Windows-Server-Suiten für kleine und mittelständische Unternehmen haben bei Microsoft eine lange Tradition. Der erste Small Business Server 4.0 erblickte bereits 1997 das Licht der Welt, weitere Produktversionen folgten im Laufe der Jahre. Seit Herbst 2008 war die vorige Version "Windows Small Business Server 2008" auf dem Markt. Nachdem sich die darin enthaltenen Komponenten noch auf dem Level von Windows Server 2008 befinden, wurde es Zeit für eine Auffrischung, für die Microsoft die Bezeichnung "Small Business Server 2011" (SBS 2011) gewählt hat. SBS 2011 gibt es in zwei Varianten sowie einem Add-On-Angebot, das die Funktionalität der beiden Ausführungen erweitert.
Windows Small Business Server 2011 Standard
Die unter dem Codenamen "SBS 7" entwickelte Standard-Edition der neuen Server-Suite, die kurz vor Weihnachten 2010 den finalen Status erreicht hat, kommt mit bis zu 75 Benutzern respektive Geräten zurecht, für die jeweils eine eigene Client-Zugriffslizenz (CAL) erforderlich ist. Zum Lieferumfang der Server-Lizenz gehören fünf solcher Clienz-Lizenzen. Mit dem Erwerb der Server-Lizenz erhält der Käufer übrigens auch ein Downgrade-Recht auf SBS 2008 Standard.
Technisches Fundament ist die aktuelle Version "Windows Server 2008 R2". Ihr stehen "Exchange Server 2010 Standard SP1" als E-Mail-Lösung sowie "Windows SharePoint 2010 Foundation" für die webbasierende Zusammenarbeit zur Seite. Ebenfalls mit an Board sind die "Windows PowerShell 2.0" und "Windows Server Update Services 3.0 SP2".
Auf diese Weise bringt Microsoft seine integrierte SBS-Server-Suite auf den aktuellen Stand der Technik, was sich an vielen Stellen bemerkbar macht. Beispielhaft für die Unterschiede zum Vorgänger ist der Web-Zugriff auf Exchange-Konten. Die Premium-Benutzeroberfläche des "Outlook Web Access" (OWA), dessen Look-and-Feel dem Mail-Client von Outlook 2010 ähnelt, läuft wahlweise in den Web-Browsern Internet Explorer (Versionen 7, 8 oder 9) sowie Firefox 3, Apples Safari und Googles Chrome. Exchange-OWA-Nutzern werden Nachrichten mitsamt der zugehörigen Antworten als Unterhaltungsansicht gruppiert angezeigt. Des Weiteren können Anwender ihre Kalender im iCalendar-Format via Internet veröffentlichen. Damit können externe Geschäftspartnern beispielsweise Termine in "Google Calendar" übernehmen.
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Systemanforderungen auf neuem Niveau
Die neuen Funktionen sowie der ressourcenintensive Exchange Server 2010 fordern ihren Tribut. Die Server-Hardware benötigt mindestens einem Quad-Core-Prozessor und mindestens acht GB Arbeitsspeicher, wobei der Hersteller zehn GB RAM empfiehlt. Die CPU muss x64-fähig zu sein, schließlich ist das Windows-Server-2008-R2-Fundament gar nicht mehr in 32-Bit-x86-Architektur erhältlich. Für Unternehmen, die vorhandene Hardware verwenden möchten, kann das problematisch sein. Manche Server lassen sich nicht mehr so nachrüsten, dass sie die Systemanforderungen erfüllen.
Die Neuinstallation während unserer Tests auf ausreichend dimensionierter Hardware geht gewohnt leicht von der Hand. Wenige Angaben zu Namen und Netzwerk reichen raus, Assistenten erledigen den Rest. Nach mehreren automatischen Neustarts ist das Aufspielen der Server-Software nach rund einer halben Stunde erledigt. Daraufhin empfängt den Administrator die überarbeitete SBS-2011-Standard-Konsole, von wo aus sich alle weiteren Einrichtungs- und Verwaltungsaufgaben erledigen lassen.
Windows Small Business Server 2011 Essentials
Seiner renovierten Standard-Edition hat Microsoft eine schmalere Version zur Seite gestellt: "Windows Small Business Server 2011 Essentials" (Code-Name "Aurora"), ist ebenfalls für kleine und mittelständische Unternehmen konzipiert. Generell ist diese Ausführung auch auf einfache Bedienung getrimmt. Das unter der Haube werkelnde Active Directory tritt beispielsweise für Anwender erst gar nicht zutage. Die Komplexität des Verzeichnisdienstes wird vom Essentials-Dashboard und weiteren integrierten Tools geschickt abstrahiert.
