Wissen und Daten effizient organisieren

Portale gegen das Informationschaos

11.09.2003 von von Christoph
Portale können sämtliche Geschäftsprozesse eines Unternehmens auf einer einzigen Plattform abbilden. Allerdings sind solche Gesamtlösungen für die meisten Mittelständler eine Nummer zu groß. Viele Firmen begnügen sich deshalb zu Recht damit, den Informationsfluss zu optimieren, die Zusammenarbeit zu verbessern und internen Dienstleistern zu mehr Akzeptanz zu verhelfen.

KAUM EIN BEGRIFF aus der IT-Welt ist in den vergangenen Jahren so inflationär verwendet worden wie der des Portals. Wörtlich genommen ist ein Portal eine Tür, die den Zugang zu dahinter liegenden Informationen eröffnet. Im Consumer-Bereich haben vor allem Internet-Dienstleister wie Lycos oder T-Online den Begriff für ihre Plattformen verwendet: Solche Oberflächen sollen die gesamte private Internet- Nutzung auf einer einzigen Site abbilden, von der aus der Surfer im Netz einkaufen, sich informieren, flirten, vielleicht spielen und kommunizieren kann. Die Idee dahinter: Niemand muss sich mehr eigenständig durch unterschiedliche Sites und Anwendungen wühlen, um sich seine Kommunikations- und Informationswünsche zu erfüllen. Alles wird ihm in einem einheitlichen „Look and Feel" präsentiert, und aus welchen Anwendungen und Quellen das Angeklickte im Detail kommt, braucht ihn nicht zu kümmern.

Überdimensionierte Lösungen

Portale für den Unternehmenseinsatz funktionieren im Prinzip nicht anders: Es geht darum, unterschiedliche Strukturen und Vorgänge innerhalb einer Firma integriert abzubilden und nutzbar zu machen. Anwendungen, die diesen Anspruch ganz oder teilweise erfüllen beziehungsweise zu erfüllen versprechen, gibt es unzählige auf dem Markt. Ab welchem Leistungsumfang diese Programme die Bezeichnung Portal tatsächlich verdienen, haben die Berater von CSC Ploenzke zu definieren versucht. Danach müssen fünf Leistungsmerkmale erfüllt sein: die Integration vorhandener Programme, ein strukturiertes User-Management, die personalisierte Verwaltung von Inhalten, Suchfunktionen sowie eine entwicklungsfähige Infrastruktur.

Megaportale, die all das bieten, sind im Mittelstand häufig weder notwendig noch erwünscht. Gerade das Abbilden sämtlicher im Unternehmen vorhandenen Anwendungen schreckt viele Unternehmen - und das zu Recht. Die großen Portalanbieter wie BEA, SAP oder IBM setzen allerdings stark auf solche Lösungen, bei denen eine Middleware - meist Portalserver genannt - die Integrationsaufgabe übernimmt.

Das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) hat zu Beginn des Jahres eine ganze Reihe dieser Programme untersucht. Ein Ergebnis war, dass die Preisunterschiede sehr groß und oft nicht nachvollziehbar sind. Die Forscher hielten die Produkte insgesamt auch für zu teuer.

Stufenweise vorgehen

Und ob eine Plattform im strengen Sinne den großen Namen Portal verdient, kann einem Mittelständler herzlich egal sein. In den Unternehmen geht man hier ganz praktisch vor und unterscheidet drei „Eskalationsstufen" bei der Einführung einer Portallösung: In der ersten dient die Site als Informationsund Kommunikationsmedium für die Mitarbeiter. Dokumente werden ausgetauscht und möglichst alle im Unternehmen vorhandenen Informationen zur Verfügung gestellt; die Software erleichtert zudem den direkten Kontakt zwischen den Kollegen. Softwareseitig wird dazu in der Regel entweder eine einfache Groupware- oder eine aufwändigere Content-Management-Software verwendet. Die zweite Stufe macht geschäftskritische Anwendungen und das gesamte Management der Kundenbeziehungen zum Teil dieser Lösung. In der dritten Stufe schließlich wird das Portal nach außen geöffnet, entweder um eigenen Außendienstlern und Partnerunternehmen einen externen Zugriff zu verschaffen oder um Kunden- und Lieferantendaten entlang der gesamten Lieferkette online auszutauschen (siehe Kasten „Extranet im Mittelstand").

