Ratgeber

Orientierung im BPM-Dschungel

12.12.2011 von Jakob Freund  IDG ExpertenNetzwerk
Business-Process-Management (BPM) ist mit Grafik-Tools und Highend-Plattformen möglich. Hier finden Sie Ihre Lösung.

So facettenreich wie Business-Process-Management (BPM) ist auch der Markt einschlägiger Softwareprodukte. Während der eine schon Microsofts Powerpoint und Visio als "BPM-Software" durchgehen lässt, weil man damit Ablaufdiagramme zeichnen kann, lässt der andere nur komplexe Enterprise-Lösungen von IBM oder Oracle als vollwertige BPM-Plattformen gelten.

Der Unterschied zwischen BPMA und BPMS

Ein typisches BPMA-Werkzeug: Der BIC Designer der Firma GBTec.

Viele Analysten unterscheiden zunächst zwischen BPMA- und BPMS-Produkten. BPMA steht für Business Process Modeling and Analysis. Die unterstützenden Produkte beziehen sich also primär auf das organisatorische Prozess-Management. Betriebliche Abläufe werden dokumentiert, anhand (geschätzter oder gemessener) Kennzahlen in Bezug auf Schwachstellen analysiert und mitunter auch in verschiedenen denkbaren Varianten simuliert.

BPMS ist die Abkürzung für Business-Process-Management-System. Hier geht es um die Umsetzung von Prozessen in Softwaresystemen. Das Ergebnis einer solchen Umsetzung ist ein technisches Prozessmodell, das von einer so genannten Process Engine abgearbeitet wird, dem Herzstück eines BPMS. Die konkreten Lösungen drehen sich dann entweder um die Zuweisung von Aufgaben an Anwender (Human-Workflow-Management) oder um die prozessorientierte Integration von internen oder externen Systemen, die über Schnittstellen aufgerufen werden (Service-Orchestrierung). Immer häufiger werden auch beide Ausprägungen in einer konkreten Prozesslösung miteinander kombiniert.

Anforderungen an Projekt-Manager
Was macht einen guten Projektleiter aus?
Ein ganzes Bündel an Kompetenzen! Schauen Sie selbst...
1. Fachliche Kompetenzen
Projekt-Manager sollten über Branchen- und Unternehmenswissen verfügen.
2. Methodisches Wissen
Projektleiter sollten die Standardwerkzeuge im Projekt-Management anwenden können.
3. Soziale Fähigkeiten
Projektziele lassen sich vor allem erreichen, wenn die Projekt-Manager viel Kommunizieren und Netzwerke knüpfen können.
4. Durchsetzungsfähigkeit....
...ist für einen Projekt-Manager ebenso wichtig wie andere Führungsqualitäten.
5. Die Unterstützung des Managements...
...muss sich ein Projektleiter sichern können. Dazu gilt es, das Projekt strategisch einzuordnen und die Stammorganisation einzubeziehen.
6. Interkulturelle Kompetenzen
Projekt-Manager sollten offen, respektvoll und gerecht gegenüber allen Mitarbeitern sein und dabei auch kulturelle Unterschiede berücksichtigen.
6. Interkulturelle Kompetenzen
Projekt-Manager sollten offen, respektvoll und gerecht gegenüber allen Mitarbeitern sein und dabei auch kulturelle Unterschiede berücksichtigen.

Kopplung von BPMA und BPMS

Der Weg zum Round-Trip-BPM: Die Business Process Modeling Notation (BPMN) verbindet in Version 2.0 das primär organisatorische BPM (Modellierung, Analyse und Simulation) mit dem technischen BPM (Umsetzung und Ausführung des Prozessmodells in der Process Engine). Verbesserungsvorschläge (Feedback) etwa des Prozess-Managers an den Analysten schließen den Kreislauf.

