Customer-Relationship-Management

Oracle versieht CRM mit Web-2.0-Anstrich und SAP-Integration

02.05.2008 von Frank Niemann
Der Softwarehersteller möchte soziale Netzwerke in CRM-Systeme einbinden, um mehr über Kunden zu erfahren. Integrationskomponenten sollen die On-Demand- und On-Premise-CRM-Produkte von Oracle verbinden. Verbessern will der Hersteller zudem die Kopplung von CRM-Daten und -Prozessen mit Drittsystemen. Diese Fähigkeiten sollen unter anderem SAP-Kunden überzeugen.

Nach Überzeugung von Oracle beeinflussen soziale Netzwerke im Internet vermehrt die Kaufentscheidungen der Kunden. Anbieter von Applikationen haben darauf zu reagieren. "CRM-Systeme müssen daher in der Lage sein, Informationen aus diesen Netzen zu nutzen, denn ansonsten läuft der Produkthersteller Gefahr, den Einfluss auf diese Konsumenten zu verlieren", so Anthony Lye, der als Senior Vice President die CRM-Entwicklung leitet. Oracle hatte den CRM-Spezialisten Siebel im Jahr 2005 für fast 5,9 Milliarden Dollar gekauft. Im Gegensatz zum Peoplesoft-Kauf handelte es sich dabei nicht um eine feindliche Übernahme.

Erste Schritte in Richtung Web-2.0-Kopplung hat Oracle bereits unternommen und die On-Demand-Variante der Siebel-Applikation mit der "OpenSocial API" ausgestattet. Die Schnittstelle wird beispielsweise von der Online-Community "Facebook" unterstützt. Wann Oracle das Interface auch in die Kaufsoftware einbaut, darauf legt sich der Anbieter noch nicht fest.

Social Networks sollen CRM-Daten ergänzen

Die Idee der CRM-Kopplung mit sozialen Netzwerken klingt simpel: Vertriebsleute können laut Anbieter so feststellen, in welchen sozialen Netzen ein Kunde sich befindet. Zudem soll es möglich sein, dass Konsumenten, die in sozialen Netzwerken aktiv sind, über CRM-Software mit Gleichgesinnten in Kontakt treten. Darüber hinaus lassen sich so Angaben der jeweiligen Person leichter in der CRM-Datenbank aktualisieren. Wechselt ein Kunde seinen Job, aktualisiert er auch sein Profil auf den einschlägigen Web-2.0-Seiten. Allerdings dürften Datenschützer ein wachsames Auge darauf haben, wie Geschäftsdaten dafür genutzt werden.

Offenbar kümmert sich Oracle derzeit mehr um die On-Demand-Software als um das On-Premise-Produkt. Beim Mietsystem verzeichnet der Hersteller eigenen Angaben zufolge ein schnelleres Wachstum, nach wie vor arbeitet das Gros der Anwender jedoch das Kaufprodukt. Einige Unternehmen wie etwa die Dresdner Bank haben das Siebel-Produkt bereits vor zehn Jahren eingeführt und hohe Summen investiert. Andere, vor allem mittelständische Firmen springen jetzt auf den Zug auf. Die zur amerikanischen Steelcase Inc. gehörende Firma Steelcase Werndl AG verwendet seit Dezember vergangenen Jahres Siebel CRM On-Demand, hat aber das Projekt noch nicht ganz abgeschlossen. Bis Ende dieses Jahres soll das Mietsystem an das hauseigene SAP-System angebunden sein. Ein Grund für zur Entscheidung für die On-Demand-Lösung war, ohne hohe Anfangskosten und Einführungsarbeit Vertriebsfunktionen nutzen zu können.

SAP-Kopplung über AIA

Für Kunden, die wie Steelcase eine ERP-Integration benötigen, will Oracle bessere Werkzeuge liefern. Diese Module setzen auf der "Application Integration Architecture" (AIA, vormals unter dem Codenamen Project X bekannt) auf und sollen eine Release-fähige Anbindung von CRM- und ERP-Software erlauben. "Wir verkaufen Integration nicht als Framework, sondern als vorkonfiguriertes Produkt", beschreibt es der Siebel-Manager. Neben den eigenen Produkten wie der "E-Business Suite" umfasst dies auch SAP-Software. Der Siebel-Verantwortliche hofft, dass SAP-Kunden der Siebel-Applikation den Vorzug gegenüber der CRM-Applikation "SAP CRM" geben werden. Das Konkurrenzprodukt biete keine mit Siebel vergleichbaren Branchenfunktionen und sei stark an das ERP-System der Walldorfer gebunden. "Unser CRM ist die kostengünstigere Alternative für SAP-Anwender", gibt sich Lye kämpferisch. Damit will Oracle das Argument der SAP entkräften, die eigene CRM-Lösung passe am besten zu einem SAP-basierenden ERP-System. Doch auch SAP hat erkannt, dass es nicht reicht, nur auf die Vorteile einer engen Kopplung mit der hauseigenen ERP-Technik zu pochen. Unlängst hatte der Oracle-Rivale ein deutlich überarbeitetes CRM-Produkt auf den Markt gebracht.

On-Demand und On-Premise haben unterschiedliche Release-Zyklen

Anthony Lye verantwortet die CRM-Entwicklung bei Oracle.
Foto: Oracle

Wie Oracle bietet auch SAP CRM-Software sowohl zum Verkauf als auch zur Miete an. Allerdings basiert das SAP-Produkt auf der gleichen Grundlage, während die Oracle-Applikationen auf einer jeweils eigenen Codebasis aufsetzen und auch eigene Release-Zyklen haben. Die aktuelle On-Demand-Version von Oracles CRM-Produkt trägt die Release-Nummer 15, während die On-Premise-Variante bei der Versionsnummer 8.0 angelangt ist.

