wird den Ansprüchen vollkommen gerecht. Nokias E61-Display konnte uns allerdings mehr überzeugen: beim M600 negieren die Farben bereits unter leichter Drehung und mangels transflektiver Hintergrundbeschichtung ist der Bildschirminhalt nur lesbar, wenn man die Beleuchtung aktiviert.

Absolut überzeugend fanden wir die Tastatur: Sony Ericsson verbaut als Mittelweg zwischen vollständigem QWERTZ-Tastatenfeld und mehrfach belegten Drückern 15 konkave Wipptasten, die je nach Druckrichtung einen anderen Buchstaben ansteuern. Doch auch wenn man sie dank konsequenter Touchscreen-Bedienung nicht wirklich benötigt, wären Softkeys fürs M600i eine praktische Bereicherung gewesen. Zur Einhandbedienung ist man bei diesem Telefon aufs Dreiwege-Scrollrädchen und eine Zurück-Taste am linken Rand angewiesen.

Ausstattung

Eine Kamera sucht man an der designierten Email-Maschine vergeblich und auch der vorinstallierte Medienplayer beschränkt sich auf solide Standardfunktionen; Als Wiedergabeformate kommen MP3-Files beliebiger Subformate und AAC- bzw. M4A-Files in Frage; WMA-Dateien ließen sich mit unserem M600i nicht wiedergeben. Die Erkennung von Albumcovern funktionierte in der Praxis mit unseren Testfiles ebenfalls nicht souverän. Dafür sind die Verwaltungsfunktionen reichhaltig: es lassen sich eigene Playlists erstellen und Titel beliebig zwischen Telefonspeicher und M2-Stick hin- und herverschieben, auf Wunsch wird die Medienbibliothek automatisch auf dem neuesten Stand gehalten. Wer sich vom lästigen Kabelsalat befreien will, kann das M600i auch problemlos mit einem A2DP-Bluetooth-Headset verbinden. 3GP- und MPG4-Videos dreht das M600i um 90° und versucht, sie auf die zur Verfügung stehende Fläche zu skalieren. Sollte ein Video nicht den Displayverhältnissen entsprechen, führt das allerdings zu mehr oder weniger starken Verzerrungen.

62MB freier Hauptspeicher steckten laut Systemsoftware ab Werk in unserem M600i, völlig ausreichend zur Ablage gewöhnlicher EMail-Korrespondenz, PIM-Daten oder vieler Zusatzapplikationen. Wer größere Datenmengen mit dem M600i bewegt, wird früher oder später auf Probleme mit der Systemstabilität stoßen: bei der ersten UIQ3-Systemversion, die Sony Ericsson auf dem M600i installierte, führt ein Hotswap-Wechsel des M2-Sticks regelmäßig zu reproduzierbaren Systemabstürzen. Obwohl der auf dem UIQ-System vorinstallierte Opera-Browser (Version 8.60) sicherlich zur Oberklasse der mobilen Internetbetrachter gezählt werden darf, haben Nokias aktuelle S60-Smartphones sowohl an Technik als auch an Komfort mehr zu bieten. Auf der Habenseite verbucht Opera eine Voll- und Queransicht, Tabbed Browsing mit Favicons und eine bildschirmangepasste Vertikalansicht, im Soll stehen der bisweilen zähe Bildschirmaufbau und reproduzierbare Abstürze bei größeren HTML-Websites. Findet Opera einen RSS-Feed auf einer Seite, wird übers Menü angeboten, ihn in die Liste der abonnierten Feeds aufzunehmen, die in einer externen Applikation verwaltet werden.

Recht komfortabel fanden wir den integrierten Messaging-Client, der das Rückgrat des Schreibtelefons bildet. Er verwaltet neben MMS und überlangen SMS in erster Linie EMails, die in getrennten Posteingängen auflaufen. Es lassen sich einstufige Ordnerstrukturen erstellen, die zwar jedem EMail-Konto zur Verfügung stehen, aber kein Mischen von Nachrichten verschiedener Ordner zulassen. Eine spezielle Rolle nimmt das Postfach "Synchr. E-Mail" ein: hier findet man Mails, die über Push-Dienste wie Blackberry oder Microsoft ActiveSync aufs M600i gelangt sind. Doch man muss weder Exchange-Kunde noch Blackberry-Abonnent sein, um in den Genuss von Echtzeitnachrichten zu kommen: als eines der wenigen derzeit am Markt erhältlichen Telefone unterstützt das M600i die IMAP-Protokolleigenschaft "IDLE". Einzige Voraussetzung: das Telefon muss permanent via GPRS oder UMTS online sein, damit der Mailserver die Benachrichtigung versenden kann. In der Praxis verhält sich IMAP IDLE etwas langsamer als der Blackberry-Service: bis zu 30 Sekunden dauert es, bis eine Mail von der Outbox des Absenders auf dem Handy landet. Featuremäßig ist der EMail-Client trotz einiger Schwächen alles andere als schwachbrüstig: er stellt HTML-Mails mit erstaunlich hoher Qualität dar, erlaubt den Empfang und das direkte Öffnen und Bearbeiten von Attachments mit der integrierten Office Suite Quickoffice und kann Texte in mehreren Zoomstufen darstellen. Selbst Terminanfragen im vCal-Format samt Teilnehmer- und Statusinfo können mit einem Klick in den Kalender übernommen werden.

