Der Pen-Boom hat wirtschaftliche Gründe

Mehr Produktivität: Tablets und Smartphones mit Stift-Bedienung

27.01.2015 von Michael Wagner
Digitale Stifte kommen bei Tablets und Smartphones oder autark arbeitend zunehmend zum Einsatz. Die Pen-basierende Eingabe steigert gerade bei Business-Anwendungen die Produktivität. Für Unternehmen gibt es interessante Einsatzgebiete.
Livescribe kombiniert bei seiner Smartpen-Lösung spezielles Anoto-Papier mit einer App.
Foto: Livescribe

Derzeit werden so viele Smartphones und Tablets mit Stift angeboten wie schon seit Jahren nicht mehr. Über dreißig Geräte sind derzeit verfügbar und mehr sind angekündigt. Samsung, einer der Pioniere der neuen Pen-Welle hat bereits über vierzig Millionen Stiftgeräte verkauft, seit das erste Galaxy Note 2011 erschienen ist. Schlüssel des Erfolges sind aktive Stifte mit hoher Genauigkeit, die für eine sichere Handschrifterkennung benötigt werden. Passive Systeme wie sie für die Fingererkennung eingesetzt werden, sind zu ungenau und reichen meist nur für einfache Verschiebegesten.

Die Kombination aus passiver Erkennung der Finger und aktiven Digitizern für die Schrifterkennung ist das Erfolgsrezept, dem nun auch andere Anbieter - zu nennen sind etwa Asus, Lenovo, LG, Microsoft oder Toshiba - folgen.

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Samsung Galaxy NotePRO 12.2
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Der Erfolg der Stift-Systeme straft Steve Jobs Lügen, der bei Einführung des iPhone beziehungsweise des iPad die Nutzung von Stiften vehement abgelehnt hat. In die mobilen Geräte von Apple ist seit dem nur passive Technik verbaut. Mit Multi-Touch-Gesten gesteuert wurden die mobilen Computer aber für breite Anwenderschichten nutzbar gemacht. Bei einigen Business-Anwendungen stößt die Fingerbedienung aber an Grenzen. Noch hält sich Apple an das ursprüngliche Kredo - bis auf Gerüchten und einigen wenigen Patentanmeldungen hört man zum Thema Stiftbedienung wenig aus Cupertino. Stifte für iPhone und iPad sind bislang nur von Drittanbietern verfügbar, die das Beste aus der passiven Technik herauszuholen versuchen oder auf aufwendige Zusatzlösungen setzen.

Persönliche Produktivität

Was die Stifte so beliebt macht, ist der Gewinn an persönlicher Produktivität und Komfort. Dank des massiven Einsatzes von Wörterbüchern ist die Handschrifterkennung inzwischen so gut geworden, dass auch ungeübte Anwender auf den Geräten fließend Texte erfassen können. Das geht wesentlich schneller als mit der Bildschirmtastatur.

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Lenovo ThinkPad Yoga
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Ohne Finger im Blickfeld lassen sich mit den Stiften Buchstaben und graphische Elemente direkter und schneller "greifen". Je nach Anwendung lassen sich zudem über Gesten, wie Buchstabenkürzel, direkt Operationen auslösen. Die umständliche Auswahl von Operationen über Menüs kann in vielen Fällen entfallen. Neben den naheliegenden Zeichen und Notizprogrammen sind daher Kalender und To-Do-Listen sowie graphische Editoren die beliebtesten Stift-Anwendungen für den persönlichen Einsatz. Doch was bringt der bisher als nette Spielerei verschriehene Stifteinsatz aus Unternehmensperspektive?

Unternehmensnutzen von Pen-Tablets

Inzwischen gibt es handfeste wirtschaftliche Gründe, die für den Stifteinsatz sprechen - Senkung der Kosten und Beschleunigung der Prozesse. Entscheidend sind dafür die Verbesserungen der Handschrifterkennungs-Software. Sie hilft, Medienbrüche und kostspielige Doppelerfassungen zu vermeiden sowie teure Qualitätskontrollen auf ein notwendiges Minimum zu reduzieren. Die unmittelbare Verfügbarkeit von Informationen aus der mobilen Datenerfassung ermöglicht in Kombination mit der Kommunikation in Echtzeit eine Beschleunigung von Geschäftsprozessen. Die Nutzung eines Stiftes bedeutet für viele mobile Einsatzfälle weniger Umstellungsaufwand als die Einführung von Tablets mit reiner Fingereingabe.

Der Vertrieb im Außendienst profitiert von der schnellen Erfassung der Auftragsdaten und der Möglichkeit dem Kunden noch vor Ort einen Liefertermin bestätigen zu können. Im Einzelhandel werden die Verwaltung von Beständen und das Bestellwesen automatisiert. In der Logistik helfen Stift-Systeme bei der lückenlosen Dokumentation von Lieferketten. Der Kundendienst kann nicht nur Fragen zu Produkten beantworten, sondern auch Sonderwünsche der Kunden erfassen. Wartungsarbeiten werden an Ort und Stelle dokumentiert und Ersatzteillieferungen schneller initiiert. In der Herstellung lassen sich operative Planung und Qualitätssicherung durch die Datenerfassung mittels Stift vereinfachen und beschleunigen. In der Lagerwirtschaft werden Warenflüsse dokumentiert und durch die Erfassung zusätzlicher Informationen besser gesteuert.

