Oracle-Anwender fordern Antworten

09.06.2006
Trotz des Versprechens von Oracle, alle Produktlinien unbefristet zu unterstützen und weiter zu entwickeln, meldet die Deutsche Oracle-Anwendergruppe (Doag) Zweifel an.

Die "Applications-Unlimited"-Ankündigung von Oracle werde unter den Anwendern der entsprechenden Produktlinien des Datenbankspezialisten kontrovers diskutiert, berichten die Verantwortlichen der Doag. Oracle hatte Anfang Mai verkündet, es würden alle Applikationen von der eigenen E-Business-Suite bis hin zu den eingekauften Produktlinien der übernommenen Softwarehersteller Peoplesoft, J.D. Edwards und Siebel unbefristet gewartet und weiterentwickelt (siehe auch: Oracle sichert Kunden die Weiterentwicklung aller ERP- und CRM-Produkte zu). Applications Unlimited bedeutete damit eine Abkehr von der Strategie, neue Funktionen nur über einen befristeten Zeitraum in ein bestimmtes Software-Release zu implementieren.

Die Mehrzahl der Anwender habe die Ankündigung zunächst sehr positiv aufgenommen, heißt es in einer offiziellen Mitteilung der Doag. Oracle nehme damit ein "erheblichen Migrationsdruck von den Unternehmen". Die Anwender könnten nun individuell entscheiden, ob und wann sie auf die neue Fusion-Applikationslinie migrieren möchten. Einzelne Oracle-Anwender, die sich bereits für einen Umstieg auf Konkurrenzprodukte entschieden hätten, würden diese Entscheidung noch einmal überdenken beziehungsweise verschieben. "Insofern ist dies ein kluger Schachzug des Oracle-Managements, um Zeit zu gewinnen."

Zeit brauchen die Oracle-Verantwortlichen vor allem für die eigene Produktstrategie. Derzeit arbeitet der weltweit führende Datenbankhersteller mit Hochdruck daran, sein Middleware- und Anwendungsgeschäft auszubauen. Unter dem "Project Fusion" soll bis 2008 auf Basis der eigenen und zugekauften Applikationen eine einheitliche Service-orientierte Business-Software entstehen. Grundlage dafür bildet Oracles Fusion-Middleware.

Innerhalb von Oracles Applikationsklientel haben diese Pläne laufend für Unruhe gesorgt. Dazu kamen weitere Akquisitionen, die die Produktpläne des Datenbankspezialisten immer undurchsichtiger werden ließen. Wiederholt hatten Anwendergruppen im vergangenen Jahr detaillierte Informationen über die Strategie des Softwarelieferanten gefordert (siehe auch: Oracle-Kunden klagen über mangelnde Information und Kommunikation). Kunden müssten in die Lage versetzt werden, ihre eigenen Pläne mit denen des Herstellers zu korrelieren, so die Begründung. Zudem stand die Forderung nach langfristigen Support-Zusagen ganz oben auf der Liste der Anwender.

Unter dem Druck der Kunden haben die Oracle-Verantwortlichen immer weiter reichende Support-Versprechen gemacht. Nachdem zunächst alle Applikationen bis zum Jahr 2013 unterstützt werden sollen, hieß es später, alle Produkte würden ungefristet unterstützt. Diese Zusage erweiterte Oracle nun mit dem Versprechen, die einzelnen Anwendungen mit dem "Applications-Unlimited"-Konzept auch lebenslang weiter zu entwickeln.

Trotzdem blieben eine Reihe ungeklärter Fragen, mahnt die Doag. So sei fraglich, ob Oracle die Entwicklungskapazität aufbringen könne, um alle Produktlinien stets auf einem wettbewerbsfähigen Stand zu halten. Außerdem bleibe abzuwarten, ob möglicherweise das Entwicklungstempo zugunsten des Fusion-Projekts gedrosselt werde beziehungsweise sich die Fusion-Entwicklung wegen des hohen Aufwands für die Pflege der Altsysteme verzögere.

Die Antworten auf diese Fragen seien vor allem für Neukunden relevant. Diese fragten sich, ob sie mit dem Kauf eines aktuellen Produkts auf dem Abstellgleis landeten. Vor allem der Aufwand für den weiteren Weg in Richtung Fusion scheint derzeit innerhalb der Oracle-Klientel nur schwer einzuschätzen. Die Spanne reicht vom automatischen Update bis hin zur aufwändigen Neuimplementierung. Oracle werde mit Applications unlimited nur dann Erfolg haben, wenn es gelinge, in allen Produktlinien rasch Fusion-Middleware zu integrieren, um den Aufwand für einen späteren Umstieg in die Fusion-Applikationswelt möglichst gering zu halten, lautet das Fazit der Doag-Verantwortlichen. (ba)