Diese Abstufung bedeutet aber keineswegs, dass jedes Unternehmen über kurz oder lang alle drei Schritte gehen muss. Den meisten Mittelständlern genügt die Schaffung eines Intranets vollkommen.

In jedem Fall von zentraler Bedeutung ist es, dabei die Mitarbeiter intensiv in den gesamten Prozess einzubinden. Wie eine Untersuchung der Universität Dortmund im Auftrag des Softwarehauses Materna zutage förderte, hakt es an diesem Punkt oft erheblich.

Bei der Sutter-Gruppe in Essen, einem Verlag für Telefonbücher und Messekataloge mit 500 Mitarbeitern, war man sich dieser Problematik von vornherein bewusst. „Wir wollten möglichst viele Kollegen mitnehmen", erzählt Georg Lümmen, der als Projektleiter für das „Sutter InfoNet" verantwortlich ist. Deshalb entschied man sich schon bei der Planung für ein Intranet, dessen Inhalte zentral von einer Redaktion betreut werden. Dazu setzt man auf ein originäres Content-Management-Produkt, nämlich auf die Enterprise Content Management Suite (ecms) des Oldenburger Herstellers Red-Dot.

Wildwuchs beenden

„Das Intranet selbst war ein Wunsch der Geschäftsleitung", so Georg Lümmen. Zuvor waren alle internen Informationen auf unterschiedliche Medien verteilt: Es gab ein schwarzes Brett für interne Stellenanzeigen und Personalmeldungen, außerdem den monatlichen Infobrief und das Unternehmensmagazin „together". Und wer selber Infos bereitstellen wollte, nutzte einen der öffentlichen Ordner in Outlook. „Das Problem war nur", so Lümmen, „dass diese Ordner nicht nach Themen, sondern nach Abteilungen abgearbeitet wurden. Es entstand Wildwuchs, es gab keine vernünftige Vernetzung und Verlinkung, und eine strukturierte Suche in den Inhalten war auch nicht möglich." Diese Probleme boten zwar noch keinen ausreichenden Grund, eine Content- Management-Lösung zu etablieren, gaben aber den Ausschlag, eine Web-basierende und damit verlinkbare Vernetzung zu schaffen.

Auf dem InfoNet sind jetzt sämtliche Informationen zusammengeführt, gegliedert nach den Rubriken Aktuelles - Personal - Casino - Geschäftsbereiche - Wissen - Bibliothek. Unter „Geschäftsbereiche" finden sich jetzt in strukturierter Form jene Informationen, die eine Abteilung auch den Kollegen aus anderen Bereichen zugänglich machen will. In „Wissen" kann man sich über die Sprechzeiten der Personalabteilung oder die Aus- und Weiterbildungsoptionen innerhalb der Sutter-Gruppe informieren.

Baumstrukturen ade

Zehn Redakteure sichten und bearbeiten alles, was veröffentlicht werden soll. Alle aktuellen Artikel werden kurz angeteasert, so dass der Nutzer schnell entscheiden kann, ob er die ganze Geschichte lesen möchte. Hinter den Infoboxen „Zum Thema" finden sich dazu passende Beiträge - entweder im Sutter-InfoNet oder im gesamten Web.

Alles, was die Abteilung „Aktuelles" verlässt, verschwindet nicht etwa, sondern wandert ins Archiv. Sämtliche Beiträge können nach Belieben heruntergeladen oder gedruckt werden - man wollte es allen so leicht wie möglich machen, das System zu nutzen. 

Und das gilt nicht nur für die Mitarbeiter, sondern auch für die Redakteure. Die RedDot-Software habe den Vorteil, so Georg Lümmen, dass die zu editierende Seite genau so aussieht wie die, die der User am Ende zu sehen bekommt. Die Stellen, an denen Text eingefügt werden kann, sind einfach mit einem roten Punkt - daher RedDot - gekennzeichnet. Ebenso problemlos lassen sich dynamische Web-Seiten in das Ganze integrieren. „Da muss sich niemand durch irgendwelche Baumstrukturen klicken", meint Lümmen.

