Dynamics 365 Project Operations

Microsoft veröffentlicht ERP für Dienstleister

Kommentar  von Mike Ullrich
Dynamics 365 Project Operations ist der lange angekündigte Nachfolger von Dynamics 365 Project Service Automation. Lesen Sie, ob es der große Wurf ist oder nur alter Wein in neuen Schläuchen.
Der Projektleiter: Immer hin und her gerissen zwischen Projektteam, Kunde, Vertrieb, Finanzabteilung und Geschäftsführung. Ist dank Dynamics 365 Project Operations für ihn nun Rettung in Sicht?
Foto: Poznyakov - shutterstock.com

Bereits vor zwei Jahren kündigte Microsoft Dynamics 365 Project Operations als Nachfolger von Microsoft Project Service Automation an. Seit dem 1. Oktober 2020 ist es nun soweit: Die neue Lösung steht zur Verfügung und kombiniert die Web-Variante von Microsoft Project mit den Vertriebs- und Projektmanagement-Funktionen von Dynamics 365 Customer Engagement und den vertikalen Projektfunktionen von Dynamics 365 Finance.

Dynamics-365-Universum - Einordnung

Im Sommer 2016 führte Microsoft seine Dynamics-Produkte unter dem Namen "Dynamics 365" zusammen. In den vier Jahren ist viel passiert. Aus den drei Hauptprodukten Dynamics CRM, Dynamics AX und Dynamics NAV wurde durch kleinteiligere Modularisierung, sowie Entwicklung oder Zukauf von neuen Modulen eine Suite von über 9 Hauptmodulen und zahlreichen Add-Ons.

Dual-Write verbindet in Dynamics 365 die ERP- mit der CRM-Plattform.

Bisher wurden die drei technischen Plattformen CRM, AX und NAV auch getrennt erhalten. Erste Ansätze der Integration zwischen dem CRM-System (Customer Engagement) sowie der AX-Plattform (Finance & Operations Core) brachte der sogenannte Dual-Write-Mechanismus, der Anfang diesen Jahres seinen Beta-Status verlor. Dual-Write ist ein Integrationshub, der mit vorgefertigten Integrationspattern die CRM- und die ERP-Welt verbindet.

Mit dem Start von Dynamics 365 Project Operations veröffentlicht Microsoft nun das erste wirklich hybride Produkt, das die CRM- und ERP-Plattform vereint. Als Benutzeroberfläche wurde die Customer-Engagement-Plattform gewählt. Dual-Write verbindet die Datenbanken nahezu in Echtzeit miteinander und die ERP Funktionen wurden unsichtbar im Hintergrund integriert. Microsoft betont, dass eine funktionale Komponente nur einmal existieren sollte. So wurden auch die Projektplanungskomponenten von Microsoft Project for the Web in Project Operations integriert. Project for the Web ist die webbasierte Neuentwicklung von Microsoft Project, welches den Common Data Service als Datenbasis nutzt (analog zu Dynamics 365 Customer Engagement).

Dynamics 365 Project Operations - Geschäftsprozesse

Dynamics 365 Project Operations nimmt die gesamten Geschäftsprozesse eines Dienstleistungsunternehmens in den Fokus. Auf Vertriebsseite beginnt der Gesamtprozess mit der Leadgewinnung und -qualifizierung und erfolgt dann weiter mit der Abarbeitung von Verkaufschancen und Angeboten. Hier sind erste Abweichungen zu Dynamics 365 Sales zu erkennen.

Dynamics 365 Project Operations ermöglicht es, einen ersten High-Level-Projektplan in der Vertriebsphase zu erstellen und eine Aufwandsschätzung integriert abzugeben. Die Schätzung wird per Knopfdruck in das Angebot übernommen. Zusätzlich können Spesen und weitere Ausgaben, wie Leihgebühren für Equipment oder Verbrauchsmaterialien hinzugefügt werden. Das Angebot kann in einem Schritt als PDF per Mail versendet werden.

Die Projektplanung bleibt immer auf dem aktuellen Stand. Der Projektleiter sieht bei jeder Änderung die Auswirkungen auf sein Projekt.
Foto: Microsoft (dynamics.microsoft.com)

Nach Bestellung des Kunden wird ein Projektvertrag erzeugt und der abgebildete Prozess geht weiter. Projektverträge können nach Festpreis, nach Aufwand oder gemischt erstellt werden. Der Projektplan wird durch den Projektmanager verfeinert und fordert Ressourcen an. Das Ressourcenmanagement plant nun statt den bisher verwendeten generischen Ressourcen echte Personen und Materialien ein. Die Ressourcenplanungsoberfläche ist dazu gedacht, Aufträge und Ressourcen abzugleichen. Die gleiche Komponente kommt auch bei Dynamics 365 Field Service zum Einsatz, hier jedoch üblicherweise in der Kartenansicht.

