PDC 2008

Mit Azure geht Windows in das Web

28.10.2008 von Wolfgang Sommergut
Microsoft stellte mit "Azure" seine eigene Cloud-Computing-Plattform vor. Chief Software Architect Ray Ozzie bezeichnete diesen Schritt als Wendepunkt des Unternehmens.

Bereits vor mehreren Wochen hatte Microsoft angekündigt, dass es auf der Professional Developer Conference (PDC) mit "Windows Cloud" eine Variante seines Betriebssystems für gehostete Anwendungen vorstellen würde. Ray Ozzie, Nachfolger von Bill Gates in der Funktion als Chief Software Architect, gab nun auf der in Los Angeles abgehaltenen Veranstaltung Einzelheiten zu der Cloud-Plattform bekannt, die auf den Namen "Azure Services Platform" getauft wurde.

Im Prinzip soll Azure für das Web sein, was Windows XP und Vista für den PC darstellen. Ein wesentlicher Unterschied besteht allerdings darin, dass man das neue System nicht mehr auf dem eigenen Rechner installieren kann, sondern ausschließlich in den Rechenzentren von Microsoft läuft. Insofern wirkt der Versuch von Steve Ballmer, Begeisterung für ein Rechenzentrumsbetriebssystem zu wecken, wie eine überholte Fortführung früherer Windows-Ankündigungen.

Vollständig in der Hand von Microsoft

Bei Azure ist Microsoft für die komplette Plattform zuständig, weil es neben dem Betriebssystem, den darauf aufbauenden Diensten und dem Programmiermodell auch die Hardware kontrolliert. Daraus resultiert auch ein anderes Geschäftsmodell, das nicht mehr auf Softwarelizenzen beruht, sondern auf der Berechnung des Ressourcenverbrauchs einer Anwendung (Rechenzeit, Speicherplatz, transferiertes Datenvolumen) sowie den Kosten für vereinbarte Service Levels.

Chief Software Architect ray Ozzie stellt auf der PDC 2008 das Konzept von Azure vor.

Microsoft möchte natürlich das lukrative Lizenzgeschäft parallel zu seiner Cloud-Plattform weiter fortführen. Der Hersteller kündigte daher an, dass er die herkömmlichen Produkte zukünftig enger mit Azure verzahnen möchte, und dass jede installierbare Server-Software alternativ auch als Service verfügbar sein soll. Allerdings wird es auf absehbare Zeit keinen bidirektionalen Abgleich zwischen den beiden Varianten einer Software geben.

Technisch betrachtet lässt sich Azure mit Amazons "Elastic Compute Cloud" (EC2) vergleichen, das ebenfalls eine Infrastruktur bietet, auf der sich zahlreiche Instanzen eines Betriebssystems ausführen lassen. Während Amazon auf den quelloffenen Hypervisor "Xen" vertraut, entwickelte Microsoft seine eigene Hardwareabstraktions- und Virtualisierungsschicht, auf der Windows Server 2008 ausgeführt wird. Über dem Betriebssystem bietet das Unternehmen eine Reihe von Web-Services an, darunter die unter der "Live"-Marke bekannten Dienste sowie .NET-, SQL-, Sharepoint- und Dynamics-CRM-Services.

Microsoft verspricht offene Platform

Nach Microsofts Verständnis handelt es sich bei Azure um eine offene Plattform, die auf Internet-Standards beruht und sowohl PCs als auch mobile Endgeräte bedienen kann. Allerdings ist bis dato unklar, ob Clients, die nicht unter Windows laufen, den vollen Funktionsumfang nutzen können. Nachdem auch für Azure das .NET-Programmiermodell gilt, sieht Microsoft als umfassendes Werkzeug für Entwickler "Visual Studio" vor.

Den Redmondern dürfte der Fehlschlag mit den .NET-Services ("Hailstorm") noch gut in Erinnerung sein. Die ersten Dienste wurden pikanterweise 2001 ebenfalls in Krisenzeiten auf der gleichen Veranstaltung präsentiert. Sie scheiterten vor allem am Misstrauen von Anwendern, die eine Vereinnahmung des Web durch Microsofts proprietäre Technik befürchteten. Bei Azure hieß das Unternehmen nun auch Anbieter anderer Tools und Sprachen ausdrücklich willkommen.