Was die Queen kann, können wir auch. Nach diesem Motto richten immer mehr Firmen Karriereseiten auf der Social-Media-Plattform Facebook ein. Dort buhlen sie mehr oder weniger erfolgreich um die Gunst von IT-Fachkräften. Viele Unternehmen nutzen die Chance, sich als attraktive Arbeitgeber zu präsentieren. Ob sich dieses Engagement auszahlt, darüber liegen noch keine schlüssigen Zahlen vor; ein lockerer Dialog auf Facebook führt nicht unbedingt zum Arbeitsvertrag. Außerdem gibt es immer noch zahlreiche Firmen, die Facebook nicht als Recruitment-Kanal nutzen möchten. In vielen Personalabteilungen überwiegt gegenüber sozialen Medien aber inzwischen die Experimentierfreude. Bewerbern bieten sich dabei ungewöhnliche Einblicke in den abgeschotteten Kosmos der Firmen.
Versuchsfeld Facebook
"Facebook ist für Firmen ein weites Versuchsfeld. Jede möchte dabei sein, doch keiner weiß wirklich, was es bringt", sagt Bernhard Rauscher von Recruitwerk. Das Münchner Unternehmen berät Firmen zu Recruitment-Strategien in sozialen Netzwerken. Die niedrigen Hürden und geringen Kosten erleichtern vielen Arbeitgebern die Entscheidung, einen Versuchsballon zu starten. "Facebook erhebt keine Gebühr; wir haben uns die Site von unserer Agentur gestalten lassen, das hat sich im Rahmen gehalten", sagt Stefanie Hirte, Leiterin Personal-Marketing beim Versandhändler Otto in Hamburg. Noch kann jeder, ob Privatperson oder Unternehmen, unentgeltlich eine eigene Seite in dem sozialen Netzwerk anlegen und später ebenfalls kostenlos Videos und Bilder einstellen. Allerdings geht dieses Material in den Besitz von Facebook über. Kampagnen, in denen eine bestimmte Zielgruppe, etwa potenzielle Auszubildende, in einer Region angesprochen werden sollen, lassen sich über das Netzwerk ganz einfach steuern, da gerade jüngere Nutzer freigiebig mit ihren persönlichen Daten umgehen. Gezahlt wird wie bei Google per Klick.
Otto ging Ende November 2009 mit einer eigenen Karriereseite zu Facebook. Bereits im Frühjahr vergangenen Jahres stand das Thema Social Media auf der Agenda, einen Twitter-Kanal installierten die Hamburger im April des gleichen Jahres. "Wir wollten zu den ersten gehören, die sich bei Facebook engagieren", sagt Stefanie Hirte. "E-Commerce ist ein großes und wichtiges Geschäftsfeld für uns, und hier suchen wir viele neue Mitarbeiter."
Deshalb sei es nur folgerichtig gewesen, auch die künftigen Bewerber über diesen Kanal anzusprechen, zumal die Hamburger auch viele IT-Spezialisten suchen. Jobangebote finden sich zwar auch auf der Facebook-Seite, doch für die Otto-Managerin zählen in erster Linie Personal-Marketing und Image-Bildung zu den Argumenten für das Engagement. Bevor die Seiten online liefen, gab es ausführliche Beratungen im Haus. "Wir haben uns Trends im Netz angesehen und die Risiken analysiert, die sie bringen könnten", erklärt Hirte.
"Kritik muss man aushalten"
Zu den möglichen Gefahren zählte aus Sicht der Personalverantwortlichen die große Transparenz, die mit der Nutzung von Social-Media-Plattformen Einzug hält. "In internen Mitarbeiterbefragungen und externen Unternehmens-Rankings haben wir in den vergangenen Jahren immer gut abgeschnitten. Deshalb waren wir zuversichtlich, dass eine so transparente Plattform wie Facebook keine großen Risiken für uns birgt. Wir löschen keine Kommentare und setzen uns mit Kritik auseinander. Das muss man aushalten", meint Hirte. Bisher hat sich diese Strategie gelohnt. Mehr als 1800 Facebook-Nutzer interessieren sich für die Site.
Eine weitere Überlegung drehte sich um den Arbeitsaufwand, der für die Pflege der Seiten und den Dialog mit den Nutzern anfällt. Doch auch dieses Thema lässt sich gut managen: Zwei Mitarbeiterinnen des Personal-Marketings haben Twitter und Facebook im Blick und posten alle drei bis vier Tage Neuigkeiten. "Das ist also nicht so viel, wie man vielleicht denkt", berichtet Hirte. "Es gibt keine Wochenendschichten." Auf den Seiten finden sich Hinweise auf Stellenangebote, Veranstaltungen sowie interne Informationen, die einen authentischen Einblick in den Arbeitsalltag vermitteln sollen.
