Praxistest: Motorola KRZR

24.11.2006

Lieferumfang / Verarbeitung

Motorolas Erfahrung mit Fashion-Handys ist groß: alleine der mittlerweile schon zum Mainstream gehörende Folder RAZR wusste millionenfach zu überzeugen und prägte eine ganze Generation von Mobilfunkern. Motorolas neues KRZR ? das man wie "crazy" ausspricht ? führt die Tradition mit einem beachtlichen Maß an Innovationsfreude im Design weiter. Das Nötigste für den Betrieb der Handy-Funktionen findet man gleich im Lieferumfang: USB-Datenkabel, Stereo-Kabelheadset und die Motorola Phone Tools sind dabei, passenden Schnickschnack wie Tasche, Trageschlaufe, Schmuck und Lanyard muss man sich nach eigenem Geschmack aussuchen.

Motorola kreuzt beim KRZR eine glänzende, halbtransparente Folderfront mit matten Softtouch-Materialien auf der Rückseite und hochwertigem grauen Kunststoff an den Gehäusekanten. Ein dekoratives silbergraues Lochmuster verschönert den unteren Gehäuseabschluss. Unser Herzschlag legte jedes Mal um mindestens zehn Prozent zu, wenn wir das Handy in die Hand nahmen: der haptische Eindruck des KRZR liegt auf allerhöchstem Niveau: Motorolas Designer nutzten ihre RAZR-Vorlagen und schrumpften sie etwa um die Hälfte in Breitenrichtung, das KRZR wirkt lang, schmal aber nicht mehr ultraflach. Ein festsitzender Akkudeckel und der präzise ausgeführte weiche Klappmechanismus perfektionieren das Bild des nahezu perfekt gestalteten Mobiltelefons.

Es will kein Multimedianer sein: das helle aber nicht überaus brilliante 1,8 Zoll-Display nutzt 262.144 Farben auf 176x220 Pixeln und lässt ein deutliches Pixelraster erkennen. Das fällt wegen der neuen Menüführung allerdings kaum ins Gewicht: die Schriftarten in der Menüführung werden durchgängig kantengeglättet und wirken schärfer als bei allen Vorgängern. Schmankerl des Telefons ist sein unter einer halbtransparenten Mineralglasfläche verstecktes Außendisplay: Hier findet man auch in geschlossenem Zustand Informationen über eingehende Anrufe oder SMS, steuert mit Hilfe der Seitentasten alle MP3-Funktionen oder nutzt es als Sucher für Selbstportraits. Die getönte Oberfläche fordert aber Einschränkungen: so wirkt die Darstellung auf dem Außendisplay grobkörnig und kontrastarm - dafür freut man sich auch unter Sonnenlicht über glasklare Ablesbarkeit: die Komponente ist transflektiv ausgelegt. Des KRZRs Tastatur kennt man von allen RAZR-Ablegern, die das Moto-Universum hervorgebracht hat: aus einer blau schimmernden Metallplatte wurden Linien in Form von Tastenbeschriftungen herausgelasert und mit einem hellblau fluoreszierdenen Licht hinterlegten Gummimaterial ausgefüllt. So lassen sich die Grenzen der einzelnen Tasten gut voneinander unterscheiden, auch auf den Richtungstasten des großen Steuerrings und den Softkeys liegen kleine gummierte Punkte. Die Bedienbarkeit des Telefons leidet allenfalls unter seiner schmaleren Dimensionierung: man braucht schon ziemlich spitze Finger, um schnell mit dem Telefon umgehen zu können. Die Druckpunkte liegen tief und weich, fallen aber gleichmäßig aus: man darf das Handy "fester anpacken", als es aussieht.

Ausstattung

Fotoprofis wissen es längst: Megapixel sind nicht mit Megaqualität gleichzusetzen. Mit 1600x1200 Pixeln spuckt die kleine Kamera am Kopf der Folderklappe Bilder auf Speicherkarte oder Telefon-RAM, nur leider ist die Hälfte davon überflüssig: Details verschwimmen auf größere Entfernung zur Unkenntlichkeit, die Kontraste sind niedrig, die Farben gleichmäßig unfreundlich. Auch der Nachtmodus ist obsolet, denn mangels LED lassen sich im Dunkeln mit dem KRZR natürlich keine Fotos schießen. Immer wieder für Erheiterung bei Partygästen sorgen die witzigen Auslöse-Töne, die sich vom gackernden Schimpansen über eine quakende Ente bis zum einfachen Kameraknipsgeräusch erstrecken und sich natürlich auch gänzlich abschalten lassen. Lichtblick ist der integrierte Videomodus. Der nimmt bewegte Bilder mit maximal 320x240 Pixeln in beliebiger Länge auf und schafft dabei ca. 15 Frames pro Sekunde. Auch wenn die Qualität der Fotos kaum zu befriedigenden Ergebnissen führen wird, sind die Druckfunktionen des KRZR erwähnenswert: Verfügt man über einen Fotodrucker mit USB- oder gar Bluetooth-Anschluss, können Fotos direkt aufs Papier gebannt werden, einige Vorlagen für verschiedene Größen sind bereits im Handy integriert, andere lassen sich möglicherweise direkt am Drucker einstellen.