Es liegt nahe, BPMA und BPMS miteinander zu kombinieren, um den Kreislauf von der Prozessanalyse über die Soll-Konzeption bis hin zur Umsetzung und dem Controlling von Geschäftsprozessen möglichst durchgängig zu unterstützen. Tatsächlich dreht sich auch ein großer Teil der Bemühungen von Herstellern und Standardisierungsorganisationen um genau dieses Thema, wie unter anderem die Akquisition des BPMA-Marktführers IDS Scheer AG durch den BPMS-Anbieter Software AG beweist. Auch die kommende Version 2.0 des Standards Business Process Modeling Notation (BPMN) wird vor allem vor diesem Hintergrund mit großer Spannung erwartet. Sie soll als gemeinsame Prozessnotation sowohl für das organisatorische als auch das technische BPM geeignet sein und den Graben zwischen Business und IT überbrücken, wenn auch nicht gleich vollständig schließen. Insofern ist es kein Wunder, dass BPMA- und BPMS-Hersteller inzwischen gleichermaßen auf BPMN setzen und den Standard sowohl für die Modellierung als auch für die Ausführung von Prozessen in ihren Produkten implementieren. Der bisherige Ausführungsstandard Business Process Execution Language (BPEL) beziehungsweise proprietäre Ausführungssprachen dürften damit mittelfristig überflüssig werden.

Überblick BPM-Produkte

Auf BPM-Netzwerk.de haben rund 3000 Mitglieder ihre Praxiserfahrungen mit bestimmten BPM-Tools hinterlegt. Hier die Anzahl der Nutzer eines bestimmten Produkts.

Wer sich einen Überblick über BPM-Produkte und deren Einsatz verschaffen will, sollte die Online-Community BPM-Netzwerk.de besuchen, die von rund 7000 BPM-Interessierten in Deutschland, Österreich und der Schweiz genutzt wird. Knapp 3000 Mitglieder haben ein ausführliches Profil auf der Plattform hinterlegt, in dem sie unter anderem ihre Praxiserfahrungen mit spezieller BPM-Software nennen. Bei den BPMA-Werkzeugen ist deutlich erkennbar, dass die Aris-Plattform von IDS Scheer mit Abstand am häufigsten genutzt wird. Mehr Anwender findet nur das Diagrammwerkzeug Visio von Microsoft, mit dem viele BPM-Einsteiger arbeiten, das aber aufgrund der begrenzten Möglichkeiten in der Ablage und Verwaltung von Prozessmodellen nicht als echtes BPMA-Werkzeug bezeichnet werden kann.

Bei den BPMS-Angeboten ist die Situation etwas komplizierter, weil man zwischen so genannten Pure-Play-, Embedded- und den neuen SaaS-Lösungen (Software as a Service) unterscheiden muss. Außerdem spielen bei BPMS, im Gegensatz zu BPMA, auch Open-Source-Projekte eine immer wichtigere Rolle. Die Frage, welche Kategorie von BPMS nun für welches Unternehmen am besten geeignet ist, lässt sich nicht immer eindeutig beantworten. Alle Kategorien sind mit bestimmten Vor- und Nachteilen verbunden. Hinzu kommt, dass die Grenzen nicht immer eindeutig verlaufen. Besonders gut erkennt man das an dem Process Editor der Berliner Firma Signavio, der im Kern als BPMA-Werkzeug definiert ist. Dabei handelt es sich um die einzige BPMA-Lösung, die vollständig im SaaS-Modell genutzt werden kann, gleichzeitig in den Embedded-BPM-Lösungen von Firmen wie Saperion enthalten ist, ebenso in der SaaS-Workflow-Lösung der Firma Henrichsen und obendrein auch noch in Form einer abgespeckten Open-Source-Edition Bestandteil der quelloffenen Plattform Activiti ist. Was die einzelnen BPMS-Kategorien kennzeichnet, welche Hersteller dort vertreten sind und für wen sie sich eignen, entnehmen Sie den Tabellen "BPMS-Kategorien und ihre Hersteller" sowie "Für wen eignet sich welches BPMS?".

BPMS-Kategorien und ihre Hersteller

Kategorie

Kurzbeschreibung

Exemplarische Produkte

Pure Play BPMS

Diese Systeme werden beim Anwender installiert und über Schnittstellen mit bereits vorhandenen Anwendungen gekoppelt. Die Einführung von Pure Play BPMS geht häufig mit der Entwicklung einer SOA einher, kann aber auch für ein reines Human-Workflow-Management erfolgen. Einige Hersteller wie Oracle oder Inubit bieten auch integrierte Lösungen für BPMS und BPMA an.

IBM Websphere,

Inubit BPM Suite,

jCOM1 BPM Suite,

Oracle Fusion Middleware 11g,

SAP Netweaver,

Soreco Xpert.ivy.