Im Projekt hingegen stellen Rollen, Skills und Verfügbarkeiten neben der örtlichen Nähe die entscheidenden Auswahlkriterien dar. Die Leistungserbringung erfasst die Zeiten und die Spesen in einer optisch komplett überarbeiteten Komponente: zum Beispiel können jetzt Zeiten aus der Planung oder aus dem eigenen Kalender für die Zeiterfassung übernommen werden. Genehmigung und Korrekturen durch den Projektleiter sind dabei im Workflow abgebildet.

Bei Festpreisprojekten steuern Meilensteine den Prozess und die Abrechnung. Nachdem der Projektmanager die Rechnungsstellung angestoßen hat, wechselt der Prozess sowohl zur Finanzabteilung hinüber als auch technisch zu Dynamics 365 Finance (ERP-Plattform). Unmerklich im Hintergrund sind die für ein Buchhaltungssystem notwendigen Daten gesammelt und übertragen worden. Nach Freigabe durch die Buchhaltung werden Rechnungen erzeugt und versendet. Der Projekleiter sieht stets den Rechnungsstellungs- und Zahlungsstatus.

Project Operations - das ist neu

Während Project Service Automation (PSA) bisher ein reines CRM-Modul war, ist die Verzahnung zwischen ERP und CRM nun an allen Stellen sichtbar und gerade abteilungsübergreifende Themen werden nun von Microsoft gelöst. Beispielsweise sieht der Projektmanager bei jeder Anpassung seines Projektplans und jedem Ressourcenwechsel stets den vom Finance-Modul kalkulierten Deckungsbeitrag seines Projektes nach erfolgter Zeiterfassung der Mitarbeiter.

Weiterhin sind einige Komplexitäten des Projektgeschäfts in Dynamics 365 Project Operations eingeflossen, die der Vorgänger nicht beherrschte, wie z.B. die Abrechnung eines Projektes mit mehreren Projektverträgen an mehrere Kunden mit Festpreis- und Aufwandsteilen und allen Varianten davon. Microsoft hat nun auch erste KI-gestützte Funktionen, wie Extraktion von Daten aus dem Spesenbeleg integriert.

Vor- und Nachteile im Überblick:

Dynamics 365 Project Operations ist ein gelungener und deutlicher Schritt von Microsoft in Richtung integrierter Prozesse auf einer intuitiven Oberfläche (CRM) mit der Mächtigkeit und Exaktheit eines ERP. Endlich vollzieht Microsoft auch die tiefere Integration der ERP- und CRM Module. Auf der Roadmap für Dynamics 365 stehen für Ende 2020 zum Beispiel noch Vereinfachungen der Rechnungsstellung (etwa bei wiederkehrenden Rechnungen). (fm)

