Social Collaboration ist eines der großen Hype-Themen der IT-Branche. Als Vertreter der klassischen Office-Collaboration schien Microsoft hier den Anschluss etwas verpasst zu haben. Doch mit Sharepoint 2013, Office 365 und dem Neuerwerb Yammer hat sich der Softwarekonzern neu positioniert und predigt Social Business und die Cloud als zentrale Treiber der IT-Modernisierung. Die Botschaft kommt inzwischen auf breiter Front an und fällt auch im Mittelstand auf fruchtbaren Boden.
Trotzdem dominieren weiterhin die Brot-und-Butter-Themen die Prioritätenliste, wenn es um Anwendungsprojekte mit Sharepoint geht. Dieser Trend wurde auch auf der Fachveranstaltung SharepointForum Stuttgart 2013 bestätigt, die kürzlich parallel zur IT & Business-Messe stattfand. Konferenzleiter Arno Hitzges von der Hochschule der Medien Stuttgart untermauerte diese Eindrücke mit einer aktuellen Studie. Sie trägt den Titel "SharePoint im Mittelstand. Was denken die Anwender?" und wurde von seinem Institut betrieben.
Im Video: Neuerungen in SharePoint 2013
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Das komplette Videotraining können Sie sich bei video2brain ansehen. (Trainerinnen: Dagmar Herzog, Nadja Schäfer, Sara Unverhau)
Zögern bei Social Networking und Business Intelligence
Zur zentralen Erkenntnis der Befragung zählt, dass Anwender bei Social Collaboration sowie Business Intelligence derzeit noch Zurückhaltung üben. Im Bereich klassischer Collaboration verzeichnet Sharepoint hingegen eine starke Nutzung. Dabei setzten 71 Prozent der Unternehmen auf Teamsites, 54 Prozent auf Wikis und 38 Prozent auf virtuelle Teamräume, um damit Altlasten wie Abteilungslaufwerke abzulösen oder prozessorientierte CRM- und ERP-Systeme besser zu integrieren. Generell ergab die Untersuchung hohe Zufriedenheitswerte mit der Microsoft-Plattform. So planen 84 Prozent kurz- oder langfristig Collaboration-Lösungen auf Sharepoint-Basis, 79 Prozent wollen Wissens-Management, 72 Prozent Dokumenten-Management und 65 Prozent Intranets implementieren.
Social Collaboration ist mehr als Facebook
Mit den Gründen für die Ablehnung von Social Collaboration im Mittelstand und einem möglichen Lösungsweg hat sich Frank Wolf von T-Systems Multimedia Solutions befasst. Seine zentrale Erkenntnis dazu lautet, dass in Unternehmen oft eine Diskrepanz zwischen der Erwartungshaltung und dem tatsächlichen Einsatz- sowie Nutzenpotenzial besteht. Laut Wolf ist der Hype-Faktor die Ursache dafür: "Social Collaboration wird nach wie vor als Facebook für Unternehmen verkauft, und damit stempeln es Entscheider fälschlicherweise als unproduktive Spiel- und Unterhaltungslösung ab."
Um den echten Mehrwert von Social Collaboration für das Unternehmen zu erkennen, teilt Wolf den Themenkomplex in drei Kernbereiche auf:
den Bereich Information und offizielle Kommunikation,
den Sektor Communities und Vernetzung sowie
den Komplex Zusammenarbeit und Projekte.
Diese drei Bereiche qualifiziert er nach den drei Kriterien
Nutzenpotenzial,
Planbarkeit und
Hype-Faktor.
Dabei kommt Wolf zu dem Ergebnis, dass die Gebiete Zusammenarbeit sowie Vernetzung über den geringsten Hype-Faktor und somit vordergründig wenig Vermarktungspotenzial verfügen, dafür allerdings den größten Nutzen im Unternehmen stiften können. Der Nutzwert wie auch die Planbarkeit der gehypten Community- und Vernetzungsfunktionen hingegen sei im Vergleich geringer, so dass der Experte Unternehmen klar eine Fokussierung auf Zusammenarbeit empfiehlt, um Social Collaboration zum Erfolg zu führen.
Bayer-Tochter: Trainingsportal mit Sharepoint
Ein Sharepoint-Projekt in ganz klassischer Manier hat Jürgen Evers von Bayer Material Science (BMS) vorgestellt. Die Bayer-Tochter, die mit gut 14.000 Mitarbeitern weltweit Spezialkunststoffe herstellt, stand vor der Herausforderung, die Mitarbeiter an den internationalen Standorten besser auf die Arbeit an den Produktionsanlagen trainieren zu müssen.
