Offshoring – nicht um jeden Preis

31.07.2007 von Pascal Matzke
Anwender sollten die Management-Kosten einer Auslagerung nicht unterschätzen.

Auch wenn der Preisvorteil beim Offshoring noch so verlockend erscheint - ohne ein gehöriges Maß an interner Vorbereitung, durchgehender Kommunikation und Projekt-Management lässt sich kein Offshore-Outsourcing-Projekt erfolgreich gestalten. Während Unternehmen zumeist die Einsparungen von bis zu 35 Prozent aufgrund geringerer Lohnkosten in den Offshore-Ländern wie Indien oder Osteuropa im Auge haben, werden die Aufwände für das notwendige Management des Auslagerungsprojekts nur allzu häufig außer Acht gelassen. Dabei sind die mit der Governance des Projekts verbundenen Kosten im Offshore-Modell zumeist höher als bei "traditionellen" Onsite-Projekten, und das liegt nicht allein an der räumlichen Entfernung zum Dienstleister.

Hier lesen Sie ...

  • warum eine Offshoring-Strategie so wichtig ist;

  • welche internen Strukturen erforderlich sind;

  • wie sich ein Projekt sinnvoll steuern lässt;

  • was auf die internen Mitarbeiter zukommt.

Offshoring ist kein Selbstläufer: Nicht immer halten die erzielten Einsparungen den Erwartungen stand.
Foto: Forrester Research

Wichtig ist es, eine spezielle Offshoring-Strategie auf den Weg zu bringen, die interne Erwartungshaltungen und Zielsetzungen formuliert, Entscheidungskompetenzen und Meilensteine definiert sowie möglichen kulturellen und sprachlichen Barrieren Rechnung trägt. Gerade deutsche Anwender, die noch wenig Erfahrung mit Offshore-Dienstleistungen haben, sollten die Komplexität der Aufgabe nicht unterschätzen. Ohne entsprechende Vorbereitung und Planung laufen die Kunden von Offshore-Projekten nicht nur Gefahr, am Ende draufzuzahlen. Scheitern solche Projekte, ist das Verhältnis zwischen interner IT und internem Auftraggeber nachhaltig beschädigt.

Daher lohnt ein Blick in die USA, wo die meisten Unternehmen über viel gute, aber auch schlechte Erfahrung mit dem Management von Offshore-Projekten verfügen. Exemplarisch ist etwa das Vorhaben eines der weltweit größten Hightech-Unternehmen, das nach heftigen Protesten seiner Kunden den nach Indien ausgelagerten Helpdesk-Support nach nur wenigen Monaten wieder in die USA zurückholen musste. Potenzielle Kosteneinsparungen von mehr als 20 Prozent hatten das Unternehmen veranlasst, den Schritt zu wagen. Stattdessen wurden Rückführung sowie damit verbundene Integrationskosten zur finanziellen Belastung – vom Umsatzausfall aufgrund von unzufriedenen Kunden ganz zu schweigen. Hätte das Unternehmen im Vorfeld seine Hausaufgaben erledigt, wäre es sich der Erwartungshaltung der Kunden von Beginn an bewusst gewesen.

Notwendige Hausaufgaben für erfolgreiches Offshoring

Typischerweise verbringen Unternehmen viel Zeit mit der Überprüfung und Auswahl des potenziellen Offshore-Dienstleisters: Untersucht werden dabei zumeist die finanzielle Situation des Anbieters, die politische Stabilität des Landes, aus dem der Anbieter kommt, Fragen der Datensicherheit, die Qualität des Projekt-Managements und der technischen Zertifizierungen sowie schließlich immer die Höhe der Lohnkosten und der daraus resultierenden Stundensätze der Offshore-Berater. Während also der Dienstleister genauestens unter die Lupe genommen wird, fällt die notwendige Überprüfung des internen Reifegrads zumeist weit weniger sorgfältig aus. Die Zielsetzungen des Projekts werden oft nur unzureichend formuliert, Prozesse und Zuständigkeiten nur vage definiert, und interne Abhängigkeiten bleiben oftmals ungeklärt. In den meisten Fällen mangelt es also an einer klaren Strategie mit den notwendigen Steuerungsmechanismen, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Derart dürftig vorbereitet, lassen sich kaum mittel- und langfristige Vorteile aus dem Offshoring erzielen.

