Bettina Anders, Itergo

Mit Lust an der Veränderung und Liebe zur Architektur

17.11.2006 von Karin Quack
Dem Titel nach ist Bettina Anders Vorsitzende der Geschäftsführung beim internen IT-Dienstleister der Ergo-Versicherungsgruppe. Doch ihre Aufgaben entsprechen viel eher denen eines CIO.

Im Vorfeld dieses Wettbewerbs diskutiert die COMPUTERWOCHE-Redaktion jedes Jahr darüber, ob und inwieweit eigentlich die Geschäftsführer von ausgelagerten IT-Gesellschaften für den Titel "CIO des Jahres" kandidieren dürfen. Bei Bettina Anders, Geschäftsführungsvorsitzende der Itergo Informationstechnologie GmbH, hat sich diese Frage nicht gestellt. Zum einen betreibt die IT-Tochter der Ergo Versicherungsgruppe kein Drittgeschäft, zum anderen besteht zwischen Itergo und Ergo eine besondere Aufgabenteilung: Anders nimmt viele Aufgaben wahr, die als Domäne des Chief Information Officer gelten. Sie formuliert - wenn auch in Abstimmung mit den Steuerungsausschüssen sowie dem für das Ressort Kundenservice, Betriebsorganisation und IT zuständigen Ergo-Vorstand Torsten Oletzky - die IT-Strategie und die mittel- bis langfristige Planung. "Wir verantworten die langen Wellen, also den Investitionsschutz", fasst sie zusammen.

Erfolgsbausteine

- Zusammenführung der Anwendungslandschaften von Hamburg-Mannheimer, Victoria, DKV und DAS;

- Integration der Krankenversicherer Zürich und Globale;

- Implementierung einer Multi-Plattform-Architektur für den Innendienst;

- Einführung eines Corporate Network;

- gegenüber 2003 um 25 Prozent verringerte IT-Kosten - durch Ausschöpfen von Synergiepotenzialen;

- straffe und durchgängige IT-Governance-Prozesse.

Für das jährliche Projektportfolio hingegen zeichnet der CIO-Bereich in Gestalt von Oletzky verantwortlich. Wie Anders erläutert, ist auf diese Weise die Trennung von Auftraggeber- und Auftragnehmerseite gewährleistet. Das erspart ihr als Chefin des internen IT-Dienstleisters den sonst unvermeidlichen Interessenskonflikt.

Alles auf Anfang

Da stellt sich zwangsläufig die Frage, warum die Ergo ihre IT-Dienstleistungen überhaupt in ein separates Unternehmen ausgelagert hat. Eine der Antworten liegt wohl in der Fusionswelle der Versicherungswirtschaft zu Beginn dieses Jahrzehnts begründet: Der Konzern entstand aus dem Zusammenschluss von Victoria, Hamburg-Mannheimer, DKV und DAS. Anstatt die IT-Abteilungen mit ihren gewachsenen Strukturen in einem schmerzhaft langwierigen Prozess zu integrieren, erschien es einfacher, die IT-Organisation von Grund auf neu und mit einer eigenen Identität zu errichten.

Außerdem verstärkt die Selbständigkeit laut Anders den Zwang zur "Professionalisierung" des IT-Servicebetriebs, auch wenn die Itergo offiziell nicht mit externen Serviceerbringern konkurrieren muss. "Den internen IT-Dienstleistern droht immer das Phänomen der Schlafkuhle", so umschreibt sie das häufig eintretende Erstarren in Routine und Selbstzufriedenheit. Anders hingegen wirkt hellwach - obwohl sie eigenen Angaben vier- bis fünfmal in der Woche schon um halb sechs morgens mit den Walking-Stöcken unterwegs ist.

Ihre berufliche Laufbahn begann die heutige Itergo-Chefin in der Anwendungsentwicklung der Victoria Versicherung. Später wurde sie die rechte Hand des damaligen IT-Vorstands Michael Rosenberg und übernahm schließlich die Leitung der Entwicklungsabteilung. Diese Position bekleidete sie zunächst auch in der Itergo, bevor sie schließlich zur Vorsitzenden der Geschäftsführung berufen wurde.

Mit dem Kopf durch die Wand

Heute beschäftigt sich Anders vorwiegend mit Fragen des fachlichen Designs und mit Governance-Prozessen. Doch ihre "heimliche Leidenschaft" gehört immer noch den IT-Architekturen. Das wird offensichtlich, wenn sie berichtet, wie sie Mitte der 90er Jahre die Middleware-Architektur der Victoria gestaltete und die IBM dazu brachte, die Antwortzeiten von "MQseries" auf unter eine Sekunde zu verkürzen. "Ich habe damals herausfinden wollen, was härter ist: Mein Kopf oder die Wand", scherzt sie.

Als ihr wichtigstes Projekt bezeichnet Anders - wenig überraschend - die Integration der unterschiedlichen IT-Umgebungen, die von den einzelnen Versicherungsgesellschaften in den Konzern eingebracht wurden. Auf der Basis der Victoria-Architektur schuf sie mit ihren rund 1500 Mitarbeitern eine Multiplattform-Umgebung für den Innen- und Außendienst, mit der sie den Anforderungen der Einzelunternehmen gerecht werden, aber gleichzeitig die vorhandenen Synergiepotenziale ausschöpfen wollte.

Zur Person

- seit 2004 Vorsitzende der Itergo-Geschäftsführung;

- von 2000 bis 2003 verantwortlich für den Geschäftsbereich Anwendungsentwicklung bei der Itergo;

- von 1990 bis 2000 in verschiedenen Funktionen bei der Victoria Versicherung tätig, zuletzt als Leiterin der Anwendungsentwicklung;

- Studium der Geographie und Mathematik sowie Promotion an der Universität Münster.

Innovation statt Altgerätepark

Dies ist offenbar gelungen: Wie vom Konzernvorstand beschlossen, reduzierte Anders die jährlichen IT-Ausgaben der Unternehmensgruppe innerhalb von zwei Jahren um ein Viertel, ohne nennenswerte Abstriche am "Change"-Budget zu machen oder auf technische Neuerungen zu verzichten. "Ich will hier keinen Altgerätepark haben, sondern die Innovationszyklen einhalten", sagt sie. Dank der Synergieeffekte will sie zudem ab dem kommenden Jahr mindestens ein Drittel ihrer Finanzmittel für neue Projekte aufwenden - wobei sie kleinere Änderungsprojekte großzügig dem Run-Budget zuschlägt.

Sich selbst sieht Anders vor allem als "Change-Managerin", die im Verein mit den Business-Abteilungen die geschäftlichen Veränderungen vorantreibt. Die alltäglichen Herausforderungen hat sie offenbar gut im Griff, wie sie sich regelmäßig durch Anwenderbefragungen bestätigen lässt. Das Schreckgespenst der Versicherungsbranche, "Solvency-II", lässt sie relativ kühl. Das sei vor allem ein Problem der Datenaggregation und damit der Rechnerleistung, konstatiert sie. Derzeit überlege sie, wie es sich mit Hilfe eines Rechner-Grid lösen lasse. Und damit sei dem Thema Solvency II aus ihrer Sicht eine positive Seite abzugewinnen - die des Beschleunigers von informationstechnischen Neuerungen. Karin Quack

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