Meyer-Werft

Meyer-Werft: Die Heimat der schwimmenden Städte

07.03.2003 von Gabriele Müller
1795 wurde die Firma Jos. L. Meyer in Papenburg an der Ems gegründet. Dort befindet sie sich noch heute - in sechster Generation in Familienhand. Inzwischen baut sie nicht mehr hölzerne Dreimaster wie die Constantia von 1874, sondern Passagierschiffe und Fähren aus Stahl.

Die Strasse schlängelt sich durch flaches Land. Von weitem betrachtet liegt der weiße Koloss mitten auf der Wiese. Später sieht man das Gewerbegebiet in Papenburg, in dem sich Tausende von Touristen versammelt haben, um das Ausdocken des neuesten Schiffes aus der Meyer-Werft zu verfolgen. Dann werden die Tore einer der beiden Werfthallen geöffnet, und das Schiff gleitet wie von Geisterhand gezogen die wenigen Meter bis in die extra ausgebaggerte Ems, um von dort aus über den Dollart in die Nordsee überführt zu werden.

Sie heißen "Brilliance of the Seas", "Norwegian Star" oder "Norwegian Dawn" und sind die größten Kreuzfahrtschiffe, die in Deutschland gebaut werden. Zwischen 200 und 300 Meter lang sowie 30 Meter breit, beherbergen sie Restaurants, Swimmingpools, Sportplätze, Theater und nicht zuletzt bis zu 2500 Passagiere sowie mehr als 100 Mann Besatzung: die weißen Riesen, die hier in Papenburg gebaut werden. Rund zwei Jahre dauert es, bis eine schwimmende Stadt fertig gestellt ist.

Schiffbau nach dem Lego-Prinzip

Foto: Meyer Werft

Das ist eine kurze Zeitspanne und nur deshalb so schnell möglich, weil der Bau nach dem "Lego-Prinzip" erfolgt: Bei Stahlbau und Inneneinrichtung wird so viel wie möglich vorgefertigt und vormontiert, bevor es dann zum Schiff zusammengebaut wird. Am Endprodukt sind Tausende von Menschen beteiligt, vom Stahlbauer, Maschinenbauer und Schiffsbauer über Schreiner, Elektriker und Inneneinrichter bis hin zum Informatiker. "Bau und Betrieb eines solchen Schiffs sind ohne modernste Technologie nicht denkbar", sagt Jörg Ackermann, Leiter IT und Organisation bei der Meyer-Werft.

Für ihn und seine 25 Kollegen fallen vielfältige Aufgaben an: Da es für die Besonderheiten des Schiffbaus nur wenig Standardsoftware gibt, steht die Anwendungsentwicklung ganz oben auf der Prioritätenliste. Ackermann nennt ein Beispiel: "Am Bau eines Kreuzfahrtschiffs sind mehr als 1000 Zulieferer beteiligt. Wir brauchen Stahlteile und Elektroanlagen. Ein Ladenbauer muss zum Beispiel das Atrium ausstatten und eine Spezialfirma das Theater bestuhlen." Der Auftrag, jedes Bauteil zur richtigen Zeit an den richtigen Ort zu schaffen, stellt enorme logistische Anforderungen, die ohne entsprechende Software in so kurzer Zeit nicht zu bewältigen sind. Wenige Meter Luftlinie von Ackermanns Büro entfernt liegt Europas größtes Laserzentrum. Dort werden große Stahlteile mit der Kraft des gebündelten Lichts verschweißt - und auch hier gilt: Nichts geht ohne Computersteuerung.

