PDAs: Die Wahl des Betriebssystems

15.05.2001 von Wolfgang Miedl
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Auf dem PDA-Sektor spielt das Thema Betriebssystem eine wichtige Rolle. Anders als bei den PCs, wo mehr oder weniger eine Windows-Monokultur herrscht, buhlen bei den Handhelds mehrere Systeme um die Gunst der Anwender.

Neben dem etablierten Triumvirat Palm OS, Windows CE und Epoc sorgte im letzten Jahr das Open-Source-System Linux auch im Handheld-Segment für Furore. Zwar gibt es derzeit erst einige Entwicklermodelle und noch keinen serienreifen Linux-PDA, einige Hersteller haben jedoch vielversprechende Ankündigungen gemacht. Da PDAs zum überwiegenden Teil als Organizer verwendet werden, reichen den meisten Anwendern die mitgelieferten Programme wie Kalender, Terminplaner und Adressbuch. Deshalb spielt, anders als beim PC, die Frage nach den verfügbaren Anwendungen derzeit eine eher untergeordnete Rolle und es gibt es keine so starke Bindung an das System. Wer beispielsweise von Palm OS zu Windows CE wechselt, muss lediglich seine Daten auf dem PDA mit einer PC-Anwendung synchronisieren, der neue PDA erhält die Daten wiederum vom PC.

Palm OS: System mit Einschränkungen

Dennoch sind die derzeitigen Betriebssystem-bedingten Unterschiede bei den Rechenzwergen nicht zu übersehen. Das Palm OS des Marktführers Palm hat mittlerweile einige Jahre auf dem Buckel und zwingt den Hardwareherstellern einige unzeitgemäße Einschränkungen auf. So beschränken sich die Displays von Palm und Lizenznehmern wie Handspring, Sony oder TRG auf bescheidene 160 x 160 Bildpunkte. Für einen Organizer reicht das allemal und auch für besseres WAP-Browsen; beim drahtlosen Surfen mit einem HTML-Browser hingegen kommt wenig Freude auf.

Auch die Prozessorleistung der Dragonball-CPUs von Motorola mit 16 bis 33 Megahertz Taktfrequenz nimmt sich mittlerweile sehr bescheiden aus gegenüber den Hochleistungs-Prozessoren, wie sie beispielsweise in den Pocket PCs verbaut sind. Für die Version 4, die in diesem Jahr kommen soll, hat Palm einige Detailverbesserungen wie höhere Farbtiefe angekündigt. Einschneidende Veränderungen sollen aber erst mit der für nächstes Jahr geplanten Version 5 des Palm OS kommen. Dann will man den bereits angekündigten Wechsel auf ARM-Prozessoren vollziehen, die derzeit als Maß aller Dinge in der Handheld-Klasse gelten. Fraglich ist, ob Palm bei diesem einschneidenden Wechsel seine vielbeschworene einfache Bedienung beibehalten wird und eine uneingeschränkte Kompatibilität mit den Tausenden von Palm-Anwendungen bieten kann.

Windows CE: brauchbar ab Version 3.0

Einen großen Sprung machte Microsoft im Jahr 2000 mit seiner neuen Version 3.0 von Windows CE. Die Vorgängerversion 2.x hatte wegen ihrer Schwerfälligkeit und Instabilität einen zweifelhaften Ruf, viele Gerätehersteller sprangen ab und die Marktanteile dümpelten im einstelligen Bereich. Microsoft hat aus dem modularen CE 3.0, das auch im Embedded-Bereich seine Verbreitung hat, ein Derivat entwickelt, das unter dem Namen Pocket PC den ganz speziellen Bedürfnissen der stiftbasierten Palm-Geräteklasse gerecht wird.