Bereits seit 2008 läuft dazu das Qualifikationsprogramm "Fit in Production" (FIP), das das Führungspersonal vor Ort mit Methoden und Werkzeugen ausrüsten soll, um Trainingsdokumentationen zu erstellen und zu verwalten. Während in den ersten beiden Vorprojekten Methoden der Weiterbildung entwickelt und Lehrpläne erstellt wurden, ging es im dritten Projektschritt um die technische Implementierung des Wissens-Management-Systems. Im Kern steht mit der FIP DB eine Datenbank zur Verfügung, die das Wissens-Management inklusive der dazugehörenden Workflows abbilden soll.
Bei der Umsetzung entschied sich das Team von Evers für Sharepoint 2010 als Portalplattform, mit der die verschiedenen Anwendungen und Bedienoberflächen den Benutzern an beliebigen Clients bereitgestellt werden. Unterstützt wurde Bayer dabei vom Stuttgarter Sharepoint- Spezialisten Infoman AG.
Der Startbildschirm zeigt einige Charakteristika der Lösung. So integrierten die Entwickler beispielsweise eine Lync-Schnittstelle, die in Form eines Webparts in der rechten Seitenleiste unten mit dem Titel "FIP-Members" erscheint. Hier haben Anwender die Möglichkeit, Kontakt mit FIP-Projektmitgliedern aufzunehmen - mit den üblichen Lync-Methoden wie Instant-Messages oder Audio-Konferenz. Die farbliche Markierung zeigt den Präsenzstatus an, also ob die betreffende Person gerade verfügbar ist. Gut erkennbar sind auch die weiteren Funktionen wie Dokumenten-Management und der Zugang zu Trainingsmaterialien.
Trainer helfen Trainern
Der Screenshot zeigt eine weitere wichtige Funktion, die im Rahmen des FIP-Projekts umgesetzt wurde - nämlich den Dialog zum prozessgesteuerten Erstellen von Trainer-Skripts:
Ausbilder haben hier die Möglichkeit, eigene Anleitungen zu erstellen, wobei die Struktur der Eingabemasken dafür sorgt, dass der Aufbau nach den definierten Standards erfolgt. Als weitere Besonderheit hebt Evers hervor, dass diese Sharepoint-Masken Hilfsfunktionen bereitstellen, über die andere Trainer zur Unterstützung konsultiert werden können. Die Idee dabei ist, dass sie über alle Standorte hinweg ihre Erfahrungen einbringen.
Ein Sharepoint-geführter Workflow sorgt dafür, dass bei der Erstellung von neuen Trainings, Drehbüchern und Materialien die vordefinierten Abläufe eingehalten werden. Bayer Material Science konnte mit dieser Lösung eigenen Angaben zufolge die Qualität seiner Produktionstrainings deutlich steigern und insbesondere den Austausch der weltweit verteilten Trainer und Multiplikatoren untereinander ausbauen.
Modernisierte Produktprozesse bei GEZE
Die GEZE GmbH im schwäbischen Leonberg ist ein Maschinenbauunternehmen mit langer Tradition. Im Zuge einer umfassenden Modernisierung und Verbesserung der Produktprozesse stand die Einführung einer neuen IT-Plattform auf der Agenda.
Für das Initialprojekt wählte das Team um Produktionsleiter Ulrich Heeger den Teilprozess "Änderungsmitteilung" aus. Per Änderungsmitteilungen werden bei GEZE alle Produktänderungen und Neueinführungen dokumentiert, wobei die daraus resultierenden Aufgaben, angefangen beim Einkauf über die Produktion und den Vertrieb bis zum Marketing rund 200 Mitarbeiter betreffen. In der Vergangenheit liefen die rund 300 parallel laufenden Änderungsmitteilungen über Word- und Excel-Dokumente ohne systemgestützten Ablauf.
Das brachte auch Intransparenz und Prozessverzögerungen mit sich, im schlimmsten Fall führten kleine Benutzerfehler in Excel zu Verzögerungen im Gesamtprozess bis hin zu einem möglichem Auslieferungsverzug.
