IBM-Position unklar

Neon-Mainframe-Tool verstößt nicht gegen Lizenzrecht

20.10.2009 von Jan-Bernd Meyer
Als die texanische Neon Enterprise Software mit der zPrime-Anwendung für IBMs System-z-Mainframes auf den Markt kam, schien Ärger programmiert.

Immerhin erlaubt die Anwendung, Applikationslast von den Hauptprozessoren der Großrechner auf die für spezialisierte Aufgabenstellungen entwickelten so genannten Specialty Engines herunter zu laden und dort verarbeiten zu lassen.

Es geht um die Lizenzgebühren

Das kann IBMs Chef Sam Palmisano nicht recht sein: Dass das US-Unternehmen Neon Software mit dem Großrechner-Tool zPrime dafür sorgt, dass die Mainframe-Umsätze von Big Blue sich reduzieren könnten.
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Das klingt unspektakulär, ist es aber beileibe nicht. Denn mit dieser Funktionsweise des Neon-Software-Tools zPrime werden möglicherweise Lizenzvereinbarungen berührt, die Big Blue mit seinen Großrechnerkunden geschlossen hat. Neon Software vertritt die Ansicht, dass zPrime-Nutzer keine Probleme gewärtigen werden. IBM hat sich bislang nicht abschließend geäußert, dass Lizenzrechte verletzt würden.

Die IBM hat nach eigenen Aussagen die Speciality Engines entwickelt, um auf diesen Prozessoren Workloads neuer Applikationen verarbeiten zu lassen. Zumindest aus Sicht von Big Blue ist aber nicht daran gedacht gewesen, auch Arbeitslasten von Legacy-Applikationen auf die zIIP-CPUs (= z Integrated Information Processor) und zAAP-Prozessoren (= z Application Assist Processor) der System-z-Großrechner zu hieven.

Ins Zentrum des Interesses rückt dabei das Lizenzierungsmodell der IBM: Die System-z9- und die neueren System-z10-Großrechner werden von Haus aus mit mehr Hauptprozessoren geliefert, als der Anwender in aller Regel benötigt. Der User zahlt an Big Blue aber lediglich gemäß der Zahl der tatsächlich benutzten Prozessoren Lizenzgebühren. Dieses Verfahren gibt dem Anwender die Möglichkeit, nach Bedarf mehr oder weniger Prozessoren zu nutzen. Er kann so je Auslastung der Systeme - die im Alltagsgeschäft sehr schwanken kann - seine Kosten variabel halten. Prinzipiell gilt für die Nutzung der Großrechner-Hauptprozessoren im Vergleich zu den Specialty Engines, dass die Lizenzgebühren für die Hauptprozessoren höher sind als für die zIIP- und zAAP-CPUs.

Nur bestimmte Anwendungen sind erlaubt

Deshalb liegt es nahe, dass Anwender versuchen, möglichst große Teile der Rechnerlast auf die zIIP- und zAAP-Engines zu übertragen. Die Nutzung der Specialty Engines ist aber nach den Vorstellungen der IBM beschränkt auf gewisse Anwendungen. Beim zII-Prozessor sind dies etwa Arbeitslasten aus dem BI-, dem ERP- und dem CRM-Umfeld. Auch bestimmte Netzwerk-Encryption-Aufgaben dürfen auf die zIIP-Specialty-Engine verlagert werden.

Die zAAP-Specialty Engine kann in IBMs System-z10-, System-z9-, den älteren eServer-zSeries-990 (z990) und den eServer-zSeries-890 (z890) eingesetzt werden. zAAP ist für "neue Web-basierte Applikationen und SOA-basierte Techniken" gedacht, schreibt Big Blue auf seinen Internet-Seiten.

Neon trickst Lizenzbestimmungen aus

Neons z-Prime-Software erleichtert nun aber die Nutzung vielfältigster Legacy-Anwendungen auf den Specialty Engines. Die Neon-Software ermöglicht die Verlagerung von Standard-Workloads wie CICS, IMS, DB2, TSO und Batch von Zentralprozessoren auf die Specialty Engines der System-z-Mainframes.

Für Anwender ist diese Option interessant, weil sie so Lizenzgebühren sparen. Verständlicherweise kann dies IBM nicht recht sein.

Mark Anzani, IBMs Vice President and Chief Technology Officer und in dieser Funktion für die gesamte System-z-Plattform verantwortlich, hat denn auch in einem Brief an IBM-Kunden die Sicht von Big Blue zu der zPrime-Software dargestellt. Bezeichnenderweise äußerte sich der IBM-Manager darin allerdings eher vage zu Neons zPrime-Software und verbreitete eher allgemeine juristische Formeln.