Embedded BPMS

Embedded BPMS sind in der Regel keine eigenständigen Produkte, sondern Komponenten innerhalb funktionaler Softwaresysteme, die der Workflow-Steuerung oder dem Customizing dienen.

Saperion ECM,

Alfresco ECM,

Veda HR-Manager,

Cursor-CRM.

SaaS BPMS

Die Nutzung von BPMS als Software as a Service steht noch relativ am Anfang, ist aber sehr vielversprechend. Hierbei kann es sich um relativ simple und dadurch schlanke Workflow-Lösungen handeln oder um mächtige SOA-Stacks mit Prozessausrichtung.

Cordys Process Factory,

Sungard IPP,

Henrichsen T!M.

Open-Source-BPMS

Quelloffene BPMS werden in der Praxis sowohl als Alternative zu kommerziellen Pure-Play-Lösungen gesehen als auch von Softwareherstellern für Embedded-BPM-Lösungen herangezogen.

Activiti BPM-Suite,

Apache ODE,

JBoss jBPM.

Polarisierter Markt

Doch die Qual der Wahl hat man mittlerweile nicht nur innerhalb der einzelnen Tool-Kategorien oder zwischen Closed und Open Source. Unternehmen stehen auch vor der Grundsatzentscheidung, welche Art von Geschäftsprozessmodellen sie intern oder extern betreiben wollen. Dabei zeichnet sich ab, dass immer mehr Unternehmen dazu neigen, ihre strategisch relevanten Prozesse unter Eigenregie in quelloffenen BPM-Lösungen umzusetzen, sofern sie über die hierfür notwendigen IT-Ressourcen verfügen. Die Motivation ist in solchen Fällen nicht die Ersparnis von Lizenzkosten, sondern die maximale Flexibilität und ein verbessertes Risiko-Management. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass BPM-Hersteller mitunter unerwartet Insolvenz anmelden mussten, akquiriert wurden oder die Kundenbetreuung einer gewissen Willkür ausgesetzt war. Da kann es zum strategischen Vorteil werden, das Know-how und die Kontrolle über die BPM-Plattform vollständig im eigenen Haus zu haben, um die Stabilität der Kernprozesse zu sichern und die Herstellerabhängigkeit zu verringern.

Für Prozesse ohne direkten strategischen Bezug bieten sich hingegen Lösungen "von der Stange" an, die als Software as a Service schnell und kostengünstig verfügbar sind. Sie müssen keine individuellen Aspekte der Unternehmensstrategie abbilden und stellen im schlimmsten Fall kein existenzielles Risiko dar, sondern können mit vertretbarem Aufwand ausgetauscht werden. Vor diesem Hintergrund zeichnet sich langfristig eine Polarisierung ab, die eine Verschiebung der Marktanteile weg vom kommerziellen Pure Play BPMS hin zu Open-Source-Plattformen einerseits beziehungsweise SaaS-Lösungen andererseits mit sich bringen könnte.

Für wen eignet sich welches BPMS?

Kategorie

Vorteile

Nachteile

Geeignet für

Pure Play BPMS

Für verschiedenste Prozesse nutzbar;

Support vom Hersteller.

Proprietäres Know-how erforderlich;

Black-Box-System;

Herstellerabhängigkeit.

mittlere und große Organisationen mit eigener IT-Mannschaft;

Embedded BPMS

Optimal gekoppelt mit funktionalen Features des umgebenden Produkts;

in der Regel leicht bedienbar.

Eingeschränkter Bereich, denn nur die Prozesse des jeweiligen Produkts können umgesetzt werden;

in der Regel Einschränkungen bei der Anbindung eigener Systeme.

Organisationen, die die Funktionen des umgebenden Produkts ohnehin nutzen möchten (zum Beispiel Enterprise-Content-Management);

SaaS BPMS

Installation, Betrieb und Updates sind nicht erforderlich;

oft kostengünstigerer Einstieg aufgrund eines skalierenden Preismodells.

Datenschutzproblematik;

die Anbindung eigener Systeme ist schwieriger.

Organisationen, die die Kosten und den Aufwand einer BPMS-Einführung scheuen beziehungsweise keine oder nur eine sehr kleine eigene IT-Mannschaft besitzen;

Open-Source-BPMS

Maximale Flexibilität;

keine Herstellerabhängigkeit;

Java-Know-how kann weitergenutzt werden.