Doch die Essentials-Edition folgt einer anderen Ausrichtung als die Standard-Variante von SBS 2011. Sie unterstützt maximal 25 Benutzer, außerdem sind für Essentials keine separaten Client-Zugriffslizenzen erforderlich. Am deutlichsten treten die Unterschiede jedoch beim Funktionsumfang zutage: Die Essentials-Ausführung verfügt weder über einen Exchange- noch über einen SharePoint-Server. Das ist auch so gewollt: Essentials-Kunden sollen E-Mail- und Kollaborationsdienste über die Cloud beziehen, beispielsweise in Form von "Microsoft Office 365". Dazu hat Microsoft eine Single-Sign-On-Funktion für die lokale SBS-Domäne und Office 365 eingerichtet. Geplant sind Add-Ins für das Dashboard von SBS 2011 Essentials. Sie sollen eine einheitliche Verwaltung von lokalen On-Premise-Funktionen und der gehosteten Office-365-Infrastruktur schaffen.
Connector-Software und Launchpad
Der im Test verwendete englische Release Candidate von SBS 2011 Essentials wurde noch ohne diese Erweiterung ausgeliefert. Möglicherweise enthalten die finale Version sowie das endgültig freigegebene Office 365 die entsprechenden Funktionen.
Interessanterweise hat SBS 2011 Essentials so manches Feature zu bieten, das der größeren Standard-Version fehlt: Ein Beispiel dafür ist die automatische, tägliche Datensicherung von Client-PCs auf dem zentralen Server. Dazu wird auf dem Client eine per Web-Browser vom Server herunterzuladende Connector-Software installiert, die den Computer überwacht und ihn zur Datensicherung sogar aus dem Stromspar-Schlaf erwecken kann. Die Connector-Software steht übrigens nicht nur für Microsoft-Betriebssysteme, sondern auch für Mac OS X zur Verfügung.
Dagegen ist das ebenfalls zur Connector-Software gehörende Launchpad nur den Windows-Clients vorbehalten. Dieses bietet direkten Zugriff auf die Dashboard-Funktionen des Essentials-Servers und soll sich Microsoft zufolge etwa von Drittherstellern leicht um zusätzliche Funktionen erweitern lassen.
Premium-Funktionalität als Add-On
Sowohl für die Standard- als auch die Essentials-Edition lassen sich mit Hilfe der "Premium Add-Ons" erweitern. Das Paket enthält eine separate Lizenz von Windows Server 2008 R2 Standard sowie den "SQL Server 2008 R2 Standard Edition for Small Business". Damit können Anwender ein weiteres Server-System etwa für Datenbank- und Branchenanwendungen oder als Hyper-V- und Remotedesktop-Sitzungs-Host einrichten. Ebenso lassen sich die Office-Web-Apps aufspielen, falls das Unternehmen über eine passende Office-2010-Lizenz verfügt. Im Zweigstellenbetrieb ist das zusätzliche Systems zudem als BranchCache-Server verwendbar, um Datei- und Web-Zugriffe der dortigen Windows-7-Benutzer auf Inhalte der Zentrale zu beschleunigen (mit Vista- oder XP-Clients funktioniert das aber nicht).
Der wohl größte Vorteil des neuen Premium Add-Ons liegt aber in der Flexibilität: Unternehmen müssen sich nicht mehr wie noch beim SBS-Vorgänger bereits beim Kauf für oder gegen die Funktionen entscheiden. Das Erweiterungspaket kann im Betrieb bei Bedarf nachgerüstet werden, um damit zusätzliche Anforderungen zu realisieren - und wer möchte, kann das Premium Add-On auch mehrfach erwerben, um das SBS-Firmennetz um mehrere zusätzliche Windows-Server zu erweitern.
Server-Alternativen
Kleine und mittelständische Unternehmen, die sich für einen Windows-Server interessieren, haben die Qual der Wahl. Microsoft bietet neben den Versionen "Standard" und "Essentials" des "Small Business Server 2011" weitere Produkte an, die - je nach Einsatzszenario - als probate Server-Alternative in Betracht kommen.
