Microsoft schickt AdCenter gegen Google ins Rennen

04.05.2006
Microsoft macht ernst mit seinem eigenen System zur Verwaltung von Keyword Advertising im Suchumfeld.

Es präsentiert seine neue Lösung heute vor hunderten von Werbekunden beim MSN Strategic Account Summit. Steve Ballmer und Bill Gates werden dazu im eigens angemieteten Safeco Field, dem Stadion der Seattle Mariners, auftreten. Seit dem letzten Quartal liefert Microsoft in den USA bereits die meisten Kontextanzeigen auf MSN Search beziehungsweise neuerdings Windows Live Search über AdCenter aus. Jetzt wird der komplette US-Betrieb umgestellt. AdCenter kommt außerdem exklusiv schon in Frankreich und Singapur zum Einsatz, Tests in Großbritannien sollen nächsten Monat beginnen.

Microsoft will vom Boom profitieren

In den USA gaben Firmen laut Internet Advertising Bureau im vergangenen Jahr 5,1 Milliarden Dollar für Anzeigen in Suchergebnissen aus, 31 Prozent mehr als ein Jahr zuvor (siehe "US-Online-Werbung wächst 2005 um 30 Prozent"). Microsoft versucht nun, sein traditionelles Softwaregeschäft mit Online-Werbung zu kombinieren. Tarek Najm, der für AcCenter zuständige General Manager, nennt das Produkt "die nächste große Umsatzmaschine für das Unternehmen".

Dabei geht es nicht nur um Wachstum. Microsoft hat erkennen müssen, dass das Werbemodell eine Gefahr für sein Kerngeschäft darstellt. Firmen wie Google bieten inzwischen Programme wie Textverarbeitung, Kalender oder E-Mail kostenlos an, die wichtige Quellen von Microsofts Umsatz und Gewinn sind - ein Grund, warum Gates und Ballmer Ende 2004 einer zunächst Handvoll von Entwicklern grünes Licht zum Aufbau von AdCenter gaben.

Riesige Investitionen

Inzwischen arbeiten daran mehrere hundert Ingenieure und Forscher. Das System läuft auf mehr als 500 dicken Servern an zwei Standorten im Silicon Valley und in der Firmenzentrale im Seattler Vorort Redmond. Anfänglich soll AdCenter nur Search Advertising leisten. Später soll es aber wohl auch Werbung in Videospiele (siehe "Microsoft will Start-up Massive kaufen") und auf Fernsehbildschirme ausliefern.

Microsofts Aktionären gefällt das nicht unbedingt. Sie mussten vergangene Woche überrascht zur Kenntnis nehmen, dass der Konzern im nächsten Geschäftsjahr erheblich mehr Geld - Analysten tippen auf rund zwei Milliarden Dollar - für neue Entwicklungen inklusive Suche und Online-Dienste ausgeben will. Aus Sicht von Microsofts Senior Director kann man die Anstrengungen im Bereich Online-Werbung mit dem Aufbau einer neuen Firma vergleichen. "Ich bin zuversichtlich, dass wir die richtigen Investitionsentscheidungen treffen", sagte der Microsoft-Mann.

Die Konkurrenz schläft nicht

Microsoft hat AcCenter bislang mit rund 6000 ausgewählten Testkunden betrieben. Ab dieser Woche steht es allen Werbetreibenden in den USA offen. Mit dem Roll-out lässt der Konzern die Nutzung des Service von Yahoo! auslaufen, der die Versteigerung der Werbung erledigte, solange Microsoft seine eigene Lösung noch aufbaute.

Natürlich sind die beiden wichtigsten Wettbewerber Google und Yahoo! derweil auch nicht untätig. Yahoo! hatte im Jahr 2003 den Pionier von Suchvermarktung Overture Services übernommen. Es will seine Lösung deutlich verbessern, nachdem es zuletzt immer stärker hinter Google zurückgefallen war (laut Majestic Research erzielt Google mit jeder Suchabfrage durchschnittlich 50 Prozent mehr Umsatz als Yahoo!). Im zweiten Halbjahr wolle Yahoo! unter anderem eine verbesserte Formel für die Einblendung von Werbung einführen und Kunden außerdem die Möglichkeit bieten, gezielter Nutzer in bestimmten Geographien anzusprechen, zitiert das "Wall Street Journal" einen Insider.

Google hatte schon 2004 das 18-monatige Projekt "Revenue Force" gestartet, in dessen Rahmen die Algorithmen optimiert wurden, die darüber entscheiden, welche Anzeigen bei eine Suchabfrage eingespielt werden und in welcher Reihenfolge diese erscheinen. "Wir sind sehr zuversichtlich nicht nur angesichts unseres aktuellen Produkts, sondern auch was unsere künftigen Innovationszyklen angeht", gibt sich Tim Armstrong selbstbewusst, Googles Vice President for Advertising Sales.

Die Masse macht's

Microsoft jedenfalls muss nun erst einmal möglichst viele Werbekunden für seine Seite gewinnen, seinen Marktanteil bei der Internet-Suche ausbauen und andere Sites als AdCenter-Kunden rekrutieren. Denn bei der Online-Werbung spielen Skaleneffekte eine zentrale Rolle. An je mehr Orten Anzeigen platziert werden, desto höher die Chance, dass ein Verbraucher sie anklickt. Je mehr die Anzeigen geklickt werden, desto mehr Werbekunden lockt das System an. Und je mehr Werbekunden, desto höher die Preise, die der Plattformanbieter mit seinen Keyword-Auktionen erzielen kann,

Um AdCenter technisch aufzuwerten, hat Microsoft außerdem die in Privatbesitz befindliche Web-Analytics-Firma DeepMetrix gekauft. Deren Auswertungstechnik soll in künftige AdCenter-Versionen integriert werden. (tc)