Personalisierung

Mehr Sympathie für den Standard-Desktop

21.03.2012 von Jörn Meyer
Durch Layering-Techniken können Unternehmen die Akzeptanz stark standardisierter Umgebungen deutlich erhöhen.
So beliebt sind Standard-Desktops bei den Nutzern in der Regel nicht.
Foto: Monkey Business - Fotolia.com

Cloud-Computing, diverse Virtualisierungstechniken und neue Werkzeuge für das System-Management - der Drang zur Standardisierung von IT-Infrastrukturen ist ungebrochen. Den Standardisierungsaktivitäten entgegen steht der menschliche Wunsch nach Individualität. Aufgewachsen mit mobilem Internet, sozialen Netzwerken sowie der unmittelbaren Verfügbarkeit von Programmen, Daten und Informationen, beschert die neue Generation von Mitarbeitern den IT-Abteilungen zusätzliches Kopfzerbrechen. Sich durch technische Ausstattung und eine komfortable, zeitgemäße Arbeitsumgebung von anderen zu unterscheiden ist mittlerweile ein wichtiger Faktor, um den Entscheidungsprozess potentieller Mitarbeiter für einen neuen Job zu beeinflussen.

Wie erklärt man einem potentiellen Mitarbeiter, dass er für die Erledigung seiner Arbeit ein schweres Notebook mit geringer Akkulaufzeit nutzen muss, wenn er seinen privaten Alltag über ein leichteres, mit deutlich längerer Laufzeit ausgestattetes Smartphone oder Tablet organisiert? Dass der Zugriff auf Unternehmensdaten nicht genauso einfach und flexibel möglich ist wie der Zugriff auf private Daten; dass das Unternehmen zwar flexible Arbeitszeitmodelle anbietet - aber mit teils erheblichen Einschränkungen bei der IT-Unterstützung? Welche Techniken können helfen, dieses Dilemma zu lösen?

Herausforderung Roaming Profiles

Den größten Teil der "digitalen Persönlichkeit" eines Mitarbeiters stellt - aus technischer Sicht - das Benutzerprofil dar. Durch Applikationen werden hier Informationen des Benutzers gespeichert: Bookmarks des Web-Browsers. Signatur des E-Mail-Systems , persönliches Adressbuch etc.

Auch die digitale Persönlichkeit verändert sich permanent. Sofern das nur auf einem System geschieht, können alle Änderungen an einer Stelle gespeichert werden, und das Benutzerprofil bleibt konsistent. In modernen, standardisierten IT-Infrastrukturen arbeitet der Benutzer aber zumeist auf mehreren Systemen gleichzeitig. Damit das Profil dennoch konsistent bleibt, werden die persönlichen Einstellungen an einer zentralen Stelle gespeichert und von dort auf die Zielsysteme geladen.

Das Laden und Speichern von wandernden Profilen ("Roaming Profiles") ist eine große Herausforderung. Beispielsweise bei der Einführung von Terminal-Server-Lösungen. Hier stellt sich heraus, dass der User aus technischer Sicht zwei Persönlichkeiten hat: Typischerweise arbeitet er mit einem Profil lokal auf seinem Rechner, mit einem anderen auf dem Terminal-Server.

Eins plus x mal y Identitäten

Heutzutage sind Terminal-Server ein strategischer Bestandteil vieler IT-Infrastrukturen. Größere Terminal-Server-Infrastrukturen enthalten mehrere Server-Konfigurationen mit jeweils unterschiedlichen Applikationsinstallationen. Wie Best-Practice-Szenarien zeigen, sollte für jedes Silo ein eigenes Profil verwendet werden. Damit vervielfacht sich deren Zahl.

Formal ausgedrückt, hat jeder Mitarbeiter für die Terminal-Server-Welt eins plus x Identitäten. Werden in dieser IT-Umgebung unterschiedliche Windows-Versionen eingesetzt, verdoppeln sich die Benutzerprofile mit jeder Version, denn die Benutzerprofile neuerer Windows-Ausführungen sind nicht abwärtskompatibel.