"Windows Storage Server 2008 R2 Essentials" (Codenamen "Breckenridge") ist für die zentrale Speicherung und Datensicherung von Servern und PCs vorgesehen. Dieses für den Headless-Betrieb ohne Tastatur, Maus und Monitor gestaltete Server-Betriebssystem weist eine enge technische Verwandtschaft zu Windows Small Business Server 2011 Essentials sowie zu dem auf Heimanwender zugeschnittenen "Windows Home Server 2011" (Codename "Vail") auf. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn schließlich gehört das Produkt derselben Betriebssystemfamilie an, die firmenintern bei Microsoft unter der Bezeichnung "Colorado" läuft. Damit teilt auch Breckenridge dasselbe Schicksal, das schon Aurora und Vail ereilt hat: Das prominente, in der Betaphase noch existente Feature "Drive Extender" zur leichten Erweiterung des Festplattenspeichers ist im finalen Produkt nicht enthalten. Weil diese Funktion durch gleich zwei subtile Datenzerstörungs-Bugs negativ in die Schlagzeilen geriet, hat Microsoft diese Funktion entfernt.
Geliefert wird Windows Storage Server 2008 R2 Essentials aber nur an Hardwarehersteller, die damit ihre NAS-Boxen (Network Attached Storage) ausstatten. Dasselbe trifft auf einen weiteren Alternativkandidaten zu: "Windows Server 2008 R2 Foundation" gibt es nur vorinstalliert von Server-Anbietern. E-Mail- und Collaboration-Funktionen sucht der Interessent dort aber vergebens, sodass hierfür Zusatzlösungen erworben und einzeln installiert sowie konfiguriert werden müssen. Zudem lässt die Foundation-Edition maximal 15 Benutzer zu und verzichtet komplett auf Merkmale wie die Hyper-V-Virtualisierung. Unternehmen, die darauf Wert legen, müssen zur Standard- oder einer höheren Edition des regulären Windows Server 2008 R2-Produkts greifen.
Rundumpaket für KMUs
Der Windows Small Business Server 2011 ist auf dem aktuellen Stand der Technik. Viele der Neuerungen sind nützlich und rechtfertigen eine Anschaffung. Für kleine Geldbeutel verspricht Microsoft mit der Essentials-Edition eine interessante Kombination aus On-Premise- und Cloud-Funktionen. Allerdings fällt die tatsächliche Preiskalkulation hier schwer, denn neben den Lizenzkosten fallen monatliche Gebühren für die Hosting-Dienste an. (jha)
Windows Small Business Server im Vergleich
Merkmal |
Windows Small Business Server 2011 Standard |
Windows Small Business Server 2011 Essentials |
Art |
All-in-One-Windows-Serversuite (On-Premise) |
Windows-Serversuite (Cloudservice für einige Funktionen) |
Maximal unterstützter Arbeitsspeicher |
32 GB |
32 GB |
Maximale Anzahl von CPU-Sockets |
2 |
2 |
Maximale Anzahl von Benutzern |
75 |
25 |
Domänenfunktionalität im Active Directory |
Domänencontroller |
Domänencontroller |
Remotewebzugriff |
Ja |
Ja |
Clientsicherung |
Nein |
Ja |
Verwendbarkeit als Remotedesktop-Sitzungshost |
Nein (nur über Premium Add-On) |
Nein (nur über Premium Add-On) |
Verwendbarkeit als Hyper-V-Host |
Nein (nur über Premium Add-On) |
Nein (nur über Premium Add-On) |
WSUS 3.0 SP2 enthalten |
Ja |
Nein |
Exchange Server 2010 SP1 enthalten |
Ja |
Nein |
SharePoint Foundation 2010 enthalten |
Ja |
Nein |
Merkmal |
Windows Storage Server 2008 R2 Essentials |
Windows Server 2008 R2 Foundation |
Windows Server 2008 R2 Standard |
Art |
Storage-Appliance-Betriebssystem |
Serverbetriebssystem für kleine Umgebungen |
Serverbetriebssystem für Unternehmen und Abteilungen |
Maximal unterstützter Arbeitsspeicher |
8 GB |
8 GB |
32 GB |
Maximale Anzahl von CPU-Sockets |
1 |
1 |
4 |
Maximale Anzahl von Benutzern |
25 |
15 |
Unbegrenzt |
Domänenfunktionalität im Active Directory |
Domänencontroller |
Domänencontroller (nur Stammdomäne) |
Domänencontroller |
Remotewebzugriff |
Ja |
Nein |
Nein |
Clientsicherung |
Ja |
Nein |
Nein |
Verwendbarkeit als Remotedesktop-Sitzungshost |
Nein |
Ja |
Ja |
Verwendbarkeit als Hyper-V-Host |
Nein |
Nein |
Ja |
WSUS 3.0 SP2 enthalten |
Nein |
Nein |
Nein |
Exchange Server 2010 SP1 enthalten |
Nein |
Nein |
Nein |
SharePoint Foundation 2010 enthalten |
Nein |
Nein |
Nein |