Eine Vielzahl von Software-Herstellern hat sich auf die Realisierung vertikaler Anwendungen spezialisiert. In der Einzelfertigung, im Gesundheitswesen, in der Pharmaindustrie, in der Logistikbranche, sogar in Forschung und Lehre, überall dort wo Daten mobil erfasst werden, tragen stiftbasierte Systeme zur Verschlankung und Beschleunigung und Reduktion der Kosten bei. Es existieren aber auch Bereiche, in denen die Dokumentation auf Papier aus rechtlichen Gründen nach wie vor unverzichtbar ist. Hier stoßen Tablets an ihren Grenzen - aber es gibt eine Alternative: eigenständige digitale Stifte.

Alternative: Stand Alone Stifte

Wo die Umgebung den Einsatz von Tablets nicht zulässt oder sie schlicht zu teuer sind, gibt es mit autark arbeitenden digitalen Stiften eine Alternative zur mobilen Erfassung von handschriftlichen Daten. Technologie- und Marktführer ist das schwedische Unternehmen Anoto, dass seine auf speziellem Papier basierende Stiftlösungen inzwischen weltweit sehr erfolgreich über Partner vertreibt und über 9 Millionen Stifte verkauft hat. Verschiedene Integratoren bieten digitale Stifte in ganz unterschiedlichen Branchen und Einsatzgebieten an.

Fingereingabe.

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Anoto Live Digital Pen
Anoto Live Digital Pen
Anoto Live Digital Pen
Anoto Live Digital Pen
Anoto Live Digital Pen
Anoto Live Digital Pen

Der Clou dabei: Die Stifte schreiben ganz normal auf speziellen Formularen mit einem unsichtbaren Punktmuster und erfassen dabei die Schriftdaten. Diese werden über WLAN direkt oder via Bluetooth über ein Smartphone an ein Serversystem gesandt, wo die Handschrifterkennung und Verarbeitung der Daten erfolgt sowie die Anbindung an Backendsysteme wie zum Beispiel SAP.

Es kann auch eine Erkennung von hinterlegten Unterschriften durchgeführt werden, um zum Beispiel Bestellprozesse zu beschleunigen. Für die Rechtsverbindlichkeit kann aber immer parallel auch die Schriftform genutzt werden. Alternativ werden die Schriftdaten auch nur in den Stiften gespeichert und nach der Erfassung per USB an das Erkennungssystem übertragen.

Vertikale Anwendungen

Das Feld der Anwendungen, in denen Technologien wie die von Anoto zum Einsatz kommen, reichen von der Bauwirtschaft und dem Bildungswesen über Forschung und Entwicklung, das Gesundheitswesen, unterschiedliche Kundendienste, die Lagerhaltung und Logistik, die Meinungsforschung, die Qualitätssicherung, das Transportwesen bis zum Versicherungsvertrieb und zur Wartung.

Als typisches Beispiel setzt die Allianz Frankreich auf digitale Stifte und Spezialformulare zur Erfassung von Versicherungsanträgen, um die persönliche Beratungssituation mit dem Kunden nicht durch einen Notebook-Bildschirm zu stören. Das gewohnte Arbeiten auf Papier senkt die Schulungskosten und garantiert die Rechtsicherheit der Verträge. Die gleichzeitige automatische Erfassung der Vertragsdaten ermöglicht eine zeitnahe Überprüfung durch den Innendienst und gegebenenfalls eine telefonische Rückfrage über das Mobiltelefon des Außendienstlers noch beim Kunden.

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Sony Vaio Tap 11
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Die Hausverwaltung der Gropiusstadt im Süden Berlins für 19.000 Wohnungen erfasst über stiftbasierte Systeme die anfallenden Wartungsarbeiten und initiiert deren Bearbeitung durch diverser Dienstleister. Mit einer Lösung der Postdamer CCDM werden Mängel vor Ort erfasst und Aufträge per E-Mail verschickt. In kürzerer Zeit werden mehr Daten erfasst und umfangreichere Auswertungen schneller erstellt. Das Personal, das bisher mit Auswertung und Auftragskoordination beschäftigt war, wird nun in der Qualitätskontrolle eingesetzt zur Steigerung der Zufriedenheit der Mieter.

Eine eigene Lösung Im Konstruktionsbereich hat die österreichische INDRAFT für die automatisierte Aufmaß-Erfassung realisiert. Ein Antippen der Messpunkte in einer Bauzeichnung reicht um die notwendigen Daten für die Volumen- und Mengenermittlung durchzuführen und die notwendigen Berechnungen automatisiert anzustoßen. Angebotserststellung, Qualitätskontrolle und Abrechnung von Bauleistungen sind mit deutlich weniger manuellem Aufwand möglich.

Die bislang weltweit größte Anwendung Stiftbasierter Systeme wurde jüngst für das Bildungswesen in China bekanntgegeben. Für das TStudy genannte Projekt sollen demnächst 100.000 Stifte zur Echtzeitübermittelung von Aufgabenlösungen von Schülern und Studenten im Unterricht eingesetzt werden. Mustergültige Lösungen können dabei über Beamer allen Kurzteilnehmern zugänglich gemacht werden. Ob das auch in Prüfungssituationen gilt, blieb allerdings offen.

Fazit

Das Pen-Computing hat das Menetekel der Ablehnung der Technologie durch Steve Jobs überwunden. Statt "Finger reichen für alles" wie beim iPhone und iPad gibt es zunehmend leistungsfähigere und kostengünstigere Stift-basierte Lösungen.

Von der persönlichen Produktivität bis zu spezialisierten vertikalen Anwendungen liegt der Schwerpunkt des Technologieeinsatzes im konkreten wirtschaftlichen Nutzen. Es wird allerdings noch geraume Zeit dauern, bis digitale Stifte so selbstverständlich für mobile Systeme sein werden wie die Maus für den Desktop oder der Bleistift in der Tasche. (TecChannel/mb)