Patentrechtlicher Musterprozess

Microsoft verklagt TomTom und meint Linux

10.03.2009 von Wolfgang Sommergut
TomTom, Hersteller von Navigationsgeräten, soll gegen acht Patente verstoßen haben. Anhänger freier Software sehen darin den Versuch, den Erfolg von Linux als eingebettetes Betriebssystem zu bremsen.

Microsoft wirft TomTom vor, mit den Linux-basierenden Navigationssystemen sein geistiges Eigentum zu verletzen. Darunter finden sich zwei der berüchtigten Trivialpatente: Eines schützt ganz allgemein die Verwendung eines Allzweck-Computers in Autos, das andere die Nutzung eines solchen mit drahtlosem Internet-Zugang.

Stein des Anstoßes: Die Navigationsgeräte lesen SD-Karten mit FAT-Dateisystem.
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Aus Open-Source-Sicht sind drei weitere angebliche Patentverletzungen brisant, die den Zugriff auf Datenträger mit FAT-Dateisystem betreffen. Die Geräte von TomTom laden das Kartenmaterial über SD-Speicherchips, die in der Regel mit FAT formatiert werden, um mit Windows-PCs kompatibel zu sein. Bruce Berens, ehemaliger Projektleiter von Debian und Mitautor der Open-Source-Definition, argumentiert deshalb, dass die veraltete Technik aus Redmond nur aufgrund von Microsofts Desktop-Monopol zum Defacto-Standard für Wechseldatenträger geworden sei.

FAT, ein DOS-Relikt

Das FAT-Dateisystem ist nicht nur wegen seiner 8-plus-3-Namenskonvention technisch veraltet. Die mit Windows 95b eingeführte Version FAT32 lässt zwar lange Dateikennungen zu, beschränkt die Größe einer Datei aber auf maximal 4 GB. Beim Zugriffsschutz sowie bei der Datensicherheit entspricht es nicht mehr heutigen Anforderungen und wurde deshalb von Microsoft durch NTFS als Standardsystem ersetzt. Da Windows nur wenige Dateisysteme unterstützt und NTFS nicht dokumentiert ist, hat sich FAT trotz seiner Mängel als Austauschformat etabliert. Besonders bei mobilen Datenträgern gilt es als Defacto-Standard, nicht zuletzt weil sich Organisationen wie die SD Association darauf festgelegt haben.

"Nicht gegen Linux gerichtet"

Horacio Gutierrez, Vice President of intellectual property and licensing bei Microsoft, bestreitet, dass sich der Rechtsstreit mit TomTom gegen Linux insgesamt richte. Vielmehr gehe es um Patentverletzungen in der spezifischen Implementierung des Open-Source-Systems, die der holländische Anbieter von Navigationssystemen einsetze. Harald Welte, deutscher Mitentwickler des Linux-Kerns, kommt aber nach eingehender Prüfung des von TomTom verwendeten Codes zum Ergebnis, dass die für den FAT-Zugriff zuständigen Funktionen identisch mit jenen sind, die in jedem Standard-Kernel stecken. Es gebe demnach keine TomTom-spezifischen Anpassungen.

Microsofts Horacio Gutierrez: "Erster patentrechtlicher Prozess gegen Linux".

Das Vorgehen gegen TomTom entspricht der zweigleisigen Strategie, die Microsoft seit einigen Jahren gegen die Open-Source-Konkurrenz fährt. Zwar hatte der Softwarekonzern den Linux-Entwicklern erst vor zwei Jahren vorgeworfen, dass der Kernel gegen mehr als 200 Microsoft-Patente verstoße. Das Unternehmen hat jedoch nie rechtliche Schritte gegen freie Projekte unternommen und übt sich neuerdings in Open-Source-freundlicher Rhetorik.

Firmen, die freie Software in ihre Produkte integrieren, sind dagegen Zielscheibe von Microsofts Anwälten. Unter dem Druck der Regulierungsbehörden kündigte Microsoft 2003 an, anderen Unternehmen und Open-Source-Entwicklern geistiges Eigentum zugänglich zu machen. Zu den damals explizit erwähnten Technologien zählte auch FAT. Im Rahmen dieser Initiative "Open for Business" schloss der Konzern bis Ende letzten Jahres mehr als 500 Abkommen zur Cross-Lizenzierung von Technologien mit anderen Firmen.

Verstöße gegen die GPL

Diese Unternehmen können nun auf das Reverse Engineering von undokumentierten Microsoft-Techniken verzichten und bewegen sich somit auf rechtlich sicherem Terrain. Für Firmen im Open-Source-Umfeld hat dies aber einen Haken: Die GNU Public Licence, der auch Linux unterliegt, verbietet in Sektion 7 die Verwendung von Software, wenn diese etwa aufgrund patentrechtlicher Auflagen nicht uneingeschränkt weitergegeben werden kann. Dies trifft etwa dann zu, wenn Microsoft einem Hersteller exklusiv Rechte einräumt, die nicht automatisch mit dem Code an jeden anderen Nutzer übertragen werden.

Deshalb werden die Abkommen zwischen Microsoft und Open-Source-Firmen in der Regel geheim gehalten, weil sonst der Verstoß gegen die GPL offensichtlich wäre. Gutierrez räumte im Gespräch mit der Computerworld allerdings ein, dass bereits mehrere Linux-Firmen eine FAT-Lizenz von Microsoft erworben hätten.

Welte sieht in Microsofts Doppelstrategie den Versuch, den Vormarsch von Linux als eingebettetes System zu bremsen. Die Lizenzzahlungen der Hardwareanbieter sollten den Preisvorteil des freien Systems gegenüber Windows CE egalisieren und diesem damit bessere Chancen eröffnen. Gleichzeitig vermeidet der Konzern negative PR, indem er auf rechtliche Auseinandersetzung mit der Open-Source-Bewegung selbst verzichtet.