Auch der Siemens-Konzern informiert via Facebook über die Karriereperspektiven, die er bieten kann. Seit März 2010 beantworten vier Mitarbeiter aus dem Siemens-Careers-Team neben anderen Aufgaben die Fragen der Facebook-Nutzer an das Unternehmen. "Wir wollen hauptsächlich über Recruiting informieren und Fragen dazu beantworten. Das reicht vom Absolventen, der wissen möchte, was aus seiner Bewerbung geworden ist, bis zu jungen Leuten, die einen Praktikumsplatz suchen", umreißt Hans-Christoph Kürn aus der Personalabteilung das Fragenspektrum. Sein Team legt viel Ehrgeiz an den Tag, denn alle Fragen sollen möglichst schnell beantwortet werden: "Das geht zwar nicht rund um die Uhr, aber abends und am Wochenende schauen wir schon öfter rein."
Siemens hat 3000 Fans
Momentan zählt Siemens auf seinen Karriereseiten knapp 3000 Fans, doch beeindruckender als diese Zahl sind für Kürn die der Page-Impressions. Viele Facebook-Nutzer lesen die Postings, ohne selbst Fragen zu stellen. "Wir liegen rund zwei Tage nach dem Erstellen einer Nachricht fast immer deutlich über 10.000 Klicks", berichtet der Siemens-Mann. Bildeten ursprünglich Jugendliche und junge Erwachsene noch die wichtigste Zielgruppe, kommen inzwischen immer mehr Young Professionals und Berufserfahrene als "Fans" hinzu. Auf einer weiteren Facebook-Seite wirbt Siemens gezielt um Jugendliche für das hauseigene Ausbildungs- und Studienangebot.
Anfang Juli 2010 ging der Münchner Autobauer BMW mit einer Karriere-Website auf Facebook online. Heute führen die Bayern mit mehr als 12.000 Fans die Hitliste unter den Karriere-Pages an. "Wir sprechen sowohl Schüler, Studenten und Young Professionals als auch Professionals an und achten darauf, dass die Inhalte gleichmäßig für alle Zielgruppen interessant sind", erläutert Matthias Melcher von der BMW Group Personal-Marketing die Strategie des Automobilkonzerns.
Fotos und Videos sollen helfen, Einblicke in den Unternehmensalltag zu geben. Ein dreiköpfiges Team stellt sicher, dass kein User länger als 24 Stunden auf eine Antwort warten muss. Diese Mitarbeiter kümmern sich nicht nur um Facebook, wie Melcher betont. Allerdings gilt dieser Service nicht für das Wochenende. "Wir wollen nicht, dass bei den Usern der Eindruck entsteht, dass bei BMW auch am Wochenende gearbeitet wird. Bisher wurde das sehr gut akzeptiert."
Otto setzt auch auf Blogs
Um interessante Fachkräfte zu finden, ist Facebook nicht die einzige Antwort im Web 2.0. Versandhändler Otto betreibt beispielsweise zwei Blogs. In "Azubi" berichtet ein Team von Auszubildenden über sein Arbeitsleben, in einem weiteren Blog namens "E-Starter" erzählen junge Berufstätige, die seit zwei oder drei Jahren im Unternehmen arbeiten, von ihren Projekten. "Die Initiative des E-Starter-Blogs ging von den Mitarbeitern selbst aus. Wir haben sie dann unterstützt", sagt Hirte. Für den "Azubi-Blog" übernimmt ein fünfköpfiges Team die Verantwortung. Ein Redaktionsplan legt fest, wer Beiträge verfasst, schließlich sollen die Jugendlichen nicht ihre Ausbildung vernachlässigen. Ähnlich selbständig organisiert sich das siebenköpfige E-Starter-Team. Die Otto-Personalerin sieht auch in Blogs viel Potenzial, um Bewerber über Fachthemen für das Unternehmen und seine Geschäftsfelder zu interessieren. "Der Aufwand für einen Blog ist größer, die Autoren müssen deutlich mehr Zeit investieren und auch Sprachwitz mitbringen. Für die Nutzer bietet ein Blog einen authentischen Blick ins Unternehmen. Dagegen erreichen wir über Facebook verschiedene Zielgruppen."
