Windows Server 2008 R2

Microsoft steigt in die Desktop-Virtualisierung ein

06.11.2008 von Wolfgang Sommergut
Mit dem Windows Server 2008 R2 ermöglicht Microsoft den Aufbau einer Infrastruktur für virtuelle Desktops (VDI). Die im System enthaltene Broker-Komponente beschränkt sich jedoch auf Basisfunktionen und lässt viel Raum für den Partner Citrix.

Angesichts von Microsofts Plänen zum Aufbau einer umfassenden Virtualisierungsinfrastruktur spekulierten Marktbeobachter schon länger darüber, wann das Unternehmen die letzte Lücke im VDI-Portfolio schließen würde. Mit "Hyper-V" und dem "Virtual Machine Manager" (SCVMM) verfügt das Unternehmen bereits über zwei wesentliche Bausteine für virtuelle Desktops. Der Hypervisor übernimmt die Aufgabe, virtuelle Maschinen (VMs) auf dem Server bereitzustellen, in die das Client-Betriebssystem geladen wird, der SCVMM fungiert als universelles Verwaltungswerkzeug für virtuelle Umgebungen. Bisher mangelte es Microsoft jedoch an einer Komponente, die Benutzer mit ihrem im Backend laufenden virtuellen Desktop verbinden kann.

Auf der TechEd-Konferenz in Barcelona kündigte Microsoft nun den "Remote Desktop Connection Broker" an, so dass zukünftig alle Basisdienste zur Verfügung stehen, um VDI-Lösungen auf der Microsoft-Plattform einrichten zu können. Diese Komponente soll als Teil des Windows Server 2008 R2 ausgeliefert werden, der voraussichtlich im Jahr 2010 auf den Markt kommt.

Ein Broker für Terminaldienste und VDI

Der VDI-Broker stellt eine Erweiterung des bestehenden Session-Brokers dar, der Bestandteil der Terminaldienste ist und Benutzer mit Sitzungen auf dem Terminal-Server verbindet. Diese Komponente wird ihre bisherige Aufgabe auch zukünftig erfüllen und zusätzlich für virtuelle Desktops zuständig sein.

Erste Vorführungen auf der TechEd zeigten jedoch, dass Microsoft nur die grundlegenden Funktionen anbietet und nach eigenem Bekunden damit nur die Anforderungen einfacher Installationen abdeckt. So kümmert sich das System beim Start virtueller Desktops nicht darum, auf welchem physikalischen Host die VM unter dem Gesichtspunkt der Lastenverteilung am besten anlegt wird. Pro Benutzer ist nur ein virtueller Desktop zulässig, allerdings können sie sich an mehreren gemeinsam genutzten virtuellen Windows-PCs ("Pool") anmelden. Der Broker beherrscht auch kein Provisioning, bei dem eine vom Administrator festlegbare Zahl leerer VMs vorab gestartet wird, um die Wartezeit der Benutzer nach dem Anmelden zu verkürzen. Es fehlt zudem an Tools für das Lifecycle Management von virtuellen Desktops.

RDP als Schwachstelle

Der Zugriff auf Terminal-Sessions und virtuelle Desktops erfolgt einheitlich über Microsoft Remote Desktop Protocol (RDP). Die Beschränkungen dieses Protokolls verhindern bisher die akzeptable Ausführung anspruchsvollerer Anwendungen auf dem Terminal-Server, etwa von Video-Playern oder VoIP-Clients. Das Benutzererlebnis von virtuellen Desktops wird wesentlich davon abhängen, ob Microsoft RDP in der Version 7 deutlich verbessert. Diese für den Windows Server 2008 R2 geplante Ausführung soll daher eine Reihe neuer Möglichkeiten bieten.

Beim Zugriff auf virtuelle Desktops erweist sich RDP als wesentliche Schwachstelle, die das Benutzerlebnis deutlich trüben kann.

Zu den Verbesserungen zählt etwa, dass Videos auf Basis von DirectShow nicht mehr am Server abgespielt und auf den Client übertragen, sondern auf das Endgerät heruntergeladen und dort vom Windows Media Player oder dem Real Player ausgeführt werden. Damit entfällt das in bisher störende Ruckeln in der Wiedergabe bewegter Bilder.

Allerdings greift dieses Feature nicht für Player, die in Flash oder Microsofts eigenem Silverlight entwickelt wurden. Hier soll erst die nachfolgende RDP-Version Verbesserungen bringen, wenn die über den Kauf von Calista erworbene Technik integriert wird. Weitere Fortschritte verspricht Microsoft bei der Unterstützung mehrerer Monitore und von Sprachanwendungen mit Mikrofon, sowie beim Ausdruck auf lokalen Printern.

Arbeitsteilung mit Citrix

Angesichts der rudimentären Infrastruktur für virtuelle Desktops, die Microsoft ohnehin erst in zwei Jahren anbieten wird, baut das Unternehmen wie schon bei den Terminaldiensten auf seinen engen Verbündeten Citrix. Die kürzlich nun auf "Remote Desktop Services" umgetauften Dienste reichen für die meisten größeren Installationen trotz diverser Updates bis heute nicht aus, so dass viele Unternehmen die Erweiterungen von Citrix in Anspruch nehmen.

Der Presentation Server (neuerdings "XenApp") bietet nicht nur zusätzliche Möglichkeiten bei der Administration und dem Publizieren von Anwendungen, sondern bringt in Form von ICA ein eigenes Protokoll mit, das RDP gerade bei schmalbandigen Verbindungen deutlich überlegen ist.

Die bei den Terminal-Services über Jahre praktizierte Arbeitsteilung bezeichnen Microsoft und Citrix explizit als Vorbild für ihre Kooperation bei VDI. XenDesktop ergänzt die in Windows enthaltenen Basisdienste um Managementfunktionen und bietet ICA alternativ zu RDP auch für den Zugriff auf die im Backend laufenden Windows-Clients. Die Software von Citrix unterstützt virtuelle Desktops nicht nur auf Basis des hauseigenen Hypervisors "XenServer", sondern auch auf Hyper-V. Zudem integriert es seine Management-Funktionen in den SCVMM.

Die auf der TechEd bekräftigte Partnerschaft führt das von den beiden Unternehmen geschlossene Abkommen zur engen Kooperation bei Virtualisierungstechniken fort, mit der Microsoft und Citrix ihre Kräfte gegen den Marktführer VMware bündeln möchten.

Aufwertung der Terminaldienste

Die im Rahmen der VDI-Ambitionen notwendig gewordenen Verbesserungen von RDP, die ein einigermaßen akzeptables Benutzererlebnis gewährleisten sollen, kommen auch den Anwendern der Remote Desktop Services zugute. Microsoft möchte diese in Windows Server 2008 R2 auch anderweitig aufwerten. So soll es dann möglich sein, über die Systemsteuerung Verknüpfungen mit entfernten Anwendungen im Startmenü anzulegen, so dass die Verteilung von .msi-Paketen für diesen Zweck entfällt. Außerdem können dann Programm-Icons von Anwendungen, die auf mehreren Servern verteilt laufen, unter der Web-Oberfläche ("TS Web Access") auf einer Seite zusammengeführt werden.

Es wird aber weiterhin nicht möglich sein, Symbole nur für bestimmte Benutzer oder Gruppen anzuzeigen. Trotz der erwarteten Verbesserungen der Terminaldienste in Windows Server 2008 R2 werden viele Firmen auch weiterhin zu XenApp greifen - noch dazu, wo die geplanten Neuerungen von RDP 7 voraussichtlich nur Windows 7 zugute kommen sollen.