Nicht out of the Box erhältlich;

meist initialer Support erforderlich;

Java-Know-how erforderlich.

Organisationen, deren IT auch Java-Know-how besitzt oder die fertige Prozesslösungen wünschen und diese von einem Dienstleister umsetzen und betreiben lassen.

Vier Tipps, die Sie beachten sollten

In einem derart heterogenen und dynamischen Markt fällt es schwer, die richtige BPM-Lösung zu finden. Pauschale Empfehlungen für einzelne Produkte sind kaum möglich. Aus der Erfahrung heraus lassen sich jedoch einige Ratschläge geben, was man bei der Evaluierung beachten sollte:

1. Standards bevorzugen, jedoch differenziert bewerten:

Implementierte Standards sind prinzipiell vorteilhaft, wie derzeit am Beispiel der BPMN sehr gut erkennbar ist. Andererseits sollte man nicht blind auf Standards vertrauen und sie zum K.o.-Kriterium bei der Auswahl eines BPM-Produkts erklären, ohne sie vorher verstanden und auf die eigene Situation abgebildet zu haben. Noch vor zwei Jahren gehörte es für einen BPMS-Anbieter beispielsweise zum guten Ton, den Ausführungsstandard BPEL zu unterstützen. Tatsächlich hat sich aber in vielen Projekten gezeigt, dass BPEL für das jeweilige Problem überhaupt keine adäquate Lösung war. Ein Fehler, den man durch den Aufbau von BPM-Know-how im Rahmen der Evaluierungsphase vermeiden kann und sollte.

2. Nicht von der "Prozesslösung auf Knopfdruck" träumen:

Einige Anbieter preisen immer noch die "magische BPM-Suite" an, die angeblich ganz schnell und einfach dafür sorgt, dass aus fachlich definierten Soll-Prozessen die fertige IT-Lösung auf Knopfdruck erzeugt werden kann. Nicht selten wird dabei unterschwellig suggeriert, dass die Fachabteilung durch solche Lösungen unabhängiger von IT-Spezialisten wird oder sogar ganz auf sie verzichten kann. Das mag vielleicht für triviale Beispiele wie den häufig strapazierten Urlaubsantragsprozess gelten. Komplexere Geschäftsprozesse erfordern jedoch fast immer eine technische Realisierung von Komponenten, die nicht auf Knopfdruck erfolgen kann. Auch BPMN 2.0 macht Softwareentwickler nicht überflüssig, sondern verbessert lediglich die Zusammenarbeit zwischen den Endanwendern, den Business-Analysten und den Entwicklern.

3. Produkte selbst testen:

Wer sich bei der Produktauswahl lediglich auf Ausschreibungen und die Angaben der Hersteller verlässt, muss mit Überraschungen rechnen. Gerade die Auswahl eines BPMS sollte von einem Proof of Concept begleitet werden, bei dem ein eigener Geschäftsprozess prototypisch im Produkt umgesetzt wird. Diese Umsetzung sollte aber nicht (vollständig) durch die Consultants des Herstellers erfolgen, sondern unbedingt auch durch eigene Mitarbeiter. Nur so kann man sich als Kunde einen realistischen Eindruck von der Leistungsfähigkeit und Benutzerfreundlichkeit der Lösung verschaffen.

4. Die Software im Kontext sehen:

Das Werkzeug, egal ob BPMA oder BPMS, muss sich in den vorhandenen Kontext des Unternehmens einbetten lassen. Damit ist gemeint, dass der Erfolg von BPM primär auf den Menschen beruht, die Prozesse gestalten können und dürfen. Ein mächtiges System, das die BPMN 2.0 unterstützt, ist beispielsweise sinnlos, wenn im Unternehmen niemand willens und in der Lage ist, mit diesem komplexen Standard vernünftig umzugehen. Die Prozessmodellierung ist eine sehr anspruchsvolle Tätigkeit, die viel zu oft unterschätzt wird. Insofern ist die Einführung einer BPM-Softwarelösung so gut wie immer auch mit Qualifizierungsmaßnahmen verbunden, die über eine reine Tool-Schulung weit hinausgehen. Nicht umsonst gilt gerade im BPM-Bereich: "A fool with a tool is still a fool". (ph)

Bilder und Grafiken: Camunda, Fotolia