Definition der Projektziele

Am Anfang eines Offshoring-Projekts steht, zunächst die Ziele klar zu formulieren und Maßeinheiten zu definieren, um den Erfolg zu messen. Die wichtigsten Fragen lauten in diesem Zusammenhang: Warum sollen gewisse Dienstleistungen überhaupt ausgelagert werden? Was sind die konkreten Zielsetzungen aus unternehmerischer wie operationaler Sicht? Wie kann der Erfolg gemessen werden? Welche Zeitachse soll für die Erfolgsmessung zugrunde gelegt werden? Dabei verlangen unterschiedliche Zielsetzungen nach unterschiedlichen Lösungsansätzen. Unternehmen, denen es beim Outsourcing vorrangig um eine Erhöhung der Produktivität geht, werden einen anderen Ansatz verfolgen als Unternehmen, die in erster Linie Kosten sparen möchten. Letzteres geht möglicherweise nur zu Lasten der unternehmerischen Flexibilität und der zu erbringenden Service-Levels. Umgekehrt können für Projekte, bei denen ein Zugewinn an Effizienz in den Prozessen das maßgebliche Kriterium für den Erfolg darstellt, nicht ohne weiteres auch wesentliche Kosteneinsparungen erwartet werden.

Aufgaben des Lenkungskreises

Das Program Office kooperiert in der Regel mit einem so genannten Steering Committee beziehungsweise Lenkungskreis. Hier arbeiten IT-Mitarbeiter und Vertreter der Geschäftsbereiche zusammen und verantworten im Wesentlichen folgende Aktivitäten:

  • Bestimmung der Funktionen, Anwendungen, Projekte oder Aufgaben, die sich am besten für eine Offshore-Auslagerung eignen.

  • Definition von Standards und Prozessen für das Outsourcing.

  • Erfassung von Erfahrungswerten bei der Auslagerung im Sinne von Best Practices und Pflege in einer zentralen Datenbank.

  • Entwicklung von Trainingsprogrammen und Programmen zur interkulturellen Kommunikation.

  • Entwicklung von Methoden und Metriken zur Erfolgskontrolle des Outsourcing-Projekts.

  • Evaluierung und Auswahl von Anbietern.

  • Überwachung der Anbieter und ihrer Leistungen.

  • Entwicklung von standardisierten Service-Level-Agreements (SLAs) und Verträgen.

  • Preisverhandlungen mit den einzelnen Anbietern.

Steuerungsmechanismen und Programm-Management

Das Program Office und Steering Committee arbeiten eng bei der Auswahl und Steuerung des Offshore-Providers zusammen.
Foto: Forrester Research

Die Erfahrung zeigt, dass ein kleines internes Team – ein so genanntes Offshore Program Office – am besten im Zentrum der täglichen Governance des Projekts funktioniert. Hier werden Standards und Prozesse für das Offshoring definiert und kontrolliert, der Einsatz von Offshore-Ressourcen beauftragt und die tägliche Leistungserbringung sowie die Projekte grundlegend überwacht. Entscheidend für das Program Office ist, dass es direkt an die höchste Ebene der IT-Abteilung berichtet und dort auch regelmäßig angehört wird.

Schließlich übernimmt das Steering Committee die wesentliche Rolle des Vermittlers zwischen den Projektbeteiligten auf der geschäftlichen Seite des Unternehmens und den Dienstleistern. Idealerweise sollten Vertreter der betroffenen Geschäftsbereiche in diesem Lenkungskreis als aktive Stimmmitglieder beteiligt sein.

