Surface und Windows 8

Microsoft misstraut den Partnern

21.06.2012 von Joachim Hackmann
Der Softwarekonzern nimmt die Surface-Fertigung selbst in die Hand und verprellt Partner. Das Kalkül: Der Erfolg soll nicht länger allein in den Händen fremder Hardwarehersteller liegen.

Anfang dieser Woche hat Microsoft sich einmal mehr als Hardware-Company in Stellung gebracht. Der Softwarekonzern wird ein hybrides Notebook-Tablet-Gerät in zwei Versionen auf den Markt bringen, eines mit ARM-Prozessoren und Windows RT, eines mit Intel-Chips und Windows 8 (siehe Microsoft baut eigene Tablet-PCs für Windows 8). Die neuen Modelle werden ungefähr zeitgleich mit dem neuen Betriebssystem auf dem Markt erscheinen, also etwa im Herbst 2012. Zur Preisgestaltung konnte oder wollte Microsoft noch nichts sagen, sie würde "wettbewerbsfähig mit vergleichbaren ARM-Tablets und Ultrabooks sein", teilte das Unternehmen lediglich mit. IDC rechnet mit Preisen zwischen 400 und 500 Dollar, also vergleichbar mit den Preisen des iPad2 und günstigen iPad3-Geräten.

Viel Raum für Spekulationen bietet folglich die künftige Beziehung zu den Partnern. Microsoft hat zwar jahrelange Erfahrung im Hardwaremarkt, das Unternehmen verkauft erfolgreich Mäuse, Tastaturen und die Spielekonsole Xbox. Dem stehen aber auch krachende Pleiten im Hardwaregeschäft gegenüber: Der MP3-Player "Zune" wurde in einen aussichtslosen Kampf gegen Apples iPod geschickt, und auch das Microsoft-Handy "Kin" scheiterte an starker Konkurrenz. Doch die bisherigen Hardwareaktivitäten drangen nie in den Kern von Microsofts Partnerbeziehung vor, die vor allem auf das Geschäft mit Windows-basierenden Arbeitsplatzrechnern und Productivity-Funktionen beruht.

"Produkte im PC-Markt herauszubringen, ist etwas ganz anderes", warnt IDC. "Es zeigt im Grunde, dass das Unternehmen nun das veränderte Käuferverhalten akzeptiert, das sich in wenigen Jahren durch Apples iPad erheblich geändert hat und Hardware, Software und Services erwartet, die ineinander greifen." Microsoft sei offenbar nicht mehr willens, ein Betriebssystem zu entwerfen, um in der Folge darauf zu hoffen, dass die Partner das Beste daraus machen. "Microsoft hat registriert, dass die Partner entweder nicht willens oder nicht in der Lage sind, zu liefern, was Microsoft benötigt, um wettbewerbsfähig zu bleiben", schlussfolgerte gar das Analystenhaus Saugatuck. So gesehen ist die in die eigene Hand genommene Surface-Fertigung Beleg für Microsofts Misstrauen gegenüber den Hardwarepartnern.

Die neue Strategie dürfte jedenfalls Konflikte mit den Partnern heraufbeschwören. Doch das Risiko bewertet IDC als kalkulierbar, da "die Versuche vieler Partner, mit Android-basierenden Tablets im Markt zu reüssieren, wenig erfolgreich waren", beobachtet IDC-Analyst Al Gillen. "Microsoft glaubt fest daran, dass sie Windows treu bleiben, unbenommen von den eigenen Hardware-Plänen. Mit großer Wahrscheinlichkeit werden sie das auch bleiben."

Das sehen nicht alle Marktbeobachter so. "Surface ändert die Dynamik zwischen Microsoft und den Kunden auf Dauer", sagte Patrick Moorhead vom Marktforschungshaus Moor Insights & Strategy dem "Wall Street Journal". Das wirke sich auch auf die Beziehung zu den Partnern aus. Er gehe fest davon aus, dass einige Hardwarehersteller mit Plänen für Windows-8-basierende-Tablets ihre Vorhaben angesichts der neuen Entwicklung stoppen werden. Ärger habe sich Microsoft auch deshalb eingehandelt, weil die Partner erst kurz vor Veröffentlichung der neuen Hardwarestrategie informiert wurden. Selbst hohe Microsoft-Manager seien von dem streng geheimen Projekt überrascht worden, weiß das gut informierte Wall Street Journal.

