Microsoft will mit Novell jetzt auch an Linux verdienen

03.11.2006
Microsoft hat endlich einen Weg gefunden, auch mit Linux Geld zu machen – und zwar als Teil einer breit angelegten Technik-, Wiederverkaufs-, Lizenzierungs- und Marketing-Allianz mit Novell, die gestern auf einer Pressekonferenz in San Francisco angekündigt wurde.
Shakehands zwischen Ron Hovsepian und Steve Ballmer - vor ein paar Jahren noch undenkbar...
Foto: Microsoft

Novell, Anbieter von „Suse Linux“, wird Microsoft bis wenigstens zum Jahr 2012 einen festen Prozentsatz all seiner Open-Source-Einnahmen als Kommission zahlen; im Gegenzug wird Microsoft Wiederverkäufer von Suse Linux und verspricht, keine Klagen gegen Novells Linux-Kundschaft anzustrengen.

Beide Unternehmen werden außerdem gemeinsam Software entwickeln, die das Zusammenspiel von Linux und Windows im Unternehmen vereinfachen soll. Dabei geht es vornehmlich um das Thema Server-Virtualisierung – Windows-Applikationen sollen virtualisiert unter Linux laufen und umgekehrt.

Die vielleicht größte Überraschung der Ankündigung war Microsofts Versprechen, es werde in jedem Jahr der Vertragslaufzeit 70.000 Coupons von Novell kaufen, von denen jeder für ein volles Jahr Suse-Support von Novell gut ist. Microsoft will diese Gutscheine nur an „gemeinsame Kunden, die daran interessiert sind, ein virtualisiertes Windows auf Suse Linux Enterprise Server oder einen virtualisierten SLES auf Windows zu betreiben“, vergeben.

Microsoft wird außerdem seinen großen Kunden, die Linux einsetzen wollen, Suse ans Herz legen (nach Windows, versteht sich). „Wir wollen unbedingt, dass Kunden, die Windows und Linux kombinieren wollen, die Suse-Produktlinie wählen“, erklärte Microsoft-Chef Steve Ballmer. „Und dahinter stellen wir unser Marketing.“

Das Ganze bleibt aber natürlich relativ. „Wenn jemand jetzt am Ende der Pressekonferenz verwirrt ist, dann sage ich es jetzt“, fügte Ballmer hinzu. „Wenn Sie eine neue Applikationn haben, die sie ausbringen wollen, dann sage ich Ihnen: Die richtige Antwort ist Windows, Windows, Windows.“

Nichtsdestotrotz ist die bloße Anerkennung der Wertigkeit von Suse Linux bei der Wahl eines Betriebssystems für Microsoft ein beachtlicher Sinneswandel – schließlich hatte der Konzern in der Vergangenheit Linux und Open-Source-Lizenzierung allgemein mit „Krebs“ verglichen.

Als vielleicht eine Art von Chemotherapie, so lästert der Branchendienst „Computerwire“, haben die Rechtsabteilungen beider Firmen eine Reihe von Übereinkünften getroffen, die Microsofts Generaljustiziar Brad Smith als „eine Brücke, eine Intellectual-Property- oder Patentbrücke, zwischen Open-Source- und Proprietary-Source-Software“, beschrieb.

Im Wesentlichen haben Microsoft und Novell vereinbart, ihr geistiges Eigentum nicht gegenüber den Kunden des jeweils anderen einzuklagen. Microsoft verspricht, Novell-Kunden nicht wegen Patentverletzung zu verklagen und umgekehrt (Novell verfügt, obwohl es Open Source verkauft, über ein ansehnliches Patentportfolio).

Microsoft sicherte außerdem zu – gewiss ein Zugeständnis an die Open-Source-Community, die Novell keinesfalls verschrecken will -, auch keine Klagen gegen „invididuelle, nicht kommerzielle Open-Source-Entwickler“ anzustrengen, egal ob diese in Verbindung zu Novell stehen oder nicht. „Novell hat ein unwiderrufliches Versprechen von Microsoft bekommen, einzelnen und nichtkommerziellen Entwicklern die Freiheit zu gestatten, ohne irgendwelche Angst vor Patentklagen seitens Microsoft die Freiheit zu besitzen, weiterhin Open Source zu entwickeln“, schreibt Novell in einem offenen Brief an die Community. „Ganz genau – Microsoft will, dass Ihr weiter hackt.“

Einen weiteren herben Rückschlag stellt der Deal für Red Hat dar, den weltweit größten Linux-Anbieter. Dessen Aktienkurs leidet noch immer unter der Ankündigung von Oracle, Red Hats Kundenbasis anzugehen und dessen Support-Preise zu untergraben. Das Letzte, was Red Hat gerade gebrauchen kann, ist ein Hauptwettbewerber, der mit Microsoft unter eine Decke schlüpft.

Ballmer ging nicht auf die Frage ein, ob bei der neuen Linux-Strategie von Microsoft auch für Firmen wie Red Hat ein Platz am Tisch sei. Er deutete lediglich an, Microsoft habe in der Vergangenheit auch mit Red Hat gesprochen, äußerte sich aber nicht dazu, ob es zukünftig mit Red Hat zusammenarbeiten werde.

Was die technische Seite des Deals angeht, wollen Microsoft und Novell eine gemeinsame Niederlassung gründen, wo Entwickler beider Firmen an der Interoperabilität ihrer Betriebssysteme arbeiten sollen. Neben der Virtualisierung wird es dort auch noch um Themen wie die Verwaltung von Web-Services, Verbindungen zwischen den Verzeichnisdiensten Active Directory und Novell eDirectory sowie Konverter zwischen Microsofts Open Office XML und OpenDocument Format gehen.

Zur Erinnerung: Im November 2004 hatten sich Microsoft mit Novell wegen dessen Kartellklage bezüglich des Netzbetriebssystems Netware verglichen und dabei 536 Millionen Dollar an Novell gezahlt. (tc)