Auf dem Prüfstand: Haitec AG

Münchner Systemhaus will seinen Ruf als Dienstleister festigen

12.11.1999
MÜNCHEN - Das Desinteresse, das IT-Dienstleistern am Neuen Markt seit geraumer Zeit entgegenschlägt, bekam zuletzt auch die Haitec AG zu spüren. Um bei Investoren an Attraktivität zu gewinnen, will das Münchner Systemhaus in den nächsten Jahren seine Hardwarelastigkeit reduzieren, mit mehr Services die Rendite steigern und die Internet-Division ausbauen.

"Und der Haifisch, der hat Zähne, und die trägt er im Gesicht", heißt es in dem bekannten Song aus Bertolt Brechts "Dreigroschenoper". Was es bedeutet, jemandem die Zähne zu zeigen, demonstrierte die Münchner Haitec AG, als sie im Juli dieses Jahres an die Börse ging. In einer einstweiligen Verfügung untersagte das Unternehmen seinem "Namensvetter", der in Erlangen ansässigen Heitec GmbH, in einer Pressekonferenz zu behaupten, daß Heitec Ansprüche auf die Verwendung des Firmennamens Haitec habe (siehe Kasten "Haitec gegen Heitec"). Mit den entsprechenden Schlagzeilen in der Wirtschaftspresse bekamen die Oberbayern, deren Firmenlogo der Hai ziert, was IPO-Kandidaten angesichts der Emissionsflut am Neuen Markt dringend benötigen: Publicity.

Emissionspreis konnte nicht gehalten werden

Was auch insofern wichtig war, weil mit Haitec auf dem Kurszettel der Frankfurter High-Tech-Börse nicht der erste IT-Dienstleister notiert wurde - ohnehin ein Marktsegment, das derzeit bei den Anlegern aus vielfältigen Gründen nicht als aufregend gilt. So überraschte es auch nicht, daß der Börsenneuling schon nach drei Wochen den Emissionspreis von 40 Euro nicht mehr halten konnte. Derzeit dümpelt das Papier bei rund 28 Euro. Dennoch: Die Wachstumsstory, die die Oberbayern in den letzten Jahren schrieben, stimmt. 37,5 Millionen Mark Umsatz standen 1996 in der Bilanz, 63,6 Millionen Mark im Jahr darauf, 100 Millionen Mark schließlich im Geschäftsjahr 1998 (ein Plus von 57 Prozent gegenüber dem Vorjahr). In den ersten sechs Monaten dieses Jahres erzielte die 165-Mitarbeiter-Company Umsätze in Höhe von 54,1 Millionen Mark.

Traditioneller Schwerpunkt des 1989 gegründeten Unternehmen ist der Bereich Computer Aided Engineering (CAE), wo, wenn man so will, Haitec von Beginn an Seite an Seite mit IBM marschierte. Rund 40 Prozent der Einnahmen stammten im letzten Jahr aus dem Vertrieb von Big Blues CAE-Software "Catia", mit der Kunden aus der Automobil- und Maschinenbaubranche adressiert werden. Zusätzlich zum Lösungsgeschäft entwickeln die Münchner Softwaremodule und bewegen sich hier in einer Linie mit der Stuttgarter Cenit AG, die als größter IBM-Partner im Bereich 3D-Konstruktionssoftware das Feld der Wettbewerber anführt.

Ein zweites Standbein schuf sich Haitec in den 90er Jahren als Systemintegrator im Client-Server-Bereich. Know-how besitzt das Unternehmen zu Themen wie Sicherheit, Hochverfügbarkeit sowie System-Management und kann hier auf Referenzen aus Handel, Banken und Versicherungen verweisen. Mit knapp über 50 Prozent vom Umsatz ist Systemintegration zwar die größte Business-Unit, doch verschärft wird die Lage der Münchner, die unter anderem SAP-Partner sind, zusätzlich dadurch, daß hier die Wettbewerber nicht dünn gesät sind. Konkurrenten sind beispielsweise Compunet und m+s, um nur zwei schlagkräftige Mitstreiter zu nennen. Von einer "entspannten Wettbewerbssituation", wie im Unternehmensprospekt zu lesen ist, kann somit zumindest in diesem Marktsegment nicht die Rede sein.

Umkämpft ist auch der jüngste Haitec-Geschäftsbereich E-Business, der 1998 rund zehn Prozent zu den Einnahmen beisteuerte. Im Fokus steht hier die Integration elektronischer Geschäftsprozesse, etwa die Installation von Web-Shops oder die Anbindung an Warenwirtschaftssysteme. Hier dürfte es die Company eher schwer haben. Womit nichts über die unternehmerische und produkttechnische Qualität der Münchner ausgesagt wird - aber Haitec ist in diesem Bereich nur ein Me-too-Anbieter. "In den nächsten Jahren erwarten wir hier Wachstumsraten von über 50 Prozent", gibt sich Axel Feldhoff, Vorstand Marketing und Vertrieb, dennoch optimistisch.