Die Konsequenzen für Mitarbeiter und IT liegen auf der Hand. Beim Wechsel der Identitäten müssen die Mitarbeiter ihre Umgebung ständig neu personalisieren, was Arbeitszeit kostet. Und sie können nicht nachvollziehen, warum das so ist, was sich demotivierend auswirkt.

Der IT-Helpdesk muss bei Problemen erst herausfinden, welche Identität des Benutzers das Problem verursacht. Oft kann er das nicht und bereinigt pauschal alle Identitäten. Das heißt, der User muss seine Umgebung erneut konfigurieren.

Mit der Umsetzung neuer Technologien wie Desktop-Virtualisierung oder Cloud Computing, nimmt die Komplexität der IT-Infrastruktur häufig weiter zu. Der Benutzer erhält dann eine weitere Identität auf dem virtuellen Desktop.

Wege aus dem Dilemma

Da geht zentralisiertes Management der Arbeitsumgebung.
Foto: Comparex

Aus diesem Dilemma heraus führen zwei Wege: die vollständige Virtualisierung der Benutzereinstellungen oder - zumindest - ein optimiertes Benutzerprofil-Management, wie es zum Beispiel die Hersteller Citrix und VMware in ihren Lösungen zur Desktop-Virtualisierung anbieten.

Sowohl der Citrix User Profile Manager als auch das VMware View Persona Management sorgen beispielsweise dafür, dass nur die Bestandteile des Benutzerprofils geladen werden, die der Benutzer benötigt, und verkürzen dadurch An- und Abmeldezeiten. Zudem synchronisieren sie nur die Teile des Benutzerprofils mit dem zentralen Speicherpfad, die wirklich benutzt wurden.

Softwarelösungen wie AppSense User Environment Manager oder Workspace Manager von RES gehen noch einen Schritt weiter: Sie erkennen die persönlichen Einstellungen des Mitarbeiters, speichern sie an zentraler Stelle und ermöglichen bei Bedarf schnellen Zugriff - unabhängig vom darunterliegenden System. Sie optimieren also nicht die Benutzerprofile oder deren Ladevorgänge, sondern erkennen und verwalten die benutzerrelevanten Informationen von Anwendungen. Zudem protokollieren sie alle Aktivitäten, so dass die IT-Abteilungen gezielt die Einstellung löschen können, die ein Problem verursacht haben.

Was bedeutet Layering?

Layering-Techniken erlauben es dem Unternehmen, Herr seiner Systeme zu bleiben.
Foto: Comparex

Neben der Konsistenz von persönlichen Einstellungen wünschen sich viele Benutzer die Möglichkeit, kleine Programme oder Programmerweiterungen (zum Beispiel für den Web-Browser) selbst zu installieren. In den meisten Unternehmen haben sie dafür nicht die Berechtigung. Wer weiß schon, welche Auswirkungen die Anwendungsinstallation auf andere, bereits installierte Programme hat? Unter Umständen enthält die Anwendung auch eine Schadensroutine oder darf aus lizenzrechtlichen Gründen nicht im Unternehmensumfeld zum Einsatz kommen. Es gibt viele gute Gründe, weshalb Benutzer Anwendungen nicht selbst installieren dürfen.

Allerdings gibt es auch Mitarbeiter, deren Tätigkeit ein selbstverantwortliches Installieren von Anwendungen erfordert. Sie sind oft mit lokalen Administrationsrechten ausgestattet. Aus Sicht des Unternehmens ist das ein Alptraum, denn so verliert es die Hoheit über sein eigenes System und öffnet Angreifern Tür und Tor.

Ein Lösungsansatz sind neue Technologien wie das Layering: Per Software werden die Gesamtsysteme quasi in Scheiben zerschnitten und die einzelnen "Layers" zentral gespeichert. Das Unternehmen kann Datenvolumen und Umfang der Einzelsegmente frei definieren, und die gespeicherten Daten sind schreibgeschützt. Damit der Mitarbeiter sein System personalisieren kann, wird ihm ein persönlicher Layer zur Verfügung gestellt, den er konfiguriert. Die Datensätze werden dynamisch verbunden.