Erhebliche Einsparungen

Rund 400 Personen hatten sich für ein Webinar angemeldet, das Neon Software am 23. September 2009 veranstaltet hatte und bei dem die Nutzung von zPrime unter wirtschaftlichen und vor allem juristischen Aspekten thematisiert wurde. Die Teilnehmer entstammten fast 200 Unternehmen und Organisationen. Anwender, die an diesem Webinar teilnahmen und zPrime bereits nutzen, sagten aus, ihre individuellen Verträge mit IBM würden durch zPrime nicht verletzt. Da sich aber der Preis von Software auf Mainframes danach richtet, in welchem Maße die System-z-Zentralprozessoren genutzt werden, kann eine Verlagerung der CPU-Nutzung auf die zIIP- und zAAP-Prozessoren, die nicht auf einer lastabhängigen Preisgestaltung basieren, zu Einsparungen führen, die laut Neon-Chef Edwards bei mehreren Millionen Euro liegen können. Edwards: "zPrime gibt unseren Kunden die Möglichkeit, ihren Mainframe im Vergleich zu anderen Systemarchitekturen zu konkurrenzfähigen Kosten zu betreiben." So könnten Unternehmen "erhebliche finanzielle und wettbewerbsrechtliche Vorteile" erzielen.

Anzani schreibt: Bevor Anwender Arbeitslasten von Applikationen, die nicht explizit für die Nutzung auf den Specialty Engines deklariert sind, auf die zAAP- und zIIP-CPUs übertragen, sollten sie vorher prüfen, ob sie nicht gegen IBMs Customer Agreement oder gegen Big Blues "Licensed Internal Code" (LIC) verstoßen.

Anzani betont in dem Anschreiben an IBM-Kunden, dass nur solche Software, die von IBM ausdrücklich als zIIP- und zAAP-konforme Applikationen ausgewiesen ist, auf diesen Specialty Engines eingesetzt werden darf. Kunden, die sich nicht an IBMs Program License Charges halten, müssten unter Umständen sogar damit rechnen, dass die Lizenzgebühren nicht nur nicht sinken, sondern sogar steigen könnten.

Heute gab IBM gegenüber der COMPUTERWOCHE noch folgende aus den USA kommende Stellungnahme ab, die hier im Wortlaut des üblichen juristischen Sprechs als Übersetzung widergegeben wird:
"Jede Aktion, die in den normalen und vorgesehenen Betrieb des z/OS-Betriebssystems und in IBMs LIC eingreift, um so Specialty Engines/Processors zu befähigen, Workloads zu verarbeiten, die über diejenigen Workloads hinausgehen, die von der IBM authorisiert wurden, stellt einen Bruch der zutreffenden/anwendbaren Vereinbarungen dar, die IBM mit seinen Kunden abgeschlossen hat."

Webinar zur Rechtslage

Gegenüber der COMPUTERWOCHE hat sich die IBM ansonsten nicht weiter zur Sachlage geäußert. Ähnlich ist die Situation in den USA. Bis auf die zitierte Aussage gibt es bislang keine weiteren Einlassungen dazu, dass Anwender, die zPrime nutzen, damit gegen Lizenzvereinbarungen verstoßen. Trotzdem scheinen Anwender so verunsichert zu sein, dass der CEO von Neon, Lacy Edwards, am 23. September 2009 ein Webinar abhielt, um anstehende Rechtsfragen zu klären (siehe Kasten "Erhebliche Einsparungen"). Ihm zur Seite standen der Software-Forensikexperte Stephen Heffner, Chairman von Pennington Systems, und Wayne Webb, seines Zeichens Anwalt für Patenrecht und geistiges Eigentum bei der Kanzlei Bracewell & Giuliani, LLP. Das Podcast des Webinars kann auf der Unternehmens-Website von Neon abgehört werden.

Neon-CEO Edwards betonte, die übliche Lizenzvereinbarung von Neon würde alle Kunden gegen Ansprüche schadlos halten, die auf der Verletzung von Rechten Dritter basieren. Voraussetzung: zPrime darf nur in unveränderter Form und in Übereinstimmung mit den Produktspezifikationen genutzt werden. Diese Lizenzvereinbarung würde ferner gewährleisten, dass Rechte Dritter an intellektuellem Eigentum nicht verletzt werden, sagte Edwards weiter. (jm)