Smart Data schlägt Big Data. Allerdings: Kein Mensch kann in die Zukunft schauen. Kein Mensch kann Daten aus der Zukunft kennen, geschweige denn analysieren. Doch es gibt Methoden, wie man aus Daten aus der Vergangenheit auf zukünftige Trends und Entwicklungen schließen kann. Das ist Ziel und Aufgabe von Predictive Analytics, eine der zentralen Herausforderungen für digitale Unternehmen, die Kundenerlebnismanagement als kritischen Erfolgsfaktor begreifen.
Predictive Analytics ist nicht unbedingt neu. Viele Unternehmen nutzen im Vertrieb ein Forecasting-System, beispielsweise Funnel-Management, um die vorhandenen Leads monetär nach vermutlichem Volumen, nach voraussichtlicher Dauer bis zum Abschluss und mit einer Wahrscheinlichkeit des erfolgreichen Abschlusses zu bewerten. Dann nutzen diese Unternehmen auch bereits Predictive Analytics.
Auch eine Vorschlagsmaschine in einem Webshop ist eine Anwendung von Predictive Analytics. Oder das Anwenden von Marketing-Modellen, um Entscheidungshilfen zu bekommen, welche Anzeige auf welcher Seite eines Mediums erscheinen soll, zählt dazu. All das sind Formen von Predictive Analytics, nämlich die Anwendung von Analytik zum Berechnen von Wahrscheinlichkeiten des Eintretens von Ereignissen wie
der Abschluss eines Vertrages,
das Annehmen von Kaufempfehlungen,
die Chance und das Risiko des Treffens von Maßnahmen etc.
Predictive Analytics gehört genau wie Data Discovery (Entdecken von Zusammenhängen in Datenmengen) und Datenvisualisierung in die Familie der Konzepte von Analytik. Alle zusammen gehören mit den Konzepten von Performance Management und deren Umsetzungsformen zu Business Intelligence.
Im Zuge der Digitalisierung der Welt wird Predictive Analytics aber immer wichtiger. Es dient insbesondere dazu, die Spuren der digitalen Kunden im Big Data quer über alle Kanäle und Kontaktpunkte zu entdecken, zu analysieren und zukünftiges Kundenverhalten und Kundeneigenschaften vorherzusagen. Aus der Datenvielfalt und dem Datenvolumen aus mannigfaltigen Datenquellen wird aus Big Data gleichsam die Essenz herausgefiltert: Smart Customer Data. Das bedeutet neue Einsichten in Kunden und Markt und bietet die Basis für bessere Entscheidungen, Aktionen und Maßnahmen. Schließlich wird Predictive Analytics zum Impulsgeber für Innovation.
Predictive Analytics basiert im Wesentlichen auf Data Mining. Klassische Data-Mining-Methoden umfassen beispielsweise Regressionsanalyse, Klassifizierung (Clustering), neuronale Netze sowie Assoziationsanalysen. Über ein solches Erkennen von Mustern in Datenmengen nutzt Predictive Analytics auch statistische Berechnungen, maschinelles Lernen, Elemente der Spieltheorie sowie Methoden des Operations Research, wie Optimierungsrechnung und Simulationsverfahren. Dahinter steckt demnach eine ganze Menge Mathematik und Statistik, heute auch noch Linguistik, wenn Text Mining, bzw. Textanalytik auf nicht-strukturierte Daten wie Texte, Blogs, Tweets etc. angewendet werden soll.
Predictive Analytics ist der heute am meisten verwendete Begriff hierzu, aber er steht nur gleichberechtigt neben Descriptive Analytics und Prescriptive Analytics. Was ist also was?
Descriptive Analytics beschäftigt sich mit der Vergangenheit. Es dient dazu, Beziehungen zwischen Kunden und Produkten zu verstehen. Ziel ist es, von der Vergangenheit zu lernen, um mittels dieses Wissens in der Zukunft besser entscheiden zu können. Typische Beispiele sind OLAP-Analysen. Das Problem solcher Analysen besteht darin, dass man zwar Korrelationen aufdecken kann, aber solche Korrelationen rein zufällig sein können und daher nicht ausreichen, um Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge zu identifizieren. Descriptive Analytics ist aber ein erster wichtiger Schritt, um neue, unbekannte und nicht-triviale Einsichten in Daten zu bekommen.
