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Schwirz: Die Entscheidung fällt im Middleware-Sektor

14.07.2005
Oracles Geschäfte hierzulande wachsen wieder, wenn auch im weltweiten Vergleich nur mäßig. Deutschlandchef Rolf Schwirz erwartet im Middleware-Markt den schärfsten Wettbewerb.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Oracles Geschäfte in Deutschland wachsen wieder. Nachdem der Datenbankspezialist vor Jahresfrist noch einen Umsatzrückgang um zwei Prozent für sein Fiskaljahr 2004 im Vergleich zum vorangegangenen Jahr melden musste, stiegen die Einnahmen hierzulande im Ende Mai abgeschlossenen Geschäftsjahr 2005 um rund drei Prozent von 430 auf 444 Millionen Euro. Nicht eingerechnet sind die Ergebnisse des Anfang des Jahres übernommenen Business-Software-Anbieters Peoplesoft. Über Gewinn oder Verlust wollten die Verantwortlichen nichts verraten.

Der offizielle Merger beider Unternehmen in Deutschland ist seit dem 17. Juni dieses Jahres vollzogen, begründet Rolf Schwirz, Regional Senior Vice President Nordics & Germany der Oracle Corporation, anlässlich einer Pressekonferenz in München. Vor allem der zügigen Arbeit der zuständigen Behörden und Gerichte sei dies zu verdanken. Insgesamt habe der Zusammenschluss schneller und besser funktioniert als erwartet, berichtet der seit 2001 als Deutschland-Chef amtierende Manager. Welchen Einfluss die Übernahme auf die deutschen Geschäftsergebnisse Oracles haben wird, ist noch nicht abzusehen. Schwirz zufolge hat Peoplesoft-Deutschland im vergangenen Geschäftsjahr 2004 (Ende: Dezember 2004) ein Rekordergebnis abgeliefert. Der Umsatz habe zwischen 60 und 80 Millionen Dollar betragen. Eine genaue Zahl will der Oracle-Manager nicht nennen.

Mit einem Wachstum von drei Prozent bleibt die deutsche Oracle-Organisation jedoch deutlich hinter den weltweiten Steigerungsraten zurück. Insgesamt meldete der im US-amerikanischen Redwood Shores ansässige Softwareanbieter für sein Geschäftsjahr 2005 Einnahmen von 11,8 Milliarden Dollar, das sind 16 Prozent mehr als im vorangegangenen Jahr (siehe: Oracle meldet Umsatzplus). Die Region Europa, Mittlerer Osten und Afrika erzielte sogar ein Umsatzplus von 17 Prozent auf fast 4,3 Milliarden Dollar.

Die deutschen Zahlen hingen mit der besonderen Historie des hiesigen Geschäfts zusammen, rechtfertigt Schwirz das relativ zum Gesamtergebnis schwache Plus. Seit zwei Jahren arbeite Oracle daran, seine verhältnismäßig mächtige Consulting-Sparte hierzulande zurückzufahren, derentwegen es immer wieder Konflikte mit den Partnern gegeben habe. Mittlerweile erwirtschafte Oracle die Hälfte seiner Deutschland-Umsätze über die Partner. Das bedeute eine Steigerung im Jahresvergleich von rund 20 Prozent.

Von einer Schwäche im deutschen Geschäft will Schwirz nichts wissen und verweist auf starke Zahlen im Softwaregeschäft. Unter diesem Aspekt müsse Deutschland den internationalen Vergleich nicht scheuen. Die hiesigen Wachstumsraten seien vergleichbar mit dem Gesamtergebnis. Insgesamt verdiente Oracle im abgelaufenen Geschäftsjahr weltweit rund 9,4 Milliarden Dollar mit Software. Das sind 17 Prozent mehr als ein Jahr zuvor.

Wie viel Oracle in Deutschland mit Software verdient hat und welchen Anteil das Datenbank- beziehungsweise Applikationsgeschäft daran hatte, will der Deutschland-Chef unter Verweis auf interne Geschäftsregeln nicht sagen. Laut Schwirz ist es jedoch gelungen, das Applikationsgeschäft in den zurückliegenden zwölf Monaten um einen dreistelligen Prozentbetrag zu steigern. Dazu ist jedoch anzumerken, dass sich Oracle im Heimatmarkt des Branchenprimus SAP bislang schwer getan hat, seine Business-Applikationen zu positionieren, und daher die Basis für das Wachstum im Applikationssektor klein sein dürfte.

