Ernüchterung nach Vorschußlorbeeren

Neue Internet-Sprache XML läßt Web-Profis noch kalt

21.08.1998

Auf der Internet World/Summer 98 in Chikago wurde die Extensible Markup Language von vielen Softwareherstellern zwar bejubelt, doch der Zuspruch seitens der Web-Verantwortlichen ist eher verhalten. Beklagt wird beispielsweise das Fehlen von Web-Browsern, die dem XML-Standard folgen. Dabei sind durchaus sinnvolle Anwendungen vorstellbar, beispielsweise das Aktualisieren bestimmter Teile einer Internet-Seite, ohne hierzu, wie bei Hypertext Markup Lan- guage (HTML) erforderlich, die gesamte Page neu auf den Server kopieren zu müssen. Verglichen mit HTML erlaubt XML eine bessere Handhabung von strukturierten Daten. Beispielsweise lassen sich Informationen kategorisieren und in Tabellen darstellen.

Doch erst wenn wenigstens die Hälfte aller Internet-Benutzer die Spezifikation nutzen können, wird sie für die Verwalter der Homepages interessant. Die Web-Experten müssen sich aber noch gedulden: Die beiden Browser-Platzhirsche Microsoft und Netscape wollen die neue Web-Sprache erst in der Version 5 ihrer Web-Client-Software voll integrieren. Netscapes Client soll erst Ende des Jahres in die Betaphase gehen, und Microsoft verfügt derzeit lediglich über eine Produktvorschau für Entwickler.

So lange wollte Xerox nicht mehr warten und hat auf Basis von XML eine Server-Lösung entwickelt. Servicemitarbeiter des Unternehmens verwenden einen herkömmlichen Web-Browser, um die Verfügbarkeit bestimmter Ersatzteile abzufragen. Der korrespondierende Server schaut nach, ob die eingegebenen Artikelnummern mit XML-Daten korrespondieren. Auf diese Weise konnte Xerox eine sehr viel umfangreichere Software ablösen, die mit der Standard Generalized Markup Language (SGML) realisiert wurde. XML gilt als eine Art Light-Version von SGML.

Dem gleichen Ansatz folgt die Internet-Publikation "Wall Street Journal Interactive Edition". Deren Server-seitige XML-Lösung erlaubt es Abonnenten, sich ihre eigenen Aktienportfolios zusammenzustellen. Die aktuellen Kurse stellt das Online-Magazin in Form einer statischen HTML-Seite zu.

Trotz der bisher spärlichen Nutzung von XML rät Michael Maziarka, Direktor der US-amerikanischen Beratungsfirma Cap Ventures aus Norwell, Massachusetts, bereits heute auf diese Sprache zu setzen. Daten im XML-Format, so Maziarka, lassen sich vielfältig einsetzen, daher sollten Anwender schon jetzt damit beginnen, ihre Informationen in XML zu formatieren. Ein späteres Konvertieren von HTML-Daten nach XML sei dagegen sehr aufwendig.

Experten warnen jedoch vor zu hoch gesteckten Zielen. Ihrer Meinung nach handelt es sich bei XML um eine noch nicht ausgereifte Technik. Versuche, allzu komplizierte Anwendungen zu realisieren, könnten zum Scheitern verurteilt sein.

Diese Bedenken scheint die Industrie nicht zu teilen. IBM etwa will die Sprache in seine Web-Entwicklungsumgebung "Websphere" einbauen. "Esuite" von Lotus verwendet bereits XML, und Microsoft wird sein "Office 2000" ebenfalls mit der Markup Language ausstatten.

XML und E-Commerce

Die Hypertext Markup Language (HTML) ist zwar die Weltsprache des World Wide Web, doch gerade in Bezug auf den elektronischen Geschäftsverkehr stößt die Spezifikation an ihre Grenzen. HTML dient lediglich dazu, Text und Grafik anzuzeigen. Dabei ist es unerheblich, ob es sich zum Beispiel um Preisangaben oder Artikelbezeichnungen handelt. Um jedoch im Web etwa angebotene Produkte zu vergleichen, wäre es viel einfacher, wenn gezielt nach den Nettopreisen bestimmter Produkte gesucht werden könnte. Genau hier setzt XML an. Informationen im Web lassen sich damit entsprechend ihrem Informationsgehalt strukturieren. Dies setzt allerdings voraus, daß die Informationen auf den Web-Servern bestimmte Konventionen erfüllen, die in den Document Type Definitions (DTD) festgelegt werden. Wenn beispielsweise auf allen Sites der Versicherungsbranche die Variable "Tarif" die gleiche Bedeutung hat, lassen sich Sonderangebote viel leichter über eine Suchmaschine finden. Andere Branchen profitieren von XML, weil damit Unternehmen auf einfache Art ihre Daten austauschen können. Ein Beispiel sind die Automobilkonzerne und deren Zulieferer.

Damit Entwickler über XML-Definitionen diskutieren können, wurde das "XML Exchange" ins Leben gerufen. Unter http://www.xmlx.com können Programmierer Definitionen in eine Registrierungsdatenbank ablegen und abrufen. Auf diese Weise soll XML in verschiedenen Industriezweigen vorangetrieben werden.