Entscheidung zwischen SAP und Sharepoint
Bei Projektbeginn standen zwei Plattformen als mögliche Lösungsszenarien zur Auswahl. Die ursprünglich von Heeger bevorzugte Lösung sollte auf SAP-Basis realisiert werden, als Alternative brachte der IT-Leiter Sharepoint ins Spiel. Vorteile der SAP-Variante wären das umfangreiche Know-how aufgrund des langjährigen Einsatzes von SAP als Kernsystem gewesen. Somit wäre auch eine Verzahnung mit anderen Prozessen wie PLM einfacher zu realisieren gewesen.
Als Pluspunkte für Sharepoint nannte Heeger das modernere User Interface, integrierte Workflows, den geringeren Programmieraufwand und die schnellere Umsetzung. Außerdem gab es bereits kleinere Workflows auf Sharepoint-Basis, so dass unter dem Strich nicht zuletzt aus Kostengründen der Microsoft-Partner Evocom den Zuschlag erhielt.
Zentrale Steuerung und Automatisierung der Workflows
Mit der neuen Sharepoint-Lösung laufen nun alle Änderungsprozesse in einem zentralen Steuerungssystem zusammen, das über Listen und Dashboards ständig einen Gesamtüberblick liefert. Als wesentliche Vorteile führt der Produktionsleiter vor allem mehr Transparenz, dynamische Workflow-Erstellung und die automatische Übernahme von SAP-Daten auf, die zusammen deutliche Zeitersparnisse bringen.
Auch die Terminplanung über den Gesamtprozess hinweg wurde zuverlässiger, und als weitere Pluspunkte nennt Heeger die Mehrsprachigkeit, den Zwang zur Prozesseinhaltung, mehr Arbeitskomfort, systematische Priorisierung und klare Verantwortlichkeiten. Nach der erfolgreichen Umsetzung wird GEZE auch die anderen sieben Prozessteile im firmenweiten "PEP"-Prozess auf die neue Plattform migrieren. (pg)
Die drei Sharepoint-Todsünden
Arno Hitzges von der Hochschule der Medien Stuttgart hat die über 100 Teilnehmer des SharepointForum 2013 nach Sharepoint-Todsünden befragt. Die Befragung brachte die folgenden drei größten Fehler beziehungsweise Missverständnisse im Einsatz mit Sharepoint ans Licht:
1. Fehlende Governance und unmethodisches Vorgehen:
Sharepoint verleitet zum Rapid Prototyping, um Anwendungen schnell zu bauen. Aufgrund der Komplexität des Tools führt ein solches Vorgehen aber ohne klare Planung und Regelwerk zu einem Wildwuchs und schließlich zu Frustration bei den Anwendern. Unkoordiniertes Vorgehen bringt auch im Zusammenhang mit Team-Sites Probleme: Wenn jedes Mitglied ohne Regeln eigene URLs vergibt, resultiert daraus ein Wirrwarr in der Navigation. Und auch der Einsatz mehrerer Sharepoint-Instanzen im Unternehmen setzt zwingend klare Richtlinien voraus, weil sich Sharepoint-Anwendungen sonst gegenseitig blockieren und Konzepte wie zum Beispiel Single-Sign-on nicht durchgängig umgesetzt werden können.
2. Ohne Schulung eingeführt, Nutzer alleine gelassen
Fehlendes oder zu geringes Budget für Helpdesk und Nutzerschulungen erschwert Sharepoint-Einführungen. Oft scheitern die Anwender dann bereits bei typischen kleinen Problemen im Alltag wie gefilterten Ansichten. Einfache Tipps vom Helpdesk reichen in solchen Situationen aus, um den Anwendern weiterzuhelfen und kleine Probleme nicht zu größeren aufschaukeln zu lassen. Idealerweise übernimmt derartige Aufgaben ein internes Team, da die Abrechnung über Dienstleister schwierig sein kann.
3. Fehlende Berechtigungskonzepte
Ein immer wiederkehrendes Problem im Einsatz von Sharepoint sind fehlende oder unausgereifte Berechtigungskonzepte. Typisches Kennzeichen dafür ist, dass Benutzer auf Bibliotheken oder Dokumente nicht zugreifen können, obwohl diese eigentlich freigegeben sind. Solche Zugriffsblockaden führen sehr schnell zu verärgerten Anwendern und in der Folge zu Akzeptanzproblemen der Plattform. Oft behilft man sich mit Workarounds, die jedoch zu unkontrollierbaren Situationen und massiven Sicherheitslücken führen. Aus IT-Sicht ist daher ein von Grund auf durchdachtes und leicht zu managendes Sicherheitskonzept unabdingbar.