In Zukunft will sich Oracle seinen Kunden als kompletter Lösungsanbieter präsentieren und wirbt mit Kostenvorteilen. Anwender sollen von der Datenbank und den Data Hubs, in denen alle für die Firmensteuerung relevanten Informationen organisiert und vorgehalten werden sollen, über die Middleware bis zu den Applikationen fast die gesamte Softwarepalette von Oracle erhalten. Damit könnten Kunden die Total Cost of Ownership reduzieren und Prozesse effizienter harmonisieren, hofft Schwirz.

Als strategisch wichtigsten Teil dieses Software-Stacks bezeichnet der Oracle-Manager die Middleware. Der Datenbankspezialist will in diesem Bereich mit dem neuen Markennamen "Fusion", in dem auch Oracles Application Server aufgegangen ist, Boden gegen Marktführer IBM gutmachen. Allerdings versuchen auch Integrationsspezialist Bea Systems und Applikations-Konkurrent SAP mit seiner "Netweaver"-Plattform in der Middleware-Arena zu punkten. "Der Wettbewerb ist in diesem Segment aufs Schärfste entbrannt", räumt Schwirz ein. Jedoch sei es bereits im vergangenen Jahr gelungen, sich im deutschen Markt an Bea vorbei auf den zweiten Platz zu schieben.

Die Middleware ist Schwirz zufolge der entscheidende Faktor beim anstehenden Paradigmenwechsel der Softwareindustrie in Richtung einer Service oriented Architecture (SOA). Fusion soll Prozessbeschreibungen vorhalten, die sich künftig automatisch mit Hilfe der Applikation umsetzen lassen sollen. Dabei werde die Anwendung die Rolle einer Art Bibliothek einnehmen, aus der sich die Geschäftsprozesse bedienen. Schwirz zufolge müssten sich die Kunden aber nicht auf die komplette Oracle-Lösung festlegen: "Wir wollen keine Gefangenen machen." Fusion werde sowohl mit anderen Applikationspaketen wie auch mit anderen Datenbanken funktionieren. Damit sei Oracle in der Lage, den Best-of-Breed-Ansatz zu unterstützen, sofern dies vom Kunden gewünscht werde, oder eine komplette Produkt-Suite von der Datenbank über die Middleware bis hin zur Applikation zu liefern.

Bis es soweit ist liegt vor Oracle noch eine Menge Arbeit. So muss der Softwareanbieter im Rahmen dieses Architekturwechsels seine eigene E-Business-Suite sowie die Produktlinien von Peoplesoft und J.D. Edwards modifizieren. Bereits 2008 sollen erste Ergebnisse dieses ebenfalls unter dem Namen Fusion laufenden Projektes vorliegen.

Bislang sorgt dieses Vorhaben jedoch eher für Unruhe, vor allem unter den Peoplesoft- und J.D.-Edwards-Anwendern (siehe: Oracle-Kunden klagen über mangelnde Information). Sie fordern konkrete Informationen darüber, wie dieser Softwareumbau und die daraus resultierenden Ergebnisse aussehen werden. Antworten hat Oracle bislang nicht parat. Die Entwickler arbeiten mit Hochdruck an dem Projekt Fusion, kann Schwirz lediglich vermelden. Er verweist auf die 18 000 Entwickler von Oracle. 8000 von ihnen kümmern sich angeblich um den Applikationssektor.

Neben der Arbeit an Fusion müssen sich die Oracle-Entwickler jedoch auch um die reguläre Weiterentwicklung der einzelnen Produktlinien bemühen. Bis 2013 wird Oracle die mit Peoplesoft und J.D. Edwards übernommenen Softwarepakete pflegen und unterstützen, hat der Softwarekonzern versprochen. Für das kommende Jahr sind bereits die nächsten Releases der Peoplesoft- und J.D.-Edwards-Programme angekündigt.

Oracle muss jeden Anflug von Diskontinuität vermeiden, fordert Schwirz im Zusammenhang mit dem Projekt Fusion (siehe: "Oracle verspricht Kontinuität"). Fehler würden Angriffspunkte für den Wettbewerb bieten. "Es muss ein Meisterwerk sein." (ba)