Was ein gutes Lifestyle-Handy sein will, muss seinen Nutzer mit stylischen MP3-Funktionen beglücken. Gleich zwei Player mit leicht unterschiedlichen Leistungsmerkmalen packt Motorola aufs Gerät. Beide sind multitaskingfähig und können mit den gängigen Audioformaten MP3 und AAC/MP4/M4A umgehen - WAVs und WM9-Files konnten wir auf unserem Testgerät aber nicht wiedergegeben. Praktisch: kabellose Stereoheadsets lassen sich via Bluetooth/A2DP mit dem KRZR koppeln. Mangels mitgelieferter Speicherkarte ist mit dem Soundgenuss schnell Schluss: lediglich 20 Megabytes stecken im Handy. Via MicroSDs können aber bis zu ein Gigabyte große Transflash-Karten nachgesteckt werden.

Browsing- und Email-Funktionen sind auf dem KRZR zwar vorhanden, leiden aber insbesondere unter den bisweilen extrem langsamen GPRS-Verbindungen. Spannender - und auch deutlich schneller - ist der Versand von Multimedia-Mitteilungen, auch wenn der entsprechende Client optisch sehr spartanisch rüberkommt. Mit Spaß am Messaging hat das ganze wenig zu tun, wenn man erst durch lange Kontextmenüs scrollen muss, um ein Bild an eine Kurzmitteilung anzuhängen. Auch mit der Ordnung ist es schlecht bestellt: ein Ordnersystem für SMS/MMS kennt das KRZR nicht, für EMails steht hingegen eines bereit. Wer gerne viel SMS schreibt, wird die Robustheit des KRZR-Gehäuses zu schätzen lernen, wenn er das Handy bei der nächsten Textnachricht in die Ecke feuert. Angesichts der allgemein sehr trägen Reaktionszeit des Synergy-Betriebssystems braucht man beim Tippen von Text viel Geduld. Besonders hilfreich ist die vom T9-System deutlich abweichende Wortvervollständigung iTap in der Regel zunächst ohnehin nicht. Erst im Laufe der Zeit lernt iTap so viele Phrasen hinzu, dass man Standard-SMS in bisweilen in atemberaubender Geschwindigkeit über die Tastatur schickt.

Punkte sammelt das KRZR mit seinen für Lifestyle-Ansprüche weitreichenden PIM-Features, die sich u.a. auf Postadressen, kategorisierbare Rufnummern und Geburtstage verstehen. Der Kalender präsentiert die üblichen Wochen-, Monats- und Tagesansichten reichlich bunt aber nicht unbedingt übersichtlich. Hilfreich ist in diesem Zusammenhang die neue Agenda-View, die die in der kommenden Woche anstehenden Termine nach Tagen oder Typen sortiert auflistet. Bluetooth und USB sind die Schnittstellen, mit denen KRZR sich an andere Gerätschaften anbindet; den aus der Mode gekommenen Infrarotport sucht man am Handy vergeblich. Besonders in Verbindung mit den für Windows-PCs gedachten Motorola Phone Tools gestaltet sich die Arbeit mit Telefondaten äußerst komfortabel und sie bringt jedes Notebook in weniger als zehn Minuten konfigurationsfrei ins Internet. PIM-Daten können mit Outlook (Express) und Lotus Notes-Servern synchronisiert oder via SyncML bzw. Microsofts ActiveSync-Protokoll ausgetauscht werden. Alternativ kann man auch direkt via Bluetooth-OBEX Daten zwischen Handy und PC verschicken - eine im KRZR eingelegte Speicherkarte erscheint dann als eigenständiger Ordner auf dem Desktop. Mit einfachen Bluetooth-Headsets, Kfz-Freisprecheinrichtungen oder A2DP-Headsets hatte das KRZR weder beim Pairing noch im laufenden Betrieb Probleme.

Praxistest: Motorola KRZR
Praxistest: Motorola KRZR
Praxistest: Motorola KRZR

Die im KRZR integrierte MIDP2.0-konforme Java-Engine beschränkt sich aufs notwendigste und lässt selbst elementare JSR-Addons vermissen ? abgesehen von 3D-Funktionen wird der Durchschnittsnutzer davon aber auch nur wenige benötigen. 34 Zähler im JBenchmark-Test zeigen: wirklich anspruchsvolle Games sollte man dem schicken Folder nicht zumuten!

