Outsourcer uebernimmt die komplette DV der Staats-Airline Gemeinsames Systemhaus von Lufthansa und EDS angestrebt

17.12.1993

MUENCHEN (ciw) - Auch staatliche Anwender suchen ihr DV-Heil jetzt im Outsourcing: So verhandelt die Lufthansa (LH) gegenwaertig mit der deutschen EDS ueber die Gruendung eines gemeinsamen Systemhauses, das - aehnlich wie Debis Systemhaus fuer Daimler-Benz - die gesamte DV inklusive Hard- und Software sowie Personal der Staats-Airline uebernehmen soll. Das Volumen des Mega-Deals wird auf fuenf Milliarden Mark beziffert.

Nach zwei Grossgeschaeften in Grossbritannien - die British Aerospace schloss mit CSC ab und die englischen Finanzaemter mit EDS - waere der Lufthansa-Deal der dritte Fall von DV-Auslagerung innerhalb von vier Wochen, der mit dem Praedikat "groesstes europaeisches Outsourcing-Geschaeft" versehen wuerde. Voraussetzung ist allerdings die Unterzeichnung des Vertrages, der wegen der Halbstaatlichkeit der LH Probleme aufwirft.

Die Paraphierung koennte naemlich trotz der Empfehlung des Lufthansa-Vorstands, in Sachen DV die EDS zum strategischen Partner zu kueren, an der Uebernahme der LH-Mitarbeiter in das gemeinsame Systemhaus scheitern. Als Staatsbedienstete haben die DVer der Airline naemlich Pensionsansprueche an das Versorgungswerk des Bundes und der Laender (VBL), die sie natuerlich nicht aufgeben wollen. Bislang konnten sich die Partner in spe nicht einigen, wer dafuer aufkommt. Einerseits ziert sich die Lufthansa, die bereits Hard- und Software als Sacheinlage in das neue Unternehmen einbringt, den Pensionsbrocken zu schlucken, andererseits duerfte auch die EDS keine Lust verspueren, ein lukratives Geschaeft mit einer solchen Hypothek zu belasten.

Ebenfalls noch nicht eindeutig festgelegt ist, welcher der beiden Partner die Mehrheit an dem Systemhaus halten wird. "Die Modalitaeten liegen noch nicht fest, aber wahrscheinlich werden die Anteile im Verhaeltnis 50 zu 50 oder 49 zu 51 aufgeteilt", meinte EDS-Sprecher Stefan Koenig.

Designierter Geschaeftsfuehrer des noch namenlosen Unternehmens ist der bisherige Leiter der Lufthansa-Informatik, Peter Franke. Das Unternehmen wird Spekulationen der "Wirtschaftswoche" zufolge rund 1000 LH-Mitarbeiter uebernehmen; wie viele Spezialisten von EDS zum neuen Team gehoeren, war bis Redaktionsschluss nicht in Erfahrung zu bringen.

Als sicher gilt indes, dass das Systemhaus nicht nur der LH saemtliche DV-Dienstleistungen - inklusive der Anwendungsentwicklung - zu fest vereinbarten Preisen offerieren soll, sondern die Leistungen spaeter auch Drittkunden anbieten darf. Koenig zufolge duerfte diese Klientel in erster Linie aus weiteren Luftfahrtunternehmen bestehen.

Bei der Hardware, die die Lufthansa als Sacheinlage einbringt, handelt es sich um Rechner von Unisys und IBM. Waehrend das Unisys- Equipment vor allem im Airline-bezogenen Geschaeft, beispielsweise fuer das Buchungs- und Reservierungssystem, eingesetzt wird, betreibt die Lufthansa ihre kommerziellen Systeme auf IBM- Grossrechnern und -PCs.

Die Outsourcing-Tochter der deutschen IBM, die Systeme und Netze GmbH, sowie die Debis Systemhaus AG hatten sich ebenfalls um den Deal bemueht. Debis-Chef Karlheinz Achinger bedauerte zwar, aus dem Rennen geworfen worden zu sein, lobte aber die Fairness der Verhandlungen. Auf die Frage, warum der Deal nicht an die IBM ging, obwohl die Lufthansa durch Amadeus einschlaegige Erfahrungen mit der Generalunternehmerschaft der Stuttgarter sammeln durfte, wollten weder LH noch IBM antworten. "Das ist Gegenstand von Verhandlungen, und darueber reden wir nicht", sagte IBM- Pressesprecher Stefan Schuetz.