Kontakte verwalten konnte man mit UIQ schon immer gut. Statt langen Listenansichten für alle Kontaktdetails gibt's eine reiterbasierte Präsentation, mit denen man sich durch die verschiedenen Eigenschaftengruppen blättern kann. Dabei stehen Telefonnummern, EMail-Adressen und URLs im Vordergrund: sie füllen neben einem individuellen Anruferbild die erste Reiter-Seite. Auf der zweiten findet man Details wie Postanschrift, Faxnummer, Geburtstag und Firmendaten. Komplettiert wird der Funktionsumfang mit Sprachbefehlen, die einzeln für jede Rufnummer angelernt werden müssen. Der Kalender wirkt aufgeräumter als beim Vorgänger, lässt aber auch einige Funktionen des UIQ2-Systems vermissen. So wurde die farblich unterlegbare Wochenansicht mit einer Agenda-ähnlichen Blockansicht ersetzt, die gerade bei angespannter Terminlage nicht gerade mit Übersichtlichkeit überzeugt. Trägt man im Adressbuch den Geburtstag eines Kontakts ein, wird er auf Wunsch automatisch in den Kalender übertragen.

Praxistest: Sony Ericsson M600i
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Das M600i kokettiert mit RIMs Platzhirsch Blackberry. Das mag erklären, warum man keine WLAN-Schnittstelle in dem Smartphone findet, dafür aber mit GPRS- und UMTS-Connectivity bedient wird: so lässt sich der EMail-Eingang permanent nach neuen Mails durchsuchen. Nervig ist in erster Linie die lahme Einwahlgeschwindigkeit: bis zu 20 Sekunden vergehen im GPRS-Modus, bis das M600i sein Netz gefunden hat. Als praxistauglich erweisen sich sowohl die integrierte Bluetooth2.0-Schnittstelle als auch der an der Kopfseite des Geräts befindliche Infrarotport: beide funken Daten mit maximal 50kB/s über den bis zu 10m langen Äther. Schneller und stabiler funktioniert der Datenaustausch via beiliegendem USB-Datenkabel: wahlweise wird hier der Memorystick des M600i als Massenspeicher oder das Telefon als Handy-Modememulation erkannt. Doch viel wichtiger sind die Pairing-Möglichkeiten mit Audiozubehör: hier macht das M600i insbesondere mit aktualisierter Firmware eine gute Figur, verhielt sich vor dem Upgrade auf Firmware-Version 3 aber reichlich instabil und fehleranfällig. Bei gekoppeltem Headset werden sämtliche Audiosignale zwischen Handy und Zubehör durchgeschliffen, sodass sich sogar das Zauberwort übers Headset aktivieren lässt. Während man ein SAP-Profil zum einfachen Zugriff auf SIM-Kontakte im Telefon vergeblich sucht, hat Sony Ericsson ans Private Area Networking-Profile im M600i gedacht. Eine Internetverbindung mit einem entsprechend konfigurierten PC ließ sich mit unserem Testmuster damit allerdings nicht herstellen. Wie viele Geschwister überzeugt auch das Sony Ericsson M600i mit erstklassiger Java-/Gaming-Leistung. Besonders beeindruckend wirkt die mitgelieferte Version der Golfsimulation Vijay Singh's Pro Golf2005 3D, die mit flüssig animierten 3D-Grafiken, Environment-Shadings und spektakulären Kamerafahrten demonstriert, dass mobiles Gaming sich längst nicht mehr auf pixelige Jump'n'Runs beschränkt. Ab Werk wird Sony Ericssons M600i mit erweiterten Rechen- und Zeitfunktionen ausgerüstet: neben dem obligatorischen Taschenrechner gibts einen Währungs- und Einheitenrechner, eine Stoppuhr und einen Timer. Die Notizblockfunktion ersetzt den "Jotter" von UIQ2: mit ihr lassen sich handschriftliche Notizen und Skizzen verwalten. Der wahre Clou des UIQ-Systems liegt aber in seiner Erweiterbarkeit: Entwickler können eigene Programme entwerfen, der Pool an entsprechenden Applikationen ist für UIQ3 aber noch vergleichsweise klein. Nur wenige UIQ2-Programme laufen ohne Modifikation auf dem M600i oder einem seiner Verwandten.