Telefonfunktionen / Ausdauer

Abgesehen von der niedriger ausgefallenen Displayauflösung erbt das Motorola KRZR die Menüführung und -logik des Vorgängers V3x. In der ungebrandeten Variante kann man sich durchaus nach längerer Gewöhnung an die putzig animierten Icons im Comic/Kubismus-Stil verlieben. Je nach Wahl des Netzbetreibers kann man aber auch ein Gerät bekommen, das vergleichsweise stark gebrandet wurde. Migranten von anderen Herstellern werden die eine oder andere Funktion etwas länger suchen müssen, denn in Amerika ticken die Entwickler offenbar anders als in Finnland oder Korea! Beim Theming entscheidet sich Motorola für einen Mittelweg: zwar lassen sich die Icons vom Nutzer nicht auswechseln, dafür aber Menühintergründe, Wallpaper, Klingelverhalten und das Aussehen der Menüboxen durch ein Thema beeinflussen. Doch als gestandener Motorola-Nutzer weiß man, dass man gar nicht zwangsläufig das Menü für die Steuerung des Telefons benutzen muss: der Hersteller installiert nämlich eine ganz passable Sprachsteuerungsfunktion auf dem Handy. Diese muss auch nach dem Einfügen neuer Kontakte nicht angelernt werden, lässt sich aber über eine etwa fünfminütige Kalibrierungssitzung aufs eigene Sprachmuster anpassen. Die Trefferrate lag bei der Nutzung über unser Yakumo-Mono-Headset bei etwa 50%, via Stimme lassen sich jeweils drei potenziell erkannte Nummern oder Kontakte durchlaufen.

Die wohl größte Stärke des KRZR liegt in der überragenden Sprachqualität: selten waren wir von der Klarheit und Ausgewogenheit des gesamten Klangbilds so überzeugt wie beim blauen Style-Folder. Nebengeräusche sind fast nicht vernehmenbar, Stimmen klingen originalgetreu und Unterbrechungen während eines Gesprächs sind die extrem seltene - meist netzbedingte - Ausnahme. Die etwas wackelige Empfangsstärke sorgt zwar für nervöse Zuckungen der entsprechenden Balkenanzeige, schlägt sich im Alltag aber recht wacker. Sollte doch einmal die Verbindung zum Mobilfunknetz verloren gehen, klingelt das Handy hektisch, sodass man immer über die Auszeiten informiert ist.

Praxistest: Motorola KRZR

Will man auf dem Flug zum nächsten Businesslunch kurz seine Termine verwalten, Musik hören oder ein paar Sudokus entschlüsseln, kann man vom Flugzeugmodus des Folders Gebrauch machen, der sich im laufenden Betrieb anschalten lässt und sämtliche GSM-Funkaktivitäten sperrt. In diesem Modus hält auch der BC50-Akku bedeutend länger, obwohl der ohnehin mit 720mAh nicht gerade schwachbrüstig ausfällt. In der Regel konnten wir mit Motorolas KRZR stets vier Tage problemlos telefonieren und ein paar Fotos schießen. Die Akkuladung erfolgt via seitlich ausgehendem MiniUSB-Port, über den sich das Telefon übrigens auch via handelüblichem USB-Kabel an einem PC mit Strom versorgen lässt.

Fazit

Von unserer automatisch berechneten Wertung sollte man sich nicht täuschen lassen: Motorolas KRZR ist ein rundum empfehlenswerter Kandidat für Freunde businesstauglicher Style-Handys ohne nennenswerte Multimedia- oder Gaming-Qualitäten. Der außerordentlich gut verarbeitete und vollendet durchdachte Design-Folder punktet mit Telefonfunktionen. Saubere Sprachqualität, gute Sprachwahlfunktionen und krisenresistente Bluetooth Headet-Connectivity lassen das "schmale Blaue" zum perfekten Begleiter von Nutzern werden, die sich nach einem Handy zum Telefonieren sehnen. Dass man das KRZR dank gut durchdachter Synchronisationsfunktionen und einer überaus featurereichen PC-Lösung auch zur Verwaltung von Kontakten und in eingeschränktem Maß zur Übersicht von anstehenden Terminen nutzen kann, trägt zum positiven Gesamtbild bei. Doch an alle Multimedia-, Gaming- und vermeintlichen "Lifestyle"-Freunde sei ein Wort der Warnung gerichtet. Kamera-, Java- und Messaging-technisch versagt der schicke Folder! Dennoch wird das KRZR mit Sicherheit keine Eintagsfliege, denn erfahrungsgemäß können die meisten Kunden auf solche Features gut und gerne verzichten.

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