Offensichtliche Vorteile

Die Vorteile liegen auf der Hand: Das Unternehmen behält die Hoheit über seine IT-Systeme. Es kann aber an zentraler Stelle Aktualisierungen vornehmen, die Layer unabhängig voneinander verwalten und gegebenenfalls sogar austauschen. Trotzdem ermöglicht es die Personalisierung des Arbeitsbereiches mitsamt der Installation eigener Software.

Zum Beispiel Unidesk oder Citrix stellen solche Lösungen zur Verfügung. Unidesk setzt dabei auf den Virtualisierungsfunktionen der VMware-Produkte auf und stapelt während des Startvorgangs der virtuellen Maschine die Layer im Dateisystem VMFS übereinander. Citrix hat in der aktuellen Version 5.5 des XenDesktop die Ringcube-Technik integriert. Das Feature "Personal vDisk" ermöglicht es, ein standardisiertes, zentrales Image um einen persönlichen Layer für den Benutzer zu erweitern. Wird der virtuelle Desktop neu gestartet, sorgt der Agent für eine Kopplung des zentralen Image mit dem persönlichen Layer.

Einen etwas anderen Ansatz verfolgt AppSense. Mit einer neuen Software soll es möglich sein, in einem standardisierten System eigene Anwendungen zu installieren, unabhängig von der zugrundeliegenden Virtualisierungsinfrastruktur. Diese Technologie (aktuell bekannt unter dem Namen AppSense Strate) befindet sich derzeit noch in der Entwicklung.

AppStore - SB-Markt für Applikationen

Apps haben die Anwendungsentwicklung und -bereitstellung grundlegend verändert. Der Benutzer ist zum ersten Mal selbst in der Lage zu entscheiden, welche Applikationen er wann und wie nutzen möchte.

Basis eines AppStore ist ein Portal, das der Benutzer theoretisch von überall erreichen kann. Produkte wie Microsoft App-V, VMware ThinApp oder Citrix Application Streaming entkoppeln die Applikation vom ausführenden Betriebssystem, machen sie transportabel und universell einsetzbar - auch in vorhandenen Portallösungen.

Früher waren Portale in Unternehmen oft darauf beschränkt, Informationen und Web-Applikationen zur Verfügung zu stellen. Bei der Integration klassischer Client-Server-Anwendungen mussten die Portallösungen zumeist passen.

Virtualisierung von Applikationen

Durch die Virtualisierung von Applikationen hat sich das grundlegend geändert. Lösungen wie Microsoft App-V, VMware ThinApp oder auch Citrix Application Streaming entkoppeln die Applikation von dem ausführenden Betriebssystem, machen sie transportabel und universell einsetzbar - auch innerhalb aktueller Portallösungen, zum Beispiel auf Basis von Microsoft Sharepoint.

Spezialisierte Portallösungen von Herstellern wie VMware (Horizon, aktuell nur in den USA verfügbar) und Citrix (CloudGateway) gehen noch einen Schritt weiter. Sie integrieren nicht nur die internen, sondern auch externe Applikationen, beispielsweise von Service-Providern oder Cloud-Anbietern.

Zudem endet die Integration nicht bei der Verknüpfung zu einem Web-Service. Vielmehr übernimmt die Portallösung auch den Anmeldevorgang beziehungsweise synchronisiert die Anmeldeinformationen und steigert sowohl die Sicherheit als auch die Benutzererfahrung.

Citrix CloudGateway ist in der Enterprise Edition sogar in der Lage, aus einer klassischen Windows-Applikation dynamisch eine "App" zu erzeugen, die dann direkt vom mobilen Endgerät des Benutzers aufgerufen werden kann. In Kombination mit dem Citrix Receiver wird die im Rechenzentrum virtualisierte Anwendung dann ohne weitere Interaktion mit dem App Store gestartet.

Fazit

Es gibt bereits heute Wege, Arbeitsplätze zu schaffen, welche die Ansprüche von Mitarbeitern, IT-Verantwortlichen und Unternehmen unter einen Hut bringen. Es bleibt abzuwarten, wie stark sichi der Trend zur Virtualisierung der Arbeitsumgebung durchsetzen wird. Aktuell ist dies jedoch die vielversprechendste Lösung. (qua)