Oracle tut sich schwer in Deutschland

27.07.2006
Nach einem eher durchschnittlichen Wachstum im Geschäftsjahr 2005/06 will Oracle in den kommenden Monaten hierzulande endlich besser in Fahrt kommen. Dafür sorgen will der neue Deutschland-Chef Jürgen Kunz.

Oracle nahm im Ende Mai abgeschlossenen Fiskaljahr 2005/06 in Deutschland 464 Millionen Euro ein. Das bedeutet im Vergleich zu den 444 Millionen Euro ein Jahr zuvor ein Wachstum von 4,5 Prozent. Damit tut sich der weltweit zweitgrößte Softwarehersteller hierzulande weiter schwer. Nachdem im Geschäftsjahr 2003/04 die Umsätze um zwei Prozent zurückgingen, verzeichnete der Hersteller im darauf folgenden Jahr ein leichtes Plus von drei Prozent von 430 auf 444 Millionen Euro (siehe auch: Schwirz: Die Entscheidung fällt im Middleware-Sektor). Nicht eingerechnet in den 444 Millionen waren dabei laut dem damaligen Deutschland-Chef Rolf Schwirz die Umsätze des aufgekauften ERP-Anbieters Peoplesoft. Dieser war zwar offiziell Anfang 2005 von Oracle geschluckt worden, die juristische Fusion in Deutschland ging jedoch erst im Juni des gleichen Jahres über die Bühne. Nun tauchen im jüngst abgelaufenen Geschäftsjahr erstmals die Peoplesoft-Einnahmen mit auf. Es ist also davon auszugehen, dass ein Teil des Umsatzplus dem Zukauf geschuldet ist - sich gleichzeitig der originäre Oracle-Anteil am Wachstum aber schmälert.

Betrachtet man Oracles hiesige Wachstumsraten im Vergleich mit der internationalen Organisation, landet die Oracle Deutschland GmbH weit abgeschlagen. In der Region Europa, Naher Osten und Afrika (Emea) setzte Oracle vergangenes Geschäftsjahr 4,7 Milliarden Dollar um, zehn Prozent mehr als im vorangegangenen Jahr. Global wies der Datenbankspezialist ein Wachstum von 22 Prozent aus. Die weltweiten Einnahmen legten zuletzt im Jahresvergleich von 11,8 auf 14,4 Milliarden Dollar zu.

Jürgen Kunz, der mit Beginn des neuen Geschäftsjahres die Geschicke der Oracle Deutschland GmbH übernommen hat, kann daher mit dem jüngsten Geschäftsverlauf trotz gegenteiliger Behauptung nicht zufrieden sein (siehe auch: Oracle-Chef Schwirz geht - Kunz kommt). "Fünf Prozent Wachstum ist Durchschnitt", räumte der Manager denn auch ein.

Trotz des eher flauen Geschäftsverlaufs der vergangenen Jahre bleibt der Manager aber optimistisch. Kunz' Wachstumsziel für das laufende Fiskaljahr liegt im zweistelligen Prozentbereich. Das Potenzial, dieses Ziel zu erreichen sieht der 45-jährige Manager, der seit 14 Jahren bei Oracle arbeitet, vor allem im Middleware- und Applikationsbereich. Allerdings erhofft sich Kunz trotz einer "hohen Abdeckung" auch im Datenbankgeschäft noch Wachstum.

Die Herausforderung für das neue Deutschland-Management ist jedoch groß. So prahlen die Oracle-Verantwortlichen auf internationalem Parkett mit Erfolgen im Anwendungsgeschäft. Als Beleg führen Sie Zahlen aus dem vierten Quartal des abgelaufenen Geschäftsjahres an. Weltweit legten die Lizenzeinnahmen mit Applikationen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 84 Prozent zu, die zahlreichen Übernahmen herausgerechnet sind es immerhin noch 56 Prozent. Zum Vergleich zieht der Softwarekonzern aus dem US-amerikanischen Redwood Shores Angaben des ärgsten Widersachers im Anwendungsgeschäft SAP heran. Der deutsche Softwarehersteller hatte für das erste Quartal 2006 ein Plus von 14 Prozent im weltweiten Lizenzgeschäft gemeldet. Erst vor wenigen Tagen schreckten die badischen Softwerker die Finanzwelt mit vorläufigen Zahlen des zweiten Quartals auf (siehe auch: SAP steigert Lizenzumsatz unerwartet schwach). Hier kam der Softwarekonzern auf Lizenzeinnahmen in Höhe von 621 Millionen Euro, acht Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Die Finanzwelt hatte mit 675 Millionen Euro allerdings einen deutlich höheren Betrag erwartet.

In Deutschland tut sich Oracle gerade im Applikationsgeschäft gegen den übermächtigen Branchenprimus jedoch nach wie vor schwer. Zwar gibt der Konzern keine detaillierten Zahlen für einzelne Produkt- oder Marktsegmente der verschiedenen Landesgesellschaften heraus. Kunz bezeichnete den hiesigen Markt jedoch als angespannt. Allerdings gibt es nach Angaben des neuen Deutschlandschefs auch durchaus Anlass zur Hoffnung. So wird im laufenden Geschäftsjahr erstmals der übernommene CRM-Spezialist Siebel auch in Deutschland seinen Beitrag zum Umsatz leisten. Seit Anfang Juni ist die international bereits Anfang 2006 vollzogene Übernahme auch in Deutschland unter Dach und Fach.

Auch der Mittelstand soll nach dem Willen von Kunz künftig einen größeren Beitrag zu den Oracle-Einnahmen beisteuern. Um das Geschäftssegment stärker ins Visier zu nehmen, unterhält der Software-Konzern seit einiger Zeit eine 130 Köpfe zählende Telesales-Einheit in Potsdam, die Kundenkontakte für die Oracle-eigene Vertriebsabteilung sowie den Vertrieb der Partner anbahnt.

Allerdings gelte es, in Deutschland noch Überzeugungsarbeit zu leisten, gibt Kunz zu. Gerade der Trend, auf Standards zu setzen sei beispielsweise in den USA deutlich ausgeprägter als hierzulande. Deutsche Firmen hingen in weiten Teilen noch der Mentalität an, ihre Software stark an die individuellen Abläufe anzupassen und dieses Customizing dann als Wettbewerbsvorteil zu betrachten. Auch in Sachen Software-as-a-Service hinke die Alte Welt der Neuen etwas hinterher. Während On-Demand-Software in den USA akzeptiert sei, beurteilten europäische Firmen das Modell deutlich kritischer. Als Hersteller müsse man daher die Kunden langsam mit den neuen Ideen vertraut machen, so die Strategie von Kunz. (ba)