Unabhängig davon sollen sich Synergieeffekte, die sich aus den drei Geschäftsbereichen ergeben, künftig positiv in der Bilanz niederschlagen. 1998 wiesen die Münchner 1,9 Millionen Mark Gewinn aus - nach einem Fehlbetrag von 408000 Mark im Vorjahr. Einen Verlust in Höhe von 1,6 Millionen Mark meldete das Unternehmen jedoch auch für die ersten sechs Monate des laufenden Geschäftsjahres. Auf die Margen dürfte weiterhin vor allem das Projektgeschäft drücken. "Hier ist der Hardware-Anteil immer noch sehr hoch", gibt Feldhoff zu. Insgesamt 65 Prozent am Konzernumsatz waren es im letzten Geschäftsjahr; das lukrativere Geschäft mit Dienstleistungen kam nur auf 14 Prozent. Auffallend ist zudem die starke Abhängigkeit von IBM. 70 Prozent des Umsatzes wurden noch im letzten Jahr mit Hard- und Softwareprodukten von Big Blue erzielt. Um die Rendite zu steigern, will Haitec deshalb den Dienstleistungsanteil am Umsatz bis zum Jahr 2002 auf 23 Prozent ausweiten.

Ausdehnen müssen die Münchner, die in Deutschland mit sieben Geschäftsstellen - vorwiegend in der Südhälfte der Republik - präsent sind, auch ihren Aktionsradius. So soll ein Teil des Emissionserlöses in Höhe von 75 Millionen Mark in den Ausbau des Vertriebs in Norddeutschland fließen. Fast nur weiße Flecken gab es bis vor kurzem auch auf der Europa-Karte der Oberbayern. Mit der Folge, daß den Münchnern etwa in England oder Frankreich schon die Felle davongeschwommen sind. "Hier existieren bereits Wettbewerbsstrukturen, die ein langes Kämpfen voraussetzen würden", erklärt Feldhoff, der deshalb Engagements in diesen Märkten für "eher unwahrscheinlich" hält.

"Überschaubar", so der Haitec-Vorstand, sei die Wettbewerbssituation dagegen noch in Osteuropa. Neben Österreich wurde 1998 eine Niederlassung in Ungarn gegründet. Intention der Münchner ist es allerdings nicht, teure Dependancen hochzuziehen. "Follow the customer" lautet vielmehr das Motto. Daß mit dieser Strategie allerdings nicht der große Auftritt in fremden Landen gemeint sein kann, ist auch Feldhoff klar. "Mittelfristig sind zehn Prozent Auslandsumsatz eine realistische Größe", schätzt er.

Angesichts einer Reihe von wachstumswilligen "kleinen" IT-Dienstleistern, die in letzter Zeit den Börsengang gewagt haben oder ihn planen, dürfte es im deutschen Markt jedoch zusehends enger werden. Haitec will sein Wachstumstempo deshalb in Zukunft vor allem durch Akquisitionen sichern, hieß es vor kurzem auf der Hauptversammlung. Eine Kurskorrektur offensichtlich, denn im Vorfeld des Börsengangs wurden die für das IPO vorgelegten Planzahlen auf Vorstandsebene noch als "konservativ" eingestuft. 1999 peilen die Münchner demnach 128 Millionen Mark Umsatz und 4,2 Millionen Mark Gewinn an. Im Jahr 2001 sollen die Einnahmen bereits bei 223 Millionen Mark liegen, die Erträge erstmals die Marke von zehn Millionen überspringen.

HAITEC GEGEN HEITEC

Am 11. Juni 1999 mahnte die Erlanger Heitec GmbH ihren Münchner Namensvetter ab, die Bezeichnung Haitec künftig nicht mehr zu verwenden. Das auf Automatisierungs- und Archivlösungen spezialisierte Systemhaus begründete diesen Schritt damit, daß die Haitec AG erst zum 1. Dezember 1998 ins Handelsregister eingetragen worden sei. Man selbst existiere hingegen bereits seit 15 Jahren, die "Wortmarke" Heitec sowie ähnliche und gleichlautende Begriffe seien beim Deutschen Patentamt in München geschützt. Die Haitec AG wiederum stützte sich bei ihrer Argumentation auf ein Schreiben, wonach Anwälte der Firma Heitec bereits im März 1997 die endgültige Beilegung des Namensstreits schriftlich bestätigt hätten. Kurz vor ihrem Börsengang erwirkte die Münchner Haitec AG eine einstweilige Verfügung gegen eine geplante Pressekonferenz der Heitec GmbH. Konkret wurde hierin den Franken untersagt, vor der Presse zu behaupten, daß Heitec Ansprüche auf die Verwendung des Firmennamens Haitec habe. Ob auf seiten der Erlanger namensrechtliche Ansprüche bestehen, wird noch in diesem Monat Gegenstand einer mündlichen Verhandlung sein.

*Andrea Goder ist freie Journalistin in München.