Neben der Optimierung des Betriebssystems wurde auch die Oberfläche stark überarbeitet. Ein umfassendes Paket an Anwendungen, von Pocket Excel und Pocket Word über den Microsoft Reader bis zum Pocket Internet Explorer lässt beim Anwender kaum mehr Wünsche offen. Kurz nach dem Pocket-PC-Debüt stellte Compaq mit dem "Ipaq 3630" den derzeit wohl fortschrittlichsten PDA vor. Zwar nehmen sich die Marktanteile der CE-Fraktion gegenüber dem dominierenden Palm-OS-Lager immer noch bescheiden aus, aber die starken Zuwächse belegen, dass Microsoft und seine Hardware-Partner die Zeichen der Zeit erkannt haben. Bisher haben die Redmonder Windows CE für die Geräteklassen der Stift- und Tastatur-PDAs (Pocket- und Handheld-PC) angeboten. Nun weitet das Unternehmen seine Aktivitäten auch auf Smartphones und Handys aus.

Mit "Stinger" hat man kürzlich ein schlankes CE-Derivat für Smartphones vorgestellt. Das für die Breitbandfunknetze 2,5G und 3G ausgelegte System setzen Hersteller wie Samsung, Sendo und Trium bereits auf Prototypen ein. Um auch auf dem Handy-Markt Fuß zu fassen, hat die Gates-Company außerdem den Mobile Explorer im Programm. Der WAP- und HTML-Browser in der Version 3.0 lässt sich - Microsoft-untypisch - auf fast allen Handy-Betriebssystemen einsetzen. Zu den kooperierenden Herstellern zählen derzeit Benefon, Samsung und Sony. Letzterer bietet bereits seit einiger Zeit mit dem "CMD-Z5" ein Handy mit dem Explorer an.

Epoc: Schwerer Stand für Psion

Das Betriebssystem Epoc hat auf dem Handheld-Sektor einen zunehmend schweren Stand, derzeit setzt dieses System fast ausschließlich Psion ein. Allerdings kann der Hersteller im Smartphone-Bereich stärker Fuß fassen, so hat Siemens angekündigt, seine Smartphones mit Epoc auszurüsten. Das ursprünglich von Psion entwickelte System untersteht dem Symbian-Konsortium, das sich in erster Linie aus Mobilfunkherstellern zusammensetzt. Im letzten Jahr wurde auf der CeBIT die Quartz-Plattform angeküdigt, ein Epoc-Derivat für Geräte der Palm- und Pocket-PC-Klasse. Mittlerweile rechnet jedoch kaum mehr jemand mit konkreten Quartz-Produkten.

Linux ist noch im Experimentierstadium

Der Linux-Boom des vergangenen Jahres ist beinahe unvermeidlich auch auf die Handhelds übergeschwappt. Doch aus dem Teststadium ist bisher noch keine Entwicklung herausgekommen. Das beste Beispiel ist der "Yopi" von Samsung. Auf der CeBIT 2000 wurde der Stift-PDA mit großem Medienecho gefeiert, doch die Koreaner haben das Projekt nun an das Tochterunternehmen G-Mate abgeschoben, das den Yopi als Entwickler-Gerät über das Web vertreibt. Auch Sharp hat als weiterer größerer Hersteller für Herbst drei Linux-basierte Handhelds angekündigt. Außerdem sind derzeit Vtech, Agenda-Computing und der Olivetti-Ableger Royal in diesem Segment aktiv.

Kurioserweise sind die einzigen in Großserie hergestellten Linux-PDAs derzeit die Windows-CE-Geräte Ipaq 3630 von Compaq und der Cassiopeia E-125 von Casio. Beide Geräte kann man anstelle des vorinstallierten Microsoft-Systems auch mit Linux betreiben. Derzeit noch im Experimentierstadium sind diese Entwicklungen für Anwender weniger interessant. Immerhin sponsort aber unter anderem Compaq das Linux-PDA-Projekt Handhelds.org.

Für Linux auf Handhelds interessieren sich zur Zeit vor allem Hardwarehersteller, da sie dafür keine Lizenzkosten zahlen müssen. Doch von Komfort und einfacher Bedienung sind Linux-PDAs noch weit entfernt. Außerdem fehlt es an einer Software- und Entwicklungsinfrastruktur, wie sie sich für Palm OS, Epoc und Windows CE entwickelt hat.