Praxistest: Nokia N91 8GB music edition

04.06.2007

Lieferumfang / Verarbeitung

Der Lieferumfang entspricht nicht unbedingt den Erwartungen, die ein musikverliebter Nutzer an ein teures Highend-Musikhandy stellt: anstelle von stylischen und hochwertigen Kopfhörern liegen nur schlecht sitzende Billig-Stöpsel im Karton, die miserable Klangqualität bieten. Flankiert wird die magere akustische Beigabe von einer überdimensionierten kastenförmigen Fernbedienung, die jedem iPodler ein hämisches Lächeln entlocken dürfte und daher von seinem Besitzer lieber unter als über dem Jackenrevers getragen wird.

Doch im Gegensatz zum Lieferumfang entpuppt sich das Gerät selbst als edler Blickfang. Nokia setzt auf hochwertige Materialien: die gesamte Frontseite wird von gebürstetem Stahl eingefasst, während rückseitig glänzender schwarzer Lack dominiert. Für Aufmerksamkeit sorgt auch die ungewöhnliche Sliderkonstruktion, mit der sich durch sanften Druck die stählern schimmernde Musiktastatur nach unten schieben lässt und die Zifferntasten freigibt. Die klein und schmal gehaltenen Drücker liegen leider viel zu tief unterhalb des Slidermechanismus und vor allem die untere Tastenreihe ist nur schwer erreichbar. Für SMS-Vielschreiber ist das N91 damit ziemlich ungeeignet. Völlig unkonventionell: Nokia verbannt die Menütaste auf die rechte Gehäuseseite, die während der Nummerneingabe nur mit der zweiten Hand erreichbar ist. Umso angenehmer gestaltet sich dagegen die Bedienung der Musikfunktionen - dank der designierten Tasten auf der Gehäusefront wühlt man flott durch die eigene Musiksammlung oder schaltet zwischen den einzelnen Songs hin und her. Auch der Sperrschalter am Gerätekopf erweist sich im musikalischen Alltag als sehr hilfreich: anstelle einer umständlichen Tastenkombination streicht man dem N91 einfach übers Köpfchen, um es für versehentliche Fehleingaben in der Hosentasche zu sperren.

Nur leider ist die Hosentasche kein besonders geeigneter Aufbewahrungsort - denn mit den beeindruckenden Maßen von 113x55x22mm und dem Gewicht von 165 Gramm ähnelt das N91 mehr einem Ziegelstein als einem Highend-Handy. Auch die Verarbeitung passt zu den gewaltigen Gerätedimensionen: hochwertige Materialen und das knarzfreie Gehäuse (sowie ein fest sitzender Akkudeckel) hinterlassen zwar einen robusten Eindruck, grobe Spaltmaße und ein freiliegender miniUSB-Anschluss lassen jedoch den letzten Schliff vermissen. Als Display kommt eine 176x208 Pixel auflösende Komponente mit maximal 262.144 darstellbaren Farben zum Einsatz, die mit klaren Kontrasten, scharfen Details und guter Sättigung aufwartet. Auch wenn man seitlich aufs Display schaut, verfälschen die Farben nur minimal; die transflektive Hintergrundbeschichtung sorgt auch unter starkem Außenlicht für hervorragende Ablesbarkeit.

Ausstattung

Nicht nur dank der speziellen Musiktasten und der 8GB Miniatur-Festplatte, die im Innern ihre Runden dreht und abhängig vom Speicherformat bis zu 6000 Songs schluckt, ist das N91 perfekt fürs Musikabspielen geeignet. Auch softwareseitig bleiben kaum Wünsche offen: Der Musikplayer zeigt synchronisierte Albumcover an, spielt alle verbreiteten Formate (MP3/AAC/WMA), unterstützt MP3-Files mit beliebigen (auch variablen) Bitraten und verfügt über eine intuitive und komfortable Playlist-Verwaltung. Automatisch werden Listen für neu auf die Speicherkarte kopierte, meist gespielte und zuletzt gespielte Songs erstellt. Zur intuitiven Bedienoberfläche gesellen sich eine hohe Maximallautstärke und ein Klangbild, das problemlos mit einem hochwertigen MP3-Player mithalten kann. Standardkopfhörer oder HiFi-Equipment lässt sich direkt am 3,5mm Klinkenport des Handys anschließen. Übrigens: wer keine Lust auf die eigene Musiksammlung hat, kann auf ein UKW-Radio im N91 zurückgreifen.

Schon der fehlende LED-Blitz macht deutlich, dass die Kamera des N91 von Nokia schmählich vernachlässigt wurde - aber wer erwartet schon von einem Festplatten-Musikhandy, dass es Bestnoten in puncto Imaging einfährt? Tatsächlich eignet sich die Kamera des N91 allenfalls für den ambitionierten Blog-Journalisten. Neben MMS-Nachrichten versteht sich das N91 natürlich auch auf SMS und E-Mails. Der E-Mail-Client kann auf POP3- und IMAP-Postfächer zugreifen und holt die elektronische Post bei Bedarf alle 5 Minuten automatisch ab. Nutzt man das fortschrittlichere IMAP-Protokoll, lassen sich Abonnements für serverbasierte Ordner einrichten. Attachments lässt das N91 mit beliebiger Größe zu, der Inhalt von HTML-Mails wird auf Knopfdruck im integrierten Browser angezeigt.

