Linux-Protagonisten kontern Kritik von Microsoft

PR-Kampagne heizt die Diskussion um Open Source an

25.05.2001
MÜNCHEN (CW) - Mit der Kritik an quelloffener Software hat Microsoft eine hitzige Debatte entfacht. Führende Köpfe der Open-Source-Bewegung brandmarken die öffentlichkeitswirksamen Vorstöße des Softwaremonopolisten als durchsichtigen Versuch, seine Machtposition zu verteidigen.

Quelloffene Software gefährde sowohl kommerzielle Programmentwickler als auch die Anwender und behindere Innovationen. Mit solchen Behauptungen startete Craig Mundie Anfang Mai einen PR-Feldzug gegen die Open-Source-Gemeinde. Der hochrangige Microsoft-Manager, der direkt an den Cheftechnologen Bill Gates berichtet, kritisierte vor allem die in der Community weit verbreitete GNU General Public License (GPL). Diese fordere Entwickler geradezu dazu auf, geistiges Eigentum aus der Hand zu geben.

Das Modell quelloffener Software berge das Risiko der Zersplitterung. Aus einer Codebasis entwickelten sich unterschiedliche Varianten eines Programms, die zueinander inkompatibel und unsicher seien. "Tatsächlich gefährdet die GPL die Zukunft der unabhängigen Softwarebranche", so Mundie.

Die Open-Source-Verfechter halten dagegen: "Die GPL bedroht die Strategie, die Microsoft zum Schutz seines Monopols verfolgt", schreiben prominente Vertreter der Bewegung in einer Stellungnahme. Insbesondere die Behauptung Mundies, ein Unternehmen, das quelloffene Programme nutzt, sei rechtlich verpflichtet, Software und Daten kostenlos weiterzugeben, bringt die Community auf die Palme. Mundie habe die Prinzipien der GPL falsch interpretiert. Eben Moglen, Justiziar der Free Software Foundation (FSF), erklärte, Microsoft habe die GPL nicht verstanden und versuche, Entwickler davon abzuschrecken, "sich als Wettbewerber aufzustellen, die Microsoft weder kaufen, einschüchtern noch aufhalten kann".

Zu den Unterzeichnern der Stellungnahme gehören die führenden Köpfe der Open-Source-Szene, darunter Richard Stallman von der Free Software Foundation (FSF), Eric Raymond (Open Source Initiative), Linus Torvalds, der Initiator des Linux-Kernels, Miguel de Icaza vom Gnome-Projekt, Perl-Entwickler Larry Wall, Guido van Rossum (Python-Erfinder), der Verleger Tim O''Reilly, Red-Hat-Mitgründer Bob Young sowie Larry Augustin, CEO von VA Linux Systems. Initiiert und verfasst hat den Brief Bruce Perens, Open-Source-Beauftragter von Hewlett-Packard und früher Koordinator von Debian Linux.

"Der wirkliche Motor der Inkompatibilität ist Microsoft selbst", argumentiert der Autor. Das Unternehmen gestalte absichtlich neue Softwareversionen inkompatibel mit älteren, um die Anwender zum Kauf jedes Upgrades zu zwingen. "Wie oft schon mussten Office-Nutzer auf eine neue Version wechseln, nur weil sich das Word-Dateiformat geändert hat?", entrüsten sich die Verfasser.

Sicherheit und freie SoftwareAuch den Vorwurf, quelloffene Software führe zu Sicherheitslücken, kontert die Anhängerschaft: Sicherheitsexperten empfehlen, für kritische Funktionen ausschließlich freie Software einzusetzen. Microsofts Programme dagegen seien bekannt für Sicherheitsrisiken wie Virusanfälligkeit oder die Möglichkeit versteckter Hintertüren, über die potenzielle Angreifer die Kontrolle über ein System gewinnen können.

Nicht die GPL, sondern Microsofts eigene Lizenzen hätten die Innovation im Softwaremarkt aufgehalten, wehren sich die Unterzeichner gegen Mundies Behauptungen. "Verstöße gegen Microsoft-Lizenzen haben zu Zivilprozessen und Haftstrafen geführt. Versehentliche GPL-Verletzungen sind schnell aus der Welt geschafft und landen kaum vor Gericht."

Microsofts GegenentwurfMundie hatte in seiner umstrittenen Rede an der New Yorker Stern School of Business einen Gegenentwurf zu Open Source präsentiert. Mit dem "Shared-Source"-Modell erhielten Unternehmenskunden und unabhängige Softwareanbieter Zugriff auf den Quellcode des Windows-Betriebssystems, dürften diesen aber nicht verändern und auf diese Weise "Windows-Untermengen" kreieren. "Die Entwickler können den Code ansehen und verstehen, wie er funktioniert", erläuterte Business Development Manager David Coburn. "Sie können ihre eigenen Produkte besser entwanzen, weil der Debugger nicht beim Windows-Layer endet, sondern bis auf die Kernel-Ebene hinuntergeht."

Mit dem Modell erkenne Microsoft einerseits zentrale Vorteile von Open Source an, schreibt Perens: Offenheit, das Engagement der Community und die Innovationskraft. Andererseits aber sei der Konzern an einer echten Zusammenarbeit nicht interessiert. Das Shared-Sources-System funktioniere nach dem Prinzip: "Ansehen erlaubt, aber bitte nicht berühren - und wir kontrollieren alles." Für Linus Torvalds handelt es sich bei dem Modell schlicht um ein Täuschungsmanöver: "Diese ,Philosophie'' bedeutet für Microsoft nichts weiter, als den Status quo zu erhalten; es ist der Versuch, diesen ein bisschen mehr wie Open Source aussehen zu lassen."

Kritik erntete Microsoft nicht nur aus dem Open-Source-Lager. Der ehemalige Gartner Analyst Chris LeTocq etwa sieht darin "eine PR-Kampagne, die Entwickler und Kunden überzeugen soll, nicht in Richtung Open Source einzuschwenken. (...) Microsoft fühlt sich von der Open-Source-Bewegung bedroht."

Die Open-Source-Protagonisten können dem Vorstoß des Softwaremonopolisten auch Positives abgewinnen. "Wir sind für Microsoft zu solch einem ernsten Konkurrenten geworden, dass deren Manager nun öffentlich ihre Angst bekunden", leitet Perens seine Stellungnahme ein. Und er schließt mit dem ironischen Appell. "Freie Software ist ein großartiger Weg, ein gemeinsames Fundament zu bauen, das Innovation und fairen Wettbewerb fördert. Microsoft, es ist Zeit, zu uns zu stoßen." Mit Shared Sources habe die Gates-Company einen ersten Schritt getan. Nun gelte es, den Weg zu Ende zu gehen.