Lizenzgebühren fallen nur für die „Concurrent User" an, und als Nutzer gelten bei Content-Management- Systemen nur die bearbeitenden Redakteure. Sutter hat zehn Lizenzen erworben, nur die beiden Chefredakteure sind als „Named User" registriert. Das System konnte extrem schnell und problemlos umgesetzt werden. Sinnvollerweise entstand das Content- Management vor dem Intranet. Nachdem ein Prototyp fertig gestellt war, brachte man Letzteres innerhalb einer Woche zum Laufen. Schließlich bedient man sich der Browser, die standardmäßig auf jedem Rechner der Mitarbeiter installiert waren.

Das Sutter-InfoNet ist weniger ein Austausch- als vielmehr ein reines Informationsmedium, das nach außen vollständig geschlossen ist. Es soll nicht dazu dienen, Außendienstlern von unterwegs Zugang zu verschaffen. Auch wird es nicht direkt für klassische Groupware- Funktionen genutzt: So informiert das Sutter-InfoNet zwar darüber, welcher Konferenzraum frei ist, die Buchung erfolgt aber nach wie vor über Microsoft Outlook.

Dennoch erleichtert das Info- Net die Kommunikation auch insofern, als viele direkte Kontakte nun überflüssig sind. Vieles kann jetzt im Netz nachgesehen werden, statt es mit einer Mail abzufragen. Lümmen: „Die Anzahl der Mails an Exchange-User hat massiv abgenommen."

Bei der Merz Pharma GmbH & Co. KGaA mit Sitz in Frankfurt am Main plant man einen erheblich größeren Portalwurf. Und näherte sich dem Thema auch von einer ganz anderen Seite als Sutter. Der Pharmahersteller mit rund 1000 Mitarbeitern begann vor zwei Jahren mit der Einführung eines Extranet, das als wissenschaftliche Plattform den Austausch mit Partnerunternehmen erleichtert. Jetzt wächst man sukzessive in die Portalwelt hinein. Vor kurzem ging ein Intranet produktiv, auf das 800 Anwender zugreifen. Um diese Netze zu pflegen, setzt Merz Pharma laut IT-Leiter Norbert Hagemann auf „Pirobase" von Pironet NDH. Im nächsten Schritt soll ein Portal folgen, das laut Hagemann die unterschiedlichen Applikationen des Pharmaherstellers in einer einheitlichen Benutzeroberfläche bündelt.

Kombinierte Lösung

Als Portallösung wird Merz Pharma das SAP-Enterprise-Portal einführen, so der IT-Chef. Obwohl das Enterprise-Portal ein eigenes Content-Management-System (CMS) besitzt, wird Pirobase dadurch nicht abgelöst. „Die Allin- One-Lösungen sind noch nicht so weit", meint Hagemann. CMS und DMS (Dokumenten-Management- System) werden weiterhin parallel existieren und das Portal funktional unterstützen. Auf der anderen Seite sind für den IT-Leiter kleinere Lösungen im Portalumfeld auch keine befriedigende Option: „Wir haben uns einige Produkte angeschaut. Bei Fragen wie die der detaillierten Rechtevergabe stoßen die jedoch schnell an ihre Grenzen."

Vom Ziel her planen

Collaboration und virtuelle Team- Rooms sollen die internationale Projektarbeit in Zukunft unterstützen. Weniger interessant sind aus Hagemanns Sicht die eingebauten Kommunikations-Tools, mit denen sich viele Portalanbieter brüsten. Für diese Aufgaben setzt Merz Microsoft Office und Exchange ein, die in das Portal integriert sind. Ihm kommt es vor allem auf Merkmale wie das „Single- Sign-On" an, um den Anwendern den Zugang zu den unterschiedlichen Anwendungen und Daten im Unternehmen zu erleichtern: „Das Problem ist, Informationen zu strukturieren und gezielt zum richtigen Anwender zu bringen."

Egal, ob es sich um das Intranet auf Basis einer Content-Management-Lösung oder um eine komplexere Integrationslösung handelt: Schrittweises Vorgehen macht immer Sinn. Jedes Unternehmen sollte sich vor dem Start erstens genau überlegen, warum es ein Portal einführen will, und zweitens, wohin man damit will. Vor dem ersten Schritt muss klar sein, was das Portal in naher und fernerer Zukunft leisten soll und was nicht.