Auf dem Smartphone ist Nokias KHTML-basierter Browser für S60 installiert, der für schnellen Seitenaufbau und intuitive Bedienung steht. Einmal via UMTS oder WLAN eingeklinkt, kann man mit dem N91 bequem im Web surfen: CSS, Grafiken und Tabellen werden in gewohnter PC-Ansicht gerendert, mit Hilfe eines Mauszeigers navigiert man bequem über längere Seiten. Zahlreiche Komfortfunktionen wie Seitenzoom, Birdview und eine visuelle Historie vereinfachen das mobile Internet-Erlebnis. Neben dem Browser hat das Betriebssystem S60 3rd Edition, das auf dem N91 seinen Dienst verrichtet, noch wesentlich mehr zu bieten. In puncto Datentiefe bewegen sich Kontaktverwaltung und Kalender auf gehobenem Business-Niveau. Neben vielfältig synchronisierbaren PIM-Eigenschaften wie mehreren Telefonnummern, Post-, Email- und Webadressen lassen sich einem Kontakt auch individuelle Anruferbilder und Klingeltöne zuweisen. Doch vor allem beim Kalender verliert man schnell den Überblick - bezüglich Übersichtlichkeit und optischer Finesse sollte Nokia die minimalistischen Tages-, Wochen- und Monatsansichten allmählich Konkurrenzplattformen wie Windows Mobile anpassen.

Praxistest: Nokia N91 8GB music edition
Praxistest: Nokia N91 8GB music edition
Praxistest: Nokia N91 8GB music edition

Als Verbindungsmöglichkeiten im Nahbereich stehen neben dem schnellen USB2.0-Port eine Bluetooth-Schnittstelle inklusive der wichtigen Profile A2DP und SAP zur Verfügung. Einmal mit dem heimischen Computer verbunden, kann der Nutzer mit Hilfe von Nokias Software PC Suite bequem am PC-Bildschirm Kontaktdaten bearbeiten oder SMS versenden. Wer seine Musiksammlung vom PC auf die Telefonfestplatte kopiert, sollte auf das mitgelieferte USB2.0-Kabel zurückgreifen: mit ihm überträgt man einen durchschnittlichen MP3-Song in weniger als 10 Sekunden aufs Handy. WLAN und die im N91 integrierte UPnP-Schnittstelle bieten darüber hinaus einen weiteren kabellosen Ansatz zur Datenübertragung: In Verbindung mit der entsprechenden Software ist es beispielsweise möglich, den Inhalt der Musiksammlung einer XBox360 via N91 zu durchsuchen, eine Musikdatei auszuwählen und sie auf einem UPnP-fähigen TV-Bildschirm im Schlafzimmer abzuspielen.

Telefonfunktionen / Ausdauer

Ob sich das Betriebssystem S60 besser oder schlechter bedienen lässt als die Konkurrenz, ist nicht zuletzt eine Frage des Geschmacks. Unbestritten ist dagegen, dass sich das System vielfältig an die eigenen Vorlieben anpassen lässt. Wer sein Smartphone ernst nimmt, krempelt daher die komplette Menülogik entsprechend seines Nutzungsverhaltens um. Der Active Standby-Screen des S60-Systems sorgt für die intelligente Befüllung des Hauptbildschirms mit aktuellen Informationen. Hier findet man frisch eingegangene E-Mails, ausführliche Informationen über die Termin- und Aufgabenlage oder die aktuelle Titelanzeige des MP3-Players. Auch empfiehlt es sich, die am Kopfende des Menüs befindliche Shortcut-Leiste dem eigenen Gusto anzupassen: so umgeht man oftmals den langen Weg durchs Menü, wenn man schnell ein neues Bluetooth-Device pairen oder in die Kalenderansicht wechseln möchte.

Praxistest: Nokia N91 8GB music edition

Die Sprachqualität des N91 bewegt sich auf einem guten Niveau, auch in einer lauten Umgebung lässt sich der Gesprächspartner noch gut wahrnehmen und klingt angenehm natürlich. Videotelefonate sind mangels Frontkamera nicht mit dem N91 möglich. Der linksseitig verbaute Lautsprecher bietet keine außerordentlich hohe Soundqualität und eignet sich damit nur bedingt zum Freisprechen. Vom Empfang sollte dagegen kaum jemand enttäuscht sein: solide funkt die integrierte Antenne auch in schwächer abgedeckten Regionen, Netzwechsel gehen schnell und reibungslos vonstatten. In puncto Ausdauer macht das N91 wiederum keine gute Figur. Der nur 970mAh starke Standardakku war mit der energiehungrigen Festplatte etwas überfordert. Nokia gibt die reine Musikspieldauer des N91 mit max. 10 Stunden an. Diesen Herstellerwert konnten wir in der Praxis nicht erreichen. Realistisch eingeschätzt kommt man auf ca. 6-7 Stunden - allerdings nur im Offline-Modus. Wer dagegen jeden Tag ca. zwei Stunden Musik hört und darüber hinaus mehrere Telefonate führt, wird froh sein, wenn sein N91 zwei Tage ohne Steckdose durchsteht.

Fazit

Das Festplatten-Handy N91 zeigt sich hinsichtlich Funktionalität, Bedienung und Klangeigenschaften einem designierten MP3-Player ebenbürtig. Und auch abseits von Musik und Riesenspeicher bietet das Gerät erwartungsgemäß weit mehr als nur telefonische Durchschnittskost. Hochwertige Materialien, ein cooler Slidermechanismus, UMTS-Connectivity und vor allem die WLAN/UPnP-Schnittstelle lassen das Smartphone in Regionen entschweben, die weit über "normalen" Handys angesiedelt sind. Darüber hinaus gewährleistet das S60-Betriebssystem eine anpassbare Menüführung und umfangreiche PIM-Funktionalität. Das waren die guten Nachrichten. Die schlechten lauten: Wer "Ja" zum N91 8GB sagt, muss auch in den sauren Apfel beißen und sich mit einem zwar optisch ansprechenden, aber außerordentlich schweren Handy beladen, das alle zwei Tage an die Steckdose muss.

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