"Open Software Environment" soll Systeminseln verbinden:

Oracle will weg vom Unix-Datenbank-Image

24.02.1989

FRANKFURT (qua) - Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan: Auf dem jüngsten Strategie-Seminar des Datenbank-Anbieters Oracle war mehr von SAA als von Unix die Rede. Galt "Oracle" in der Vergangenheit als Unix-DBMS par excelence, so betont der Hersteller jetzt vielmehr die Kompatibilität mit DEC-, Siemens- und IBM-Systemen.

Wenn jemand ein Datenbanksystem für MVS suchte, wurden wir bislang nicht angerufen," klagt Jürgen Grucza, Direktor für den Bereich strategische Märkte bei der Oracle GmbH in Stuttgart. Fazit des Oracle -Manegers: ".Davon wollen wir wegkommen."

Um sich auf dem Gebiet der IBM Mainframes zu etablieren, gibt es für Oracle grundsätzlich zwei Wege: das IBM-eigene Konkurrenzprodukt DB2 entweder zu ersetzen oder aber zu ergänzen; der Datenbankanbieter hat sich für den zweiten entschieden.

"Wir wollen uns die IBM ja nicht zum Feind machen," erläutert Grucza.

Tatsächlich ist der Markterfolg des IBM-Datenbanksystems ohnehin kaum noch zu bremsen. "DB2 hat sich bei den IBM-Anwendern als De-facto-Standard etabliert", räumt denn auch Oracle-Geschäftsführer Franz Niedermaier ein. Und Grucza fügt augenzwinkernd hinzu: "DB2 ist von IBM, und was von IBM kommt, ist erst einmal gut."

Der Herstellerbonus von DB2 ist allerdings nicht der einzige Grund dafür, daß IMS/DB-Anwender vor einer Umstellung auf Oracle zurückschrecken. Bis dato bietet das IBM-fremde DBMS nämlich noch keine Schnittstelle zu IMS/DC. Ein Anwender, der unter diesem Transaktionsmonitor seine Online-Applikationen erstellt hat, ist aber kaum gewillt, wegen eines neuen Datenbanksystems möglicherweise Tausende von Anwendungen auf CICS oder VM/CMS umzuschreiben.

Dazu der Münchner Unternehmensberater Josef Kraus, der seit kurzem auf der Oracle-Lohnliste steht:"Der Anwender schmeißt seine Investitionen nicht weg, wenn er auf der anderen Seite das IBM-System DB2 nehmen kann und dieses Problem eben nicht hat. Das sind die Nebensächlichkeiten, die sich in einer IBM-Umgebung als K.o.-Kriterien herausstellen". Mittlerweile ist die IMS/DC-Schnittstelle für Oracle zumindest angekündigt.

Getreu, der Parole "If you can't beat'em, join'em" bietet Oracle über "SQL* Connect" den Zugriff auf DB2-Daten. Die umgekehrte Möglichkeit - von DB2 auf Oracle - fehlt bislang jedoch. Grucza: "IBM ist derzeit nicht bereit, DB2 zu ändern."

Doch Oracle beackert nicht nur das IBM-Feld: Ein Joint-Marketing Agreement mit der Münchner Siemens AG bezüglich ihrer BS2000 und Sinix-Systeme steht kurz vor dem Abschluß. Portierungen für die kürzlich vorgestellten DEC-Rechner VAXstation 3100, VAXstation 352 und 3540 DECstation 3100 mit Risc- Arhitektur sowie DECstation210, 316 und 320 werden ebenfalls zur Verfügung gestellt.

Das wegen seiner Hardware-Unabhängigkeit geschätzte Betriebssystem Unix soll innerhalb der Oracle Strategie offenbar nur noch soviel Raum einnehmen, wie es seinem Marktanteil entspricht. Geschäftsführer Niedermaier legt hier die Zahlen des in Framingham/Massachusetts ansässigen Marktforschungsunlernehmens IDC zugrunde, die für 1991 einen Unix-Anteil von rund 22 Prozent am Gesamtwert des DV Marktes ausweisen.

Mit einer von ihm selbst als "ketzerisch" bezeichneten Frage kritisiert der Oracle-Chef die Bemühungen von X/Open und Co. um ein "offenes System" :"Inwieweit kann ein System, das nur auf Unix beruht, Offenheit garantieren?" Orakelt Niedermaier: "Das Betriebssystem wird sich nicht vereinheitlichen lassen. Neben Unix haben auch herstellerabhängige Systeme ihre Berechtigung." Sowohl das IBM-Konzept SAA als auch die X/Open-Aktivitäten könnten lediglich in Teilmärkten zu offenen Systemen führen.

Also fühlt sich Oracle aufgerufen diese Teilmärkte sowie die Systeminseln anderer Hersteller zu integrieren. Das Konzept hierfür nennt sich "Oracle Open Software Environment" (O.S.E.) und umfaßt - wie das ISO-OSI-Referenzmodell - sieben Schichten: die Unabhängigkeit von Computerherstellern, Hardware Architekturen und Betriebssystemen, die Einbeziehung von Industrie-Standards, von verteilter Verarbeitung und fremden Informationsquellen sowie last, but not least das Integrationsmodell.