15 Probleme beim Projektmanagement
1. Unklare Arbeitslast
Bryan Fagman vom Anbieter Micro Focus sagt, dass viele Projekte an einem nicht klar umrissenen Arbeitsaufwand scheitern. Schleichen sich hier Unschärfen ein, leidet das ganze Projekt. Im schlimmsten Fall bleibt undefiniert, wann es überhaupt abgeschlossen ist. Fagman mahnt deshalb an, Ziele im Dialog mit den Kunden klar zu benennen.
2. Undefinierte Erwartungen
Alle Beteiligten müssen von Beginn an wissen, welche Anforderungen ein Projekt stellt und welche Erwartungen zu erfüllen sind – sonst droht ein Fiasko. Tim Garcia, CEO des Providers Apptricity, nennt zwei entscheidende Dinge, die alle Team-Mitglieder vorab wissen sollten: was getan wird und wie man weiß, wann das Projekt abgeschlossen ist. „Ohne eine dokumentierte Vereinbarung, die Antworten auf diese beiden Fragen liefert, ist ein Projekt von Anfang an in Gefahr“, sagt Garcia.
3. Fehlende Management-Unterstützung
Die Unterstützung aus der Firmenspitze sollte unbedingt gesichert sein. Befindet man sich dahingehend mit der Chef-Etage nicht in Einklang, mindert das die Erfolgsaussichten beträchtlich, meint Brad Clark vom Provider Daptiv.
4. Methodik nach Schema F
Im Projekt-Management wird gemeinhin mit standardisierten Schlüsselaufgaben und Leistungen gearbeitet. Darin lauert nach Einschätzung von Robert Longley, Consultant beim Beratungshaus Intuaction, aber auch eine Gefahr. Die Standard-Ansätze seien meist auf Projekte einer bestimmten Größe ausgerichtet. Sie passen möglicherweise nicht mehr, wenn man sich an größere Projekte als in der Vergangenheit wagt.
5. Überlastete Mitarbeiter
„Team-Mitglieder sind keine Maschinen“, sagt Dan Schoenbaum, CEO der Projekt-Management-Firma Teambox. Projekte können auch daran scheitern, dass Mitarbeiter mit Arbeit überfrachtet werden. Vermeiden lässt sich das, indem man sich vorab ein klares Bild über die Stärken der Team-Mitglieder macht und auf eine sinnvolle Verteilung der Aufgaben achtet.
6. Ungeteiltes Herrschaftswissen
Projekte leben davon, dass Informationen nicht monopolisiert, sondern miteinander geteilt werden. Das geschieht oft dann nicht, wenn Ergebnisse erst nach langer Anlaufzeit geliefert werden müssen. Tim Garcia von Apptricity rät deshalb dazu, Projekt in kurze Phasen einzuteilen. An deren Ende sollte es jeweils Resultate geben, mit denen das ganze Team weiterarbeiten kann.
7. Unklare Entscheidungsfindung
Im Verlauf eines Projektes sind Änderungen der ursprünglichen Roadmap oft unvermeidbar. Es sollte beim Change Management aber klar dokumentiert werden, wer wann was geändert hat und wie die neue Marschrichtung aussieht.
8. Fehlende Software
Exel-Spreadsheets nötigen Projekt-Manager zu manuellen Korrekturen und führen oft zu Problemen bei der Status-Aktualisierung. Insofern ist es befreiend, mit Project Management Software zu arbeiten, die für automatische Updates sorgt und von lästigen manuellen Berichten entlastet. Dazu rät Brian Ahearne, CEO des Anbieters Evolphin Software.
9. Gefahr des Ausuferns
Change Requests sind alltäglich im Projekt-Leben, aber sie haben leider oft einen unerfreulichen Nebeneffekt: den Hang, Fristen und Budget-Rahmen immer weiter auszudehnen und auf Dauer zu Demotivation und Frust auf allen Seiten zu führen. Um dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten, sind neben klaren Zielvorgaben auch tägliches Monitoring und ein definierter Prozess für gewünschte Veränderungen sinnvoll. Das empfiehlt in jedem Fall Sandeep Anand, der beim Software-Entwicklungshaus Nagarro für Project Governance verantwortlich ist.
10. Nicht "Nein" sagen können
Im Sinne des Unternehmens sei es manchmal nötig, Anfragen abzulehnen, sagt Markus Remark vom Provider TOA Technologies. Gut sei es deshalb zu wissen, wie man "nein" sagt. Am besten habe man für solche Fälle auch gleich eine konstruktive alternative Lösung parat.
11. Mangelnder Zusammenhalt
Projektarbeit ist Team-Arbeit. In der Praxis gerieren sich manche Projekt-Teams aber wie in Eifersüchteleien gefangene Sportmannschaften ohne Erfolg, beobachtet Berater Gordon Veniard. Der Fokus auf das eigentliche Ziel gehe verloren. Stattdessen beschuldigen sich Grüppchen gegenseitig, für Probleme und schlechte Leistungen verantwortlich zu sein. Um das zu verhindern, ist Führung durch den Projekt-Manager gefragt. Und der sollte es verstehen, sein Team mitzunehmen und in Entscheidungen einzubinden. Ohne Kommunikation sei das Desaster programmiert, so Hilary Atkinson vom Provider Force 3.
12. Vergessener Arbeitsalltag
Hilary Atkinson hat nach noch einen weiteren Kommunikationstipp parat: Projekt-Manager sollten nicht vergessen, ihre alltäglichen Aufgaben zu erledigen. Wer als Verantwortlicher keine Meeting-Termine verkündet, Status-Berichte vergisst und E-Mails unbeantwortet lässt, riskiert unnötige Verzögerungen.
13. Zu häufige Meetings
Meetings, in denen der Status Quo besprochen wird, können nerven – vor allem dann, wenn sie zu oft stattfinden oder zu lange dauern. Wichtige Informationen lassen sich durch Collaboration Tools häufig besser an die Team-Mitglieder bringen, meint Liz Pearce, CEO des Providers LiquidPlanner. Ihr Tipps: Meeting auf die Entscheidungsfindung beschränken. In ihrem Unternehmen gebe es lediglich zweimal in der Woche ein Treffen, um neue Aufgaben zu verteilen und Prioritäten zu definieren.
14. Gut genug ist nicht immer gut
Sergio Loewenberg vom IT-Beratungshaus Neoris macht Nachlässigkeiten in der Qualitätssicherung als Problem aus. Es sei günstiger, Fehler zu vermeiden anstatt Geld und Zeit ins Ausmerzen ihrer negativen Folgen stecken zu müssen. Wer auf hohe Qualitäts-Standards achte, vermeide späteres Nacharbeiten und die Gefahr eines schlechten Rufes.
15. Nicht aus Fehlern lernen
Liz Pearce mahnt außerdem an, mit Hilfe entsprechender Tools eine mehrstündige Analyse nach Ende des Projektes durchzuführen. Nur Teams, die sich des ständigen Lernens verschreiben, seien dazu in der Lage, die Fehler der Vergangenheit in der Zukunft zu vermeiden.
15 Fehler beim Projektmanagement
Es gibt unzählige Wege, ein IT-Projekt an die Wand zu fahren. Unsere amerikanische Schwesterpublikation CIO.com hat 15 davon gesammelt – und verrät dankenswerterweise auch, wie man die Probleme beheben kann. Diese Tipps sind in der Bilderstrecke zu finden.