Predictive Analytics beschäftigt sich mit der Zukunft. Predictive Analytics ermöglicht die Abschätzung der Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines zukünftigen Ereignisses. Das klingt im ersten Augenblick kompliziert, aber machen wir uns das an einem weiteren Beispiel klar, dem Kredit-Scoring: Hier soll die Wahrscheinlichkeit abgeschätzt werden, mit der ein Kunde die zukünftigen Ratenzahlungen eines gewährten Kredits nicht leisten könnte. Das dient der Risiko-Abschätzung einer Kreditvergabe und liefert so eine Entscheidungsunterstützung. Es werden also historische und Transaktionsdaten genutzt, um Muster in den Daten zu entdecken. Mittels statistischer Modelle und Algorithmen werden dazu Beziehungen in den verschiedenen Datenmengen identifiziert.
Prescriptive Analytics liefert Vorschläge basierend auf Predictive Analytics. Diese Methode setzt auf Predictive Analytics auf und geht noch einen Schritt weiter. Sie liefert zusätzlich auch Erklärungen, warum ein zukünftiges Ereignis eintreten wird und gibt Empfehlungen, wie man auf ein solches Ereignis reagieren sollte. Im Falle des Kredit-Scorings bekäme man also zusätzlich noch Information, warum der Kunde nicht zahlen können wird, und welches die beste Entscheidung sei, den Kredit zu vergeben oder nicht. Prescriptive Analytics versucht also die Auswirkung zukünftiger Entscheidungen abzuschätzen, um so Entscheidungen zu bewerten, bevor sie getroffen werden.
Gut zu wissen
Was und wieviel sollte man als Manager oder Experte im Fachbereich von Analytics wissen und verstehen? Der Einfachheit halber wollen wir hier nicht zwischen Descriptive, Predictive und Prescriptive Analytics unterscheiden, sondern nur von Predictive Analytics sprechen.
Predictive Analytics dient als Konzept der Business Intelligence der Entscheidungsunterstützung. Es schafft Fakten, die sich im Rahmen eines Modells nachvollziehbar und eineindeutig ergeben. Auf Basis dieser Fakten sind dann Entscheidungen zu treffen. Das ist in der Tat die Aufgabe der Manager und Experten in den Fachabteilungen. Man muss also in der Lage sein, das Modell zu verstehen und die Fakten zu interpretieren und Schlüsse daraus ziehen können. Wie Mathematik, Statistik und Linguistik im Rahmen des Modells arbeiten, muss man nicht unbedingt verstehen. Das ist die Aufgabe von speziellen Business-Analysten und/oder Datenwissenschaftlern.
Hier ein paar Tipps, was man über Predictive Analytics ohne mathematisch/statistisch/linguistische Ausbildung wissen sollte, um auf Basis der Ergebnisse ein besseres Kundenerlebnismanagement zu ermöglichen:
Der Mangel an geeigneten Daten ist trotz Big Data das größte Problem. Um Vorhersagen über zukünftiges Kaufverhalten von Kunden machen zu können, sind Daten über das bisherige Kaufverhalten nötig. Diese lassen sich beispielsweise über Kundenbindungsprogramme (Treuekarten etc.) oder durch Analysen der mit Kreditkarten getätigten Käufe generieren. Verfügt ein Unternehmen über verschiedene Verkaufskanäle oder Kundenkontaktpunkte, was in der Regel der Fall ist, müssen die Daten über alle Kanäle und Kontaktpunkte entsprechend konsolidiert werden. Mit anderen Worten: Hier ist ein professionelles Information Management notwendig, um ein Kunden-Data-Warehouse mit eineindeutiger Kunden-ID aufzubauen, das all diese Daten entsprechend aufbereitet bietet. Dies aber ist die Voraussetzung für erfolgreiches Predictive Analytics, um Big Data in Smart Customer Data zu wandeln. Predictive Analytics beginnt also mit einer state-of-the-art Information-Management-Lösung.
Die am meisten verbreitete Data-Mining-Methode in Predictive Analytics ist Regressionsanalyse. Der Vorteil ist, dass eine Regressionsanalyse auch gleich ein Modell liefert, das sofort anwendbar ist, nämlich die Regressionsgleichung.
Betrachten wir dazu wieder unser Beispiel des Kredit-Scorings. Mittels einer Regressionsanalyse wird die Regressionsgleichung bestimmt woraus sich die Parameter abschätzen lassen. Jetzt kann dieses Modell sofort auf jeden neuen, dem Unternehmen unbekannten Kunden angewendet werden. Der Score wird dabei durch das Einsetzen der durch die Regressionsgleichung bestimmten Parameter kalkuliert.
