E-Learning beim Staat

Online-Kurse schonen Budgets

29.01.2013 von Michael Sudahl
Mit einem innovationsfreudigen IT-Chef lässt sich auch beim Staat modernes Online-Lernen umsetzen.
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250 000 Einwohner hat der Landkreis Harburg in Niedersachsen. Mit der Kreisstadt Winsen (Luhe) zählt das zur Metropolregion Hamburg gehörende Gebiet insgesamt zwölf Einheitsgemeinden, Samtgemeinden und Städte. Anträge, Formulare und Antworten auf Fragen rund ums Auto, für soziale Hilfsangebote, die Abfallbeseitigung, das Bauen, den Naturschutz, die Sozialhilfe, für Abwasser, Wohngeld sowie Klimaschutz erhalten die Bürger des Kreises bei der öffentlichen Verwaltung. Gemeinsam mit den Rathäusern der Region sorgen die Verwaltungsmitarbeiter dafür, dass das öffentliche Leben reibungslos funktioniert. Rund 1300 IT-Arbeitsplätze werden dabei ganz oder teilweise von der IT-Abteilung des Landkreises betreut. Am besten läuft das natürlich, wenn die IT störungsfrei mitmacht. Wo früher fast ausschließlich Papier den Bürgerservice beherrschte, können die Beamten heute jeden Verwaltungsvorgang elektronisch bearbeiten - egal, ob neue Schülerkarte für den Nahverkehr oder ein Antrag auf Elterngeld.

Im Umkehrschluss bedeutet das: Streiken PCs oder Server können die Mitarbeiter der öffentlichen Einrichtung den Bürgerservice nur sehr eingeschränkt anbieten. Lange Menschenschlangen etwa in der Kraftfahrzeugzulassungsstelle oder beim Einwohnermeldeamt wären die Folge. Kein Wunder also, dass die sechs System- und Netzwerkadministratoren der IT-Abteilung des Landkreises Harburg alles dafür tun, dass Hard- und Software möglichst rund um die Uhr einwandfrei funktionieren.

"Wir setzen im Wesentlichen auf Betriebssysteme von Microsoft", sagt Mike Wille. Der IT-Leiter der Kreisverwaltung ist dafür verantwortlich, dass seine Leute diese Landschaft beherrschen und Ausfälle oder Fehler schnell beheben können. Und weil der US-Konzern seine Software im regelmäßigen Rhythmus aktualisiert oder neue Versionen auf dem Markt wirft, geht den Informatikern und Verwaltungsmitarbeitern die Arbeit nicht aus.

"Pro Jahr können wir ein, maximal zwei Großprojekte stemmen", sagt Wille, der seit 30 Jahren beim Landkreis arbeitet - 21 davon in der IT. Das letzte Projekt war die Umstellung auf Windows Server 2008 und Exchange Server 2010. Mehrere Monate bereiten der 49-Jährige und sein Team die Server-Landschaft darauf vor. Damit die Umstellung ohne große Reibungsverluste klappt, schulten sich die sechs Kollegen zwischen zwei bis vier Wochen fast täglich virtuell.

Statt wie noch vor zwei Jahren bis zu fünf Tage in einem Seminar das Know-how zu erlernen, nutzen die Computerfachleute inzwischen die "IT Courseware Collection" von Skillsoft. Zum IT-Paket gehört eine Kurssammlung, mit der alle gängigen Microsoft-Produkte geschult werden. Ideal sei hier, so Wille, dass nach dem Besuch eines virtuellen Seminars ein Test stattfindet: "Wer ihn besteht, erhält ein Zertifikat und ist in der Lage, mit der neuen Software umzugehen."

Die Netzwerkadministratoren des Landkreise Harburg lernen vor allem von zuhause aus. Wille unterstützt das: "Mir ist lieber, ein Kollege macht die Kursmodule konzentriert und vor allem ungestört." Dafür lässt er ihn gerne einen Tag im Homeoffice arbeiten.

Pro und Contra E-Learniing
Pro: Prozesse optimieren
Fachbereiche können durch Online-Schulungen die Einführung neuer Geschäftsprozesse forcieren oder bereits bestehende optimieren.
Pro: Verfügbarkeit der Lerninhalte
Einer der größten Vorteile des E-Learning besteht in der ständigen Verfügbarkeit und Wiederholbarkeit des Lernstoffes. Jeder Mitarbeiter kann sein Lernpensum nach Bedarf realisieren. Ein weiterer Vorteil liegt in der Möglichkeit, eine Vielzahl von Mitarbeitern an verschiedensten Arbeitsplätzen und Außendienststellen gleichzeitig zu neuen Produkten, Konditionen, Gesetzmäßigkeiten zu schulen.
Kontra: Teure Anschaffung
Die meisten kleinen und mittelständischen Betriebe scheuen die Investition in E-Learning-Systeme, weil auf sie zugeschnittene Individuallösungen sehr kostspielig sind.
Kontra: Motivation
Die Akzeptanz und Motivation von Mitarbeitern lässt in Sachen E-Learning oft zu wünschen übrig.
Kontra: Selbstlernkompetenz
Viele Personal-Manager bezweifeln die Selbstlernkompetenz der einzelnen Mitarbeiter.

Vorteil individuelles Lernen

Dass die Kollegen das Heimangebot gerne annehmen, sieht der Chef über eine Lern-Management-Verwaltung. Dort kann er den Lernerfolg der Kursteilnehmer nachvollziehen. Und er kann als Administrator für seine Mitarbeiter je nach Bedarf oder Projekt spezielle Schulungsprogramme individuell zusammenstellen. Auch die Testergebnisse kann Wille abrufen. Hilfreich sind die sogenannten Pre-Tests. Diese Kurz-Tests simulieren echte Prüfungsbedingungen und dienen beim Lernen der Selbstkontrolle.

Menschen nehmen Wissen in unterschiedlicher Geschwindigkeit auf, hat der IT-Verantwortliche in seiner langen Berufserfahrung beobachtet und berücksichtigt dies: "Im Online-Kurs können Benutzer so lange jede Lerneinheit anschauen und üben, bis sie sie verstanden haben", verdeutlicht der studierte Diplomverwaltungswirt. Was in einem Training im Klassenzimmer unmöglich ist, nämlich genau das Wiederholen nach eigenem Gusto, ist per virtuellem Kurs kein Problem, sondern Standard. Vermeintliche Wissenslücken oder gar Schwächen werden so in aller Ruhe und ohne Beobachtung durch Dritte aufgefüllt oder abgestellt.

Gut gefällt dem IT-Profi ebenso, dass durch das Training in Häppchen der Arbeitsprozess nur unmerklich gestört wird. Selbst wenn sich Kollegen intensiv auf einen Zertifikatsabschluss zuhause vorbereiten, seien sie nie mehrere Tage am Stück weg. So bleibe keine Arbeit liegen und Vertretungen seien schneller und unkomplizierter zu regeln als im Falle einer Abwesenheit von mehreren Tagen am Stück.

Weil E-Learning nachgesagt wird, dass im Gegensatz zu einem Präsenztraining der Gedankenaustausch im Kollegenkreis verloren geht, hat Wille gemeinsam mit IT-Bereichsverantwortlichen anderer Kommunen Treffen auf IT-Fachebene institutionalisiert. Mehrmals im Jahr gibt es kreisübergreifende Treffen. In diesen stellen Kollegen anderer Ämter entweder ihre IT-Projekte gezielt vor oder die Experten tauschen sich über gemeinsame Arbeiten und deren Fortschritt aus.