Jack Wolfskin baut Händlerportal auf .NET-Basis

Outdoor-Freaks züchten E-Wolf

05.12.2003 von Frank Niemann
Der auf Bekleidung spezialisierte Hersteller Jack Wolfskin hat ein Händlerportal errichtet, über das Fachgeschäfte Artikel aus dem Sortiment ordern können. Ein internes IT-Team realisierte das System mit Hilfe der .NET-Technik.

OUTDOOR-AUSRÜSTUNG von Kopf bis Fuß, von der Funktionsjacke bis zum Trekking-Schuh, vom Rucksack bis zum Schlafsack, dies alles zählt unter anderen zu den Produkten, für die das Unternehmen Jack Wolfskin aus Idstein im Taunus bekannt ist. Die Firma mit der Wolfstatze im Logo entwickelt ihre Produkte in Deutschland; produziert wird weltweit. In Hamburg befindet sich ein zentrales Distributionszentrum für den europäischen Markt mit zurzeit etwa 1500 Fachhändlern. Der Vertrieb erfolgt schwerpunktmäßig über Outdoor-Fachhändler, Sportfachgeschäfte und Franchise-Stores in Europa sowie in Japan. Jack Wolfskin beschäftigt insgesamt 200 Mitarbeiter und setzte vergangenes Jahr rund 80 Millionen Euro um. Die Firma verfügt der Größe entsprechend nicht über ein IT-Budget wie ein Konzern - im vergangenen Jahr wurden für DVAnschaffungen und -Projekte 430 000 Euro veranschlagt. Dennoch gelang es Jack Wolfskin in Eigenregie und mit wenig finanziellen Mitteln in einem Team aus vier Softwarespezialisten ein Online-Portal zur Händleranbindung zu entwickeln.

 

Über ein Business-to-Business- Portal wurde der indirekte Vertriebskanal online angebunden. „E-Wolf“, so der Name des Online-Systems, ist Teil der E-Commerce-Strategie von Jack Wolfskin. Große Händler wie Karstadt oder Globetrotter werden über EDI angebunden. Das Internet-Bestellsystem wendet sich an die mittleren und kleineren Fachhändler sowie die Franchise- Stores. Seit April dieses Jahres läuft die Plattform, und zurzeit nutzen rund 270 Geschäfte - das entspricht etwa 18 Prozent aller Vertragshändler und Stores - EWolf hauptsächlich, um Artikel aus dem Outdoor-Sortiment zu ordern. Dabei handelt es sich bei monatlich steigendem Volumen in der Regel um Nachbestellungen von stark nachgefragten Artikeln in der laufenden Saison.

Aufwand gesenkt

Jack Wolfskin ist es mit dem E-Wolf gelungen, den Einkaufsprozess über den Fachhändler bis hin zum Endverbraucher zu verlängern. „Wir sparen deutlich an Aufwand, da wir den kompletten Vorgang von der Auftragserfassung bis zur Auslieferung elektronisch abbilden können“, beschreibt der Abteilungsleiter und Projektverantwortliche Severin Canisius einen Nutzen der Plattform. Auf diese Weise wird der Bestellprozess erheblich schneller und fehlerfreier abgewickelt. Zudem können die Portalanwender Waren rund um die Uhr bestellen, was zuvor nur während der üblichen Geschäftszeiten möglich war. Dies entlastet die Verkaufsabteilung, da sie weniger Aufträge erfassen beziehungsweise über Liefertermine Auskunft geben muss. Denn was nun online vonstatten geht, hätte früher zu Spitzenzeiten bis zu neun Sachbearbeiter beansprucht. Darüber hinaus können die Fachhändler Produktbilder und Texte sowie Druckvorlagen online anfordern und Kataloge bestellen, was vorher nur per Telefon oder Fax möglich war.

Das Portal präsentiert Inhalte und Funktionen in den Sprachen Deutsch, Englisch, Niederländisch und Italienisch. Ein weiterer Vorteil ist die strukturierte Erschließung von Geschäftsfeldern gerade im europäischen Ausland ohne aufwändigen Aufbau eigener Infrastruktur vor Ort, wie IT-Manager Severin Canisius am Beispiel von England erläutert: „Dort können wir dank dem Portal mit einer sehr kleinen Außendienstmannschaft antreten“, beschreibt er diesen wichtigen strategischen Aspekt, der sich durch den E-Wolf ergibt. Ein zusätzlicher Nutzen liegt in dem Feature, das es erlaubt, Aufträge wahlweise als XML- oder Text-Datei einzuspielen. So lassen sich die vielfältigen kleinen IT-Lösungen im Einzelhandel über eine einfache Schnittstelle integrieren. „Für uns war es wichtig, dass wir einfache und effektive Lösungen anbieten und unsere Kunden nicht mit hohen technischen Anforderungen abschrecken“, schildert Canisius die dahinter stehende Philosophie.

 

Unterstützung für Händler

Wenn ein Kunde eine wetterfeste Jacke in einer Farbe oder Größe wünscht, die gerade nicht im Laden des Händlers vorrätig ist, ordert dieser das vergriffene Produkt bei Jack Wolfskin nach. Dies ging bisher telefonisch oder per Fax, so dass die Verkaufsmitarbeiter durch die Auftragserfassung gebunden waren. Daher war es nicht immer möglich, die Händleranfragen direkt zu bearbeiten, so dass Endverbraucher mitunter auf die Auskunft warten mussten.