Wichtige Voraussetzungen sind vor allem die Qualität der Daten, die in der Regressionsanalyse genutzt wurden und die Qualität der Arbeit des Analysten, der die Regressionsanalyse durchgeführt hat. Neben einer solchen traditionellen Regressionsanalyse kommt heute eine Vielfalt von weiteren Verfahren zur Anwendung, auf die hier nicht im Näheren eingegangen werden soll.Die fundamentale Annahme in Predictive Analytics ist, dass das Verhalten des Modells in der Vergangenheit sich in der Zukunft nicht ändert. Man spricht hier von "stationären Modellen". Im Beispiel des Kredit-Scorings bedeutet das, dass ein Kunde von der Geburt bis zum Tod ein und denselben Kredit-Score hat, egal, was auch immer im Leben und in der Umgebung des Kunden passiert. Das klingt nicht sehr realistisch, die Dinge ändern sich, die Märkte ändern sich und auch das Kundenverhalten ändert sich.
Daher ist die Annahme des stationären Verhaltens eines einmal abgeleiteten Modells immer wieder zu hinterfragen. Denn ein Modell, das nicht mehr die Wirklichkeit beschreibt, taugt nicht mehr und gibt in der Regel falsche, nicht mehr zutreffende Vorhersagen. Daher sollten Manager und Experten in den Fachabteilungen ihre Analysten immer wieder fragen, was die fundamentalen Annahmen des Modells sind, und was die Auswirkungen sind, wenn diese nicht mehr zutreffen.
Wer über ein solches Basiswissen verfügt, kann dann auch mit Analysten und Datenwissenschaftlern Ergebnisse von Predictive Analytics diskutieren und folgenden Fragen nachgehen, die zur Bewertung des Modells und seiner Interpretation entscheidend sind:
Welche Datenquellen wurden genutzt beziehungsweise nicht genutzt?
Sind die verwendeten Daten repräsentativ für die gegebene Fragestellung?
Wie gut ist die Qualität der zu Grunde liegenden Daten?
Gibt es in den Daten Ausreißer und/oder fehlende Daten? Wie beeinflusst das die Analyse?
Welche Annahmen wurden gemacht?
Unter welchen Bedingungen träfen die gemachten Annahmen nicht mehr zu?
Es kommt also im Endeffekt darauf an, dass ein mit diesem Thema beschäftigter Manager die richtigen Daten und das richtige mathematische/statistisch/linguistische Modell hat sowie Sorgfalt beim Umgang mit den fundamentalen Annahmen walten lässt. Das ist in der Praxis nicht immer einfach. Aber mit einem solchen Ansatz erhält das Unternehmen Einsichten basierend auf belastbaren Fakten, mit denen auf der fachlichen und Management-Ebene bessere Entscheidungen getroffen werden können. Darauf lässt sich im Anschluss ein Kundenerlebnismanagement aufbauen, das den Erwartungen der Kunden auch entspricht.
Dann gilt es noch, die Auswirkungen dieser Entscheidungen im Sinne von Performance Management zu messen und somit Überwachungsmechanismen aufzubauen, die sicherstellen, dass die getroffenen Entscheidungen auch die beabsichtigten Wirkungen zeigen.
Fazit
Mit Predictive Analytics bekommen die Unternehmen leistungsstarke, analytische Werkzeuge an die Hand, um aus Big Data Smart Customer Data zu generieren. Wem es gelingt, Predictive Analytics effizient einzusetzen, der kann durch die Vorhersage wahrscheinlicher Entwicklungen von Kunden- und Markttrends bessere Entscheidungen ableiten und smarter handeln. Die Konsequenz ist ein Kundenerlebnismanagement, das die Erwartungen der Kunden erfüllt. Das bedeutet einen deutlichen Wettbewerbsvorsprung gegenüber den Mitbewerbern, sozusagen "real digital".
Die größte Herausforderung von Predictive Analytics besteht darin, die gewonnenen Ergebnisse erfolgreich in das Business zu übertragen. Smart Customer Data, das beispielsweise aufdeckt, welche Kunden potenziell kündigen können, nützt nur dann etwas, wenn die Unternehmen daraus auch die richtigen Schlüsse ziehen. Bei einer falschen Interpretation der Ergebnisse kann sogar das Gegenteil des gewünschten Effekts die Folge sein. Ein Beispiel wäre in einer Analyse von Kündigungsabsichten bei Kunden eine erhöhte Kündigungsrate. Als erfolgskritisch erweist es sich zudem, die mit den Predictive-Analytics-Ergebnissen verbundenen Aktionen und Maßnahmen für Manager und Experten in den Fachabteilungen transparent zumachen. (bw)