Telefonfunktionen / Ausdauer

Die positiven Veränderungen, die man durch den Versionssprung auf UIQ3 bei der Systembedienung bemerkt, weichen nach einiger Zeit der Ernüchterung: abgesehen von einigen kosmetischen Änderungen bleibt die Bedienung des Systems und die Lage vieler Menüpunkte nahezu unangetastet. Das Frontend des Systems wird ausschließlich über eine Vektorgrafik-Engine gerendert, Menüpunkte faden leicht ein und aus, Texte lassen sich in vielen Bediensituationen in mehreren Stufen zoomen. Doch reagiert das Telefon bisweilen äußerst zögerlich auf Nutzereingaben. Enthält eine Applikation zu viele Memory-Leaks, entscheidet sich das Handy unter Umständen selbständig, einen Neustart durchzuführen, der bis zu drei Minuten in Anspruch nimmt. Um der Langsamkeit des Seins vorzubeugen, ist man häufig bemüht, eingefrorene Prozesse manuell via Taskmanager aus dem Speicher zu schubsen und stellt im Anschluss fest, dass die lange erwartete Mail nach einem Neustart plötzlich doch im Posteingang aufläuft. Bei der dritten Systemversion manifestiert sich die Smartphone-Bedienbarkeit in erster Linie im Hauptmenü: dieses präsentiert sich jetzt in einer daumenfreundlichen 3x3-Gitteransicht, kann aber für Gewohnheitstiere auch auf eine Listenansicht zurückgeschaltet werden. Die Bedienung der fitzeligen Statusicons am oberen Displayrand bedürfen hingegen der Zuhilfenahme des Stylus oder spitzer Fingernägel. Sehr schön löst UIQ die neue Tagesansicht, die mit "Heute!" betitelt wird und sich offiziell "Aktivitätsmenü" nennt. Ein Druck auf das kleine Plus-Symbol neben einem Eintrag öffnet eine Listenansicht, in der man auf einen Blick erfährt, wie viele Mails ungelesen in den Posteingängen schlummern, wie viele Aufgaben anstehen oder ob man Anrufe verpasst hat. Das flexible Skinning-Konzept der gängigen Sony Ericsson Lifestyle- und Multimedia-Phones wurde auf UIQ übertragen: neben dem Bildschirmhintergrund und dem Klingelverhalten wirken sich die drei mitgelieferten Themes auch auf die Buttons aus - Icons bleiben bei den ab Werk installierten Bildschirmthemen hingegen unangetastet. Alle Schwächen treten angesichts der erstklassigen Textfunktionen des M600i aber in den Hintergrund. In der Tat geht einem das Tippen auf den Wipptasten schon nach wenigen Minuten in Fleisch und Blut über. Die Eingabe von Text über das bewährte, Graffiti-ähnliche Handschrifterkennungssystem klappt ebenfalls einwandfrei - anders als bei Windows Mobiles "Transcriber" lassen sich nur einzelne Buchstaben oder Ziffern auf den Touchscreen zeichnen. Alle Eingabemethoden profitieren von einer prädiktiven und lernfähigen Textvervollständigungsfunktion, die auch ganze Satzbestandteile erraten kann.

Praxistest: Sony Ericsson M600i
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Man muss gute Nerven haben, wenn man seinen Blick eine Weile auf die Emfpangsanzeige des M600i richtet. Denn schon wenn man das Telefon einmal scharf anguckt, verliert die Anzeige einen Balken. Dass man da früher oder später auch in Erreichbarkeitsprobleme gerät, versteht sich von selbst: selten haben uns so viele Nutzer über mehrere Wochen bescheinigt, dass wir nicht erreichbar waren, obwohl das Handy mit vollem Akku in unserer Hosentasche ruhte. Die Sprachqualität liegt zwar erwartungsgemäß nicht auf allerhöchstem Niveau, wirklich schwer zu verstehen war aber keiner unserer Gesprächspartner. Dafür verzeichneten wir in der Praxis überdurchschnittlich häufig kurze Aussetzer und Empfangsstörungen.Sehr gut gefiel uns die integrierte Freisprecheinrichtung, die dank des großen, rückwärtig verbauten Lautsprechers eine sehr passable Lautstärke an den Tag legt. Freuen kann man sich auch über die passable Ausdauerleistung des M600i. Mit 900mAh Leistung bringt es das Telefon bei durchschnittlicher Nutzung auf eine Ausdauer von fünf Tagen, bei maximaler Nutzung auf nicht weniger als zwei.

Fazit

Was will uns Sony Ericsson mit dem M600i verkaufen? Das ultimative Bondgirl-Phone mit Tastenfeld für Massen-SMS? Oder einen Prototypen fürs kürzlich akquirierte Betriebssystem UIQ3? Natürlich liest sich das Datenblatt gut, natürlich ist das Bedienkonzept des Handys einzigartig, aber aus praktischer Sicht überwiegen die Schwächen. Ein instabiles System, katastrophale Aussetzer beim Empfang und im Datennirvana des Hauptspeichers gefangene Programme sind das Resümee aus knapp 4 Wochen intensiver Begutachtung. Antreten muss das M600i als Schreibmaschinentelefon mit klugem Betriebssystem gegen einen ganzen Zoo von kompakten EMail-Maschinen wie Motorola Q, Treo 680, Samsung i320, Blackberry Pearl oder HTCs PocketPC-Smartphones. So schön die Oberfläche auch aussehen mag und so durchdacht sich mancher Bedienprozess gestaltet: wirklich glücklich waren wir mit diesem Smartphone nicht.

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