Das Otto-Kommunikationsteam hat einen Social-Media-Guide mit Verhaltensempfehlungen verfasst. Das Engagement der Mitarbeiter in den sozialen Web-Kanälen wird begrüßt, doch das Unternehmen erwartet von seinen Beschäftigten einen verantwortungsbewussten Umgang mit diesen Plattformen. "Selbstverständlich kann sich jeder privat und auch öffentlich über unser Unternehmen äußern - positiv wie negativ. Wichtig ist uns dabei Transparenz: Wer sich zu Otto-Themen äußert, sollte deutlich machen, dass er für unser Unternehmen arbeitet und aus seiner persönlichen Sicht kommentiert", erklärt Hirte.
So großzügig gehen nicht alle Firmen mit dem Thema um. Porsche-Mitarbeiter dürfen während der Arbeitszeit keine Facebook-Einträge vornehmen. In Frankreich wurde schon Mitarbeitern gekündigt, nachdem sie sich auf ihren privaten Facebook-Seiten kritisch über den eigenen Arbeitgeber geäußert hatten.
Gelassenheit ist Pflicht
Wer sich in soziale Netzwerke wagt, sollte vor allem eine gewisse Portion Gelassenheit mitbringen. Ähnlich wie bei Foren-Kommentaren oder Blog-Einträgen gibt es immer wieder Nörgler, die auf diesem Weg ihrem Unmut Luft machen. Häufig reguliert sich die Community selbst: Auf unflätige Anmerkungen antworten dann andere Nutzer, was das Gesagte in ein neues Licht stellt. Bernhard Rauscher von Recruitwerk rät dazu, cool zu bleiben: "Manche Firmen haben eine Paranoia, dass sie in sozialen Netzwerken diffamiert werden. Sie sollten locker damit umgehen, denn immerhin haben sie die Chance, kritische Anmerkungen auch zu registrieren, während es vorher mehr Zufall war, ob sie etwas davon mitbekommen haben."
"Studenten nutzen Facebook nur für Privates"
Thorsten Petry, Professor für Organisation und Personal-Management an der Hochschule Rhein-Main in Wiesbaden, befragte Firmen und Bewerber, wie und wozu sie soziale Netzwerke nutzen.
CW: Wie nutzen Bewerber und Unternehmen Social Media für berufliche Belange?
Petry: Die von uns befragten Fach- und Führungskräfte sowie Studenten nutzen zu 98 Prozent diese Plattformen, Firmen zu 71 Prozent. Während Letztere bei Twitter, Facebook und Xing aktiv sind, interessieren sich Bewerber weniger für Twitter. Sie verwenden beruflich Xing und setzen hauptsächlich privat auf Facebook.
CW: Unternehmen sehen in Facebook eine wichtige Image- und Karriereplattform. Freut das die Bewerber?
Petry: 75 Prozent der jungen Fach- und Führungskräfte bedienen sich täglich Social-Media-Plattformen. Die Verweildauer variiert zwischen 15 Minuten und mehr als einer Stunde. Facebook ist das am meisten genutzte Portal. Allerdings wollen die Kandidaten dort nicht von Firmen angesprochen werden. Ich beobachte bei Studenten, dass sie zuerst Facebook intensiv für Privates nutzen, später zu Business-Netzwerken wie Xing oder LinkedIn wechseln und ihren Facebook-Account säubern. Deshalb sehe ich es kritisch, wenn Unternehmen massiv auf diese privat genutzte Plattform drängen.
CW: Viele Firmen möchten aber im Facebook-Netzwerk präsent sein. Welche Strategie empfehlen Sie?
Petry: Sie sollten dort Informationen bereitstellen und den Interessenten einen Einblick ins Unternehmen geben, doch für die konkrete Bewerberansprache sind Business-Netzwerke wirksamer. Wichtig für alle Aktivitäten in sozialen Netzwerken ist in jedem Fall "Leben auf den Seiten" und Authentizität der Inhalte. Authentisch wirken Erfahrungsberichte von Mitarbeitern oder Hinweise auf Jobangebote, wenn sie über die privaten Accounts der Mitarbeiter kommen. Das ähnelt einer Empfehlung unter Freunden.
CW: Sollten Firmen interessante Bewerber direkt über Facebook ansprechen?
Petry: Für die gezielte Ansprache von Kandidaten halte ich nach wie vor Business-Plattformen für geeigneter. Dort erwarten es die Nutzer, von Firmen angesprochen zu werden, auf Facebook empfinden es viele als störend.