Ein für dieses Jahr in Aussicht gestelltes Koppelelement auf Basis von AIA soll es Anwendern ermöglichen, On-Demand- und On-Premise-CRM miteinander zu verbinden. Auf diese Weise könnten Firmen in ihren Niederlassungen Mietsysteme ausrollen, die auf den gleichen Datenbestand zugreifen wie die mit einer On-Premise-Applikation ausgestattete Zentrale. Obwohl das Miet- und das Kaufprodukt auf unterschiedlicher Software aufsetzen, verspricht der Anbieter einen problemlosen Umstieg von der Mietumgebung auf eine beim Kunden installierte CRM-Anwendung.

Fusion Applications für Siebel-Nutzer

Nach den Worten von Lye schadet das On-Demand-Geschäft mit CRM-Lösungen dem klassischen Software-Business bei Oracle nicht, wobei sich Lye allerdings weigerte, Zahlen zu nennen. Die Strategie des Konzerns ist, Firmen, die keine umfänglichen Prozessanpassungen benötigen, das On-Demand-Produkt zu empfehlen. Für Unternehmen, die sich über ihre Prozesse differenzieren wollen, sei das On-Premise-Produkt wegen der weitreichenderen Anpassungsmöglichkeiten besser geeignet. Die CRM-Mietlösung betreibt der Datenbankprimus in Rechenzentren in Arizona.

Für dieses Jahr hat Oracle Fusion-Applikationen versprochen. Laut Lye werden unter anderem für Siebel-Kunden Fusion-basierende Module auf den Markt kommen, die bestehende Lösungen ergänzen sollen. Eine von drei für die erste Jahreshälfte 2008 angekündigten Fusion Applications ist "Sales Prospector". Es soll Vertriebsangestellten Vorschläge unterbreiten, welches Produkt sie welchen Kunden am besten verkaufen können. Hierzu untersucht das Modul Kundenprofile. Prospector verfügt über keine eigene Datenbank, sondern bedient sich als "Composite Application" eines bestehenden CRM-Systems und lässt sich Lye zufolge sowohl mit Siebel-Applikationen als auch mit der "E-Business Suite" oder "Peoplesoft CRM" verwenden.

Darüber hinaus entwickelt der Konzern neue Geschäftsapplikationen für vertriebsnahe Prozesse, die sich mit Hilfe der "Fusion Middleware" in unterschiedliche Oracle- und Nicht-Oracle-Umgebungen einbinden lassen sollen. Dazu zählt das unlängst vorgestellte "Deal Management", das Verkäufern während des Angebotsprozesses bei der Preisfindung helfen soll.

Mobile CRM-Frontend mit RSS-Feeds und Google Gadgets

Oracle peppt die CRM-Software auf. Elemente des Frontends von Siebel CRM On Demand lassen sich in Portale wie iGoogle einbinden.

Überarbeiten will Oracle darüber hinaus die Oberflächen der Siebel-Software. Vertriebsleute sollen ansprechende Frontends erhalten, die ihnen vornehmlich als Auskunfts- und Steuerungssystem dienen. In der Vergangenheit waren CRM-Einführungen unter anderem daran gescheitert, dass der Anwender zu viele Daten eingeben musste und die Software eher als Arbeitsunterbrecher denn als Hilfsmittel wahrnahm.

Das Web-basierende Frontend soll es sowohl Anwendern am PC als auch mobilen Nutzern am Smartphone oder PDA (persönlichen digitalen Assistenten) erleichtern, externe Web-Dienste in die CRM-Oberfläche einzubinden, etwa Instant-Messaging-Funktionen, GPS, RSS-Feeds und Google Gadgets. Softwarenutzer können darüber hinaus Frontend-Komponenten in eigene Portale einbetten. Der Hersteller demonstrierte dies anhand der personalisierbaren Google-Homepage ("iGoogle") und fügte dort das "Message Center" und die Favoristenliste ein. Letztere enthält Lesezeichen auf häufig verwendete Ansichten, etwa zu den Top-Kunden.

Einheitliche Kundendaten für CRM- und ERP-Applikationen

In Richtung unternehmensweites Daten-Management zielen Entwicklungen wie "Universal Customer Master". Dahinter verbirgt sich ein Konzept, harmonisierte Kundendaten an zentraler Stelle für eine Reihe von Applikationen bereitzustellen. Auch hier greift Oracle auf die AIA-Technik zurück. Nach Ansicht von Lye haben viele Firmen große Schwierigkeiten mit der Qualität ihrer Kundeninformationen. Diese lagern oft in unterschiedlichen Systemen, wobei die Angaben mitunter nicht mehr aktuell, unvollständig oder fehlerhaft sind: "Unternehmen haben sich bisher auf akkurate Produktdaten und Stücklisten konzentriert, die Kundendaten hingegen sind oft in keinem so guten Zustand." Universal Customer Master soll künftig als Bestandteil der CRM-Lösung vermarktet werden.

Anwendungsübergreifendes Stammdaten-Management verspricht auch der ERP-Anbieter Infor, der bestehende Lösungen im Rahmen des Konzepts "Open SOA" unter anderem um solche Merkmale erweitern möchte. Daneben entwickelt IBM Infrastrukturkomponenten, um firmenweit Stammdaten zu harmonisieren.

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