Über E-Wolf kann der Händler nun selbst die Verfügbarkeit der gewünschten Ware sofort in Erfahrung bringen sowie den Liefertermin nennen. Dabei bezieht die Benutzeroberfläche den Endverbraucher mit ein und erleichtert so den Bestellvorgang, denn die Online- Site bietet zwei Modi: die Händler- und die Kundensitzung. Letztere gestattet es dem Händler, zusammen mit dem Kunden online im Sortiment zu stöbern, wobei die Großhandelspreise sowie Rabatte nicht sichtbar sind. Falls der Käufer im Store die Ware gleich vor Ort bezahlt, liefert sie Jack Wolfskin auf Wunsch zukünftig direkt zu ihm nach Hause. Dieser zusätzliche Kundenservice wird allerdings nur in Jack-Wolfskin- Stores angeboten.

 

Vor dem E-Wolf hatte Jack Wolfskin bereits ein Händlerportal aufgebaut. Die erste Variante wurde auf Grundlage des vorgefertigten Produkts „Web Shop“ des ERP-Herstellers Navision (heute Microsoft Business Solutions) in Zusammenarbeit mit einem Solution Center realisiert. Dieses System basierte auf Microsofts „Commerce Server“, erwies sich jedoch als zu starr und unflexibel.

Alles in Eigenregie entwickelt

Einschränkungen unter anderem bezüglich der Bestellerfassung führten zur Unzufriedenheit bei den Fachhändlern und waren letztlich ein Grund für die vollständige Neuentwicklung. Auch die Architektur passte nicht mehr ins Konzept, da der Web-Server gemäß der Infrastrukturempfehlung von Microsoft im internen Netz stand, was ein eklatantes Sicherheitsproblem darstellte. Dazu kam die Einstellung des Supports von Microsoft für das zugrunde liegende Betriebssystem Windows NT 4.0. Mit dem Aufkommen der .NETTechnik entschied sich Jack Wolfskin, ein komplett neues Portal vollständig in Eigenregie zu entwickeln. Lediglich die Windows-Server von Hewlett-Packard wurden von einem Systemhaus eingerichtet. „Wir sind überzeugt davon, dass wir unsere eingesetzte Software im Detail beherrschen müssen, um unsere Geschäftsprozesse optimal abbilden zu können“, begründet Canisius den Schritt. Es galt, das Händlerportal eng mit dem ERP-Programm zu koppeln, so dass die Business-Logik nicht neu entwickelt werden musste und die Auskunft des Systems der des Sachbearbeiters dem Händler gegenüber entspricht.

Die Idee für das neue Portal wurde in der IT-Abteilung geboren und zeigt, dass man sich nicht nur als internen Service, sondern auch als Initiator von neuen Ideen und Prozessen versteht. Zunächst wurde ein Proof of Concept erarbeitet und der Geschäftsleitung vorgelegt, wobei auch alle sich bietenden Möglichkeiten des Portals aufgezeigt wurden. Das IT-Team des Outdoor- Spezialisten baute nach der Freigabe die Umgebung innerhalb von vier Monaten auf. Technische Hürden bei der Implementierung gab es kaum, Bauchschmerzen bereiteten eher die ERP-Daten. So erwiesen sich unvollständige oder nicht korrekte Daten immer wieder als Hauptproblem. Erst nachdem zusätzliche Prüfroutinen eingefügt wurden, traten solche Fehler nicht mehr auf.

 

Das Portal läuft auf dem unlängst auf den Markt gekommenen „Windows Server 2003“. Zwei damit ausgestattete Rechner sind über ein mit Windows ausgeliefertes Load-Balancing-Modul verknüpft. Es verteilt die Last auf beide Web-Server und erhöht zudem die Ausfallsicherheit der Site. Die Web-Applikation entwickelten die Programmierer in vollständiger Eigenarbeit mit Visual Basic.NET beziehungsweise ASP.NET auf der Grundlage des .NET-Framework von Microsoft. Auch in puncto Sicherheit hat das hessische Unternehmen nachgelegt: Das neue System steht nun in einer Demilitarised Zone, so dass sowohl der Datenverkehr ins Internet als auch der ins interne Netz jeweils eine Firewall passieren muss.

An der Entwicklung des E-Wolf waren im Vergleich zu sonstigen Projekten mehr IT-Mitarbeiter beteiligt. Daraus haben die Outdoor-Experten gelernt, und so wird bei künftigen Vorhaben dieser Größenordnung von Anfang an auf ein Quellcode-Management-Tool zurückgegriffen. Als sich während der Entwicklungsphase Schwierigkeiten mit der Koordination der Softwareentwicklung einstellten, entschied sich Severin Canisius schnell für das Werkzeug „Visual Source Safe“ von Microsoft, um die Aktivitäten des Teams besser zu steuern. Source Safe gestattet unter anderem eine Versionsverwaltung von Quellcode.

Kostengünstige Lösung

Die Entwicklungskosten für das erste, inzwischen abgelöste Portal beliefen sich auf rund 37 000 Euro, für Hardund Software fielen etwa 24 000 Euro an. Die Marketing-Aufwendungen betrugen etwa 7000 Euro. Im Vergleich dazu waren die Projektkosten für die Realisierung des E-Wolf sehr gering, da keine externen Entwicklungs- oder Beratungskosten anfielen und nur für zirka 20 000 Euro Computer und Programme eingekauft wurden.