Tablet oder PC? Surface ist beides

Unklar ist auch der Vertrieb: Microsoft wird die Produkte über Online-Shops verkaufen (in den USA zudem in den eigenen Läden). "Wenn das Unternehmen auf ordentliche Absatzzahlen hofft, benötigt es weitere Distributionskanäle", betont IDC-Analyst Gillen. "Wenn es Microsoft aber nur um einen Kickstart für den Windows-Tablet-Markt geht, dann ist es der richtige Weg."

Neben Betriebssystem und Prozessor können Interessenten auch zwischen Deckel wählen: "Type Cover" ist eine Abdeckung mit Tastatur, das Modell "Touch Cover" verfügt über eine berührungsempfindliche Oberfläche. Microsoft spricht so gleich zwei Benutzergruppen an: Privatnutzer dürften Surface als iPad-Ersatz betrachten, Geschäftskunden könnten das angekündigt Tastatur-Modell als PC-Ersatz verwenden.

Microsoft stößt mit Surface auch wieder die Debatte an, was ein Tablet sein sollte. Ist es eine Smartphone mit größerem Display, ein traditioneller, aber reduzierter PC oder gar eine komplett neue Geräteklasse? Für Microsoft-Chef Steve Ballmer fällt die Antwort eindeutig aus. Die mobilen Geräte sollten sich in zweifacher Hinsicht verwenden lassen: Zum einen als Ausgabegeräte für den passiven Konsum, um etwa zu surfen und Videos anzusehen, also als Tablet. Zum anderen als Arbeitsgerät mit Eingabemöglichkeiten für Präsentationen und Dokumente, also als PC. Surface, so Ballmer, könne beides und entspreche damit dem Wunsch der meisten Nutzer, die Tablet-Funktionen schätzen, gleichzeitig aber die PC-Möglichkeiten nicht missen wollen. Mit den sich stetig verbessernden Eingabeschnittstellen der Touchscreens und konvertierbaren Tastaturen würden die Unterschiede zwischen Notebooks und Tablets verschwinden.

"In der Theorie liefert Surface alle Vorteile einer Tablet-optimierten Umgebung und eines klassischen PC", sagte Jan Dawson, Chief Telecoms Analyst bei Ovum. "In der Realität bieten die beiden vorgestellten Modelle einen schrecklichen Mischmasch aus zwei Welten. Das dürfte die Kunden verwirren." Auch Apple findet den Microsoft-Ansatz abwegig: "Wenn man beides zusammenführt, werden weder PC noch Tablet so gut sein, wie sie könnten", betonte Apple-Chef Tim Cook auf einer Konferenz des Online-Dienstes "All Things Digital". Bislang gibt der Markt der Apple-Strategie Recht: Bis Ende des Jahres werden IDC-Schätzungen zufolge etwa 107 Millionen Tablets über die Ladentheke gehen, zwei Drittel von ihnen wird das Apfel-Logo schmücken.

Der rasante Erfolg des iPads geht zu Lasten der Netbooks und Low-end Notebooks. Der von Intel initiierte Gegenangriff mit Windows-basierenden Ultrabooks ist bislang vor allem wegen zu hoher Preise verpufft. Nun erschwert Microsoft dieser neuen Geräteklasse auch noch den Zugang zum Kunden, denn Surface tritt offensichtlich nicht nur gegen den iPad an: "Mit Surface betont Microsoft die Vielseitigkeit und konkurriert direkt mit den Ultrabooks", erwarte Sarah Rotman Epps von Forrester Research. Auch in diesem Segment tritt Microsoft den Partner mit Surface auf die Füße. (jha)