Ein weiteres wichtiges Arbeitsfeld für Ackermann und Kollegen ist Computer Aided Design (CAD), das im modernen Schiffbau eine immer größere Rolle spielt. Ob Design, Planung, Konstruktion oder Fertigung der verschiedenen Bereiche, heute entstehen mittels der Konstruktionssoftware CATIA dreidimensionale Zeichnungen am Rechner. "Hier kooperieren wir mit der Firma Dassault Systems und IBM bei speziellen Anwendungen", informiert der IT-Chef. Um Nachwuchs für seine Abteilung macht sich Ackermann keine Sorgen. Zum einen ist die Werft mit rund 2500 Mitarbeitern einer der größten Arbeitgeber im Umkreis. Zum anderen bildet das Unternehmen selbst Fachinformatiker sowie IuK-Systemelektroniker aus und unterhält darüber hinaus gute Kontakte zu den Hochschulen der Region. "Die Faszination für den Schiffbau zieht viele Interessenten auf unsere Homepage, die sich dann initiativ bewerben."

Personalleiter Paul Bloem sieht sich zumeist einem größeren Ansturm von Interessenten gegenüber, als er offene Stellen vergeben kann. Das gilt auch für den IT-Bereich, in dem die Meyer-Werft mit Praktikanten- und Diplomandenprogrammen den akademischen Nachwuchs fördert. Obwohl das kleine Papenburg im Emsland mit seinen rund 35 000 Einwohnern nicht gerade der Nabel der Welt ist, "treffen die Bewerbungen aus dem ganzen Bundesgebiet ein", freut sich Bloem. "Wer hierher kommt, der entscheidet sich bewusst für uns." Das hat viel mit dem traditionell mittelständisch geprägten Denken und der Firmenphilosophie auf der Meyer-Werft zu tun, wo "Anpacken" und Beständigkeit seit mehr als 200 Jahren als Tugenden gelten.

 Vom Azubi zum Bereichsleiter

"Ich lege an Bewerber keine Schablone an", sagt Bloem, selbst ausgebildeter Schiffbauer, der seit über 20 Jahren seinem Arbeitgeber die Treue hält. Wer seinem kritischen Blick standhalten will, muss beweisen, dass er Eigeninitiative zeigen kann. "Wir fertigen hier hochgradig spezielle und mehrere hundert Millionen teure Einzelstücke", sagt Bloem. "Alle Mitarbeiter müssen mitdenken und flexibel sein, ob in der Planung, der Konstruktion oder im Schiffbau selbst." Wenn beispielsweise die internationalen Auftraggeber ihre Delegationen nach Papenburg schicken, um Einzelheiten zu begutachten, sind von den Mitarbeitern gute Englischkenntnisse gefordert. Wer sich einmal als Mitarbeiter für den Bau der Luxusliner entschieden hat, bleibt.

Michael Welp: "Mich reizt es, neue Technologien auszuprobieren und zu implementieren."

Michael Welp zum Beispiel arbeitet schon seit mehr als zehn Jahren in Papenberg, obwohl er gerade erst seinen 30. Geburtstag feierte: "Ich habe hier meine Ausbildung zum DV-Kaufmann absolviert und später Informatikbetriebswirtschaft studiert." Heute ist Welp IT-Bereichsleiter für Automatisierung und entwickelt unter anderem Programme für die Auftragsüberwachung und Systemsteuerung. Was ihn seit so langer Zeit in Papenburg hält? "An dem Job hier hat mich schon immer gereizt, dass ich die Möglichkeit habe, neue Technologien auszuprobieren und zu implementieren", sagt er. "Dazu kommen ein gutes Betriebsklima, Karrierechancen und das angenehme soziale Umfeld."

Wie viele seiner Kollegen kommt auch Welp aus Papenburg und will hier - vorerst - auch bleiben. "Wir Emsländer sind bodenständig", sagt Personalchef Bloem lächelnd. Schließlich warten nebenan die "Serenade of the Seas", die "Pont-Aven" und die "Jewel of the Seas" auf ihre Fertigstellung. Genug zu tun also.

Jos. L. Meyer

Industriegebiet Süd, 26871 Papenburg

Telefon: 04961/81-0 Fax: 04961/81-4300

E-Mail: info@meyerwerft.de, Web-Adresse: www.meyerwerft.de.

Mitarbeiterzahl: 2500

Ansprechpartner für Bewerber: Personalabteilung, E-Mail: jobs@meyerwerft.de