Auswahl der Offshore-fähigen Leistungen

Nicht alle Applikationen eignen sich für Offshore-Projekte. Die Matrix soll helfen, die Anwendungen zu klassifizieren.
Foto: Forrester Research

Nicht alle Anwendungen, Funktionen oder Dienstleistungen sind gleichermaßen für das Offshoring geeignet. Deshalb sollte die Auswahl von folgenden Faktoren bestimmt sein: Umfang und Komplexität der Lösung, geschäftkritische Abhängigkeiten von der Lösung, Stabilität und Qualität der zugrunde liegenden internen Prozesse, vorhandene Fähigkeiten und Ressourcen sowie eigene Entwicklungs- und Wartungskosten der entsprechenden Systeme. In einem ersten Schritt sollten Unternehmen sich auf solche Anwendungen oder Systeme konzentrieren, die wenig geschäftskritisch, aber vergleichsweise teuer im Unterhalt sind und deren Betrieb wenig internes Know-how erfordert. Wenn sich im Rahmen solcher kleineren Pilotprojekte ein gewisser Reifegrad im Offshore-Management eingestellt hat, können Unternehmen beginnen, komplexere Lösungen auszulagern.

Ist das eigene Unternehmen reif?

Jeder Offshoring-Initiative muss eine Analyse der internen Strukturen, Prozesse und Unternehmenskultur vorausgehen. Im Mittelpunkt stehen hier eine effektive Kommunikation und Zusammenarbeit innerhalb der IT-Abteilung, zwischen der IT-Abteilung und den betroffenen Geschäftsbereichen sowie zwischen dem Unternehmen und dem Offshore-Dienstleister. Anwender tendieren dazu, die Komplexität des Offshore-Projekts an dieser Stelle zu unterschätzen, weil sie sich zu sehr von althergebrachten Erfahrungswerten leiten lassen. Selbstverständlich müssen auch die Spezifikationen und Details der technischen Anforderungen punktgenau formuliert werden. Dabei müssen insbesondere die Bedürfnisse der Endanwender berücksichtigt und definiert werden, so dass sie von Business-Analysten, technischen Redakteuren, internen IT-Abteilungen oder den Offshore-Anbietern gleichermaßen verstanden und darauf basierende Spezifikationen erstellt werden können.

Neue Rollen und Verantwortlichkeiten

In vielen Fällen ergibt sich aus der Outsourcing-Strategie auch die Notwendigkeit einer Neuausrichtung der IT-Abteilung. Während zukünftig Programmierkenntnisse oder andere technische Fähigkeiten beispielsweise in den Hintergrund treten, muss nun mehr Wert gelegt werden auf die Unterstützung und das Management der Outsourcing-Prozesse sowie den permanenten Abgleich mit den Zielen der Geschäftsbereiche. Über diese Fähigkeiten verfügen heutige IT-Abteilungen häufig nicht, sie müssen innerhalb des Teams aufgebaut und entwickelt werden. Dabei sind vor allem kommunikative Fähigkeiten und Team-Skills der Softwarearchitekten, Business-Analysten, technischen Redakteure, Ansprechpartner für die Anbieter und Programm- und Projekt-Manager gefragt. In diesem Zusammenhang sollte man auch die Erwartungshaltungen und Auffassungen gegenüber den Mitarbeitern der Offshore-Dienstleister grundsätzlich überdenken, möglicherweise helfen dabei Einführungskurse zum Thema Offshore-Outsourcing.

Ein solches Training dient vor allem dazu, den Beteiligten die Chancen, aber auch die Risiken des Offshorings zu erläutern. Die Ziele werden kritisch begutachtet und die Rollen der Beteiligten im Rahmen des Projekts besprochen. Hilfreich sind Best-Practices-Präsentationen zur Provider-Steuerung, Kommunikation mit Dienstleistern sowie zur Formulierung der Spezifikationen. In der letzten Konsequenz sollten Unternehmen nichts unversucht lassen, um einen plötzlichen Zusammenprall der unterschiedlichen Kulturen im Verlauf des Projekts zu vermeiden.