Mittlere Manager

Mehr leiden als leiten?

01.10.2008 von Michael Schweizer
Chef zu sein und zugleich Chefs zu haben ist kein Vergnügen. Ein Abteilungsleiter, ein Sales-Manager und ein Projekt-Manager erzählen, wie sie mit dem Druck zurechtkommen.

"Mittlere Manager haben immer den Schwarzen Peter", sagt Justus Jensen (Name geändert), Abteilungsleiter in der deutschen Tochter eines amerikanischen IT-Unternehmens. Kürzlich rief ihn der Geschäftsführer zu sich: Das Kernprodukt, für dessen deutsche Weiterentwicklung Jensens Abteilung zuständig ist, verkaufe sich in den USA dreimal so oft. Das müsse doch auch hier gehen. Jensen stand nun vor der Frage, wie er seinen Mitarbeitern diese unerfüllbare Vorgabe nahebringen sollte.

Alexander Trautmann, DKV Euro Service:"Die Position des mittleren Managers ist sehr schwierig."

An solchen Geschichten überraschen die Details. Die Struktur ist dagegen gängig. Abteilungs- und Bereichsleiter bekommen völlig unrealistische Ziele gesetzt, Projektleiter sollen beim Kunden Versprechen erfüllen, die sie selbst nie gegeben hätten. Wer so etwas versucht, muss den Druck, der auf ihm lastet, an die eigenen Mitarbeiter weitergeben und wird in irgendeiner Form auf Gegendruck stoßen. Mittlere Manager arbeiten in einem Sandwich, gegen das von oben und unten gepresst wird. "Diese Position ist sehr schwierig", sagt Alexander Trautmann, Geschäftsführer des Speditions-Dienstleisters DKV Euro Service.

Noch belastender als die unlösbaren Aufgaben können die mühsam lösbaren sein. Hans Hermann (Name geändert) ist heute Projekt-Manager bei der IT-Dienstleistungstochter eines großen Verkehrsunternehmens. Ein früherer Arbeitgeber schickte ihn oft als Retter in Projekte, in denen der Kunde schon heftig mit Vertragsauflösung drohte und auch die eigenen Mitarbeiter bereits entnervt waren. IT-Experte Jensen erinnert sich an die Zeit, als er seine Abteilungsleitung frisch angetreten hatte: "Plötzlich musste ich Dinge tun, die mir keiner beigebracht hatte: Vorträge halten, Sitzungen leiten, Budgets planen, auch draußen sicher auftreten. Das war ein harter Aufprall."

Schutzlos in der Mitte

Nicht leitende Mitarbeiter sind in gewissem Ausmaß durch Arbeits-, Tarifrecht und Betriebsräte geschützt. Topmanager sichert gegebenfalls eine hohe Abfindung und die Zugehörigkeit zu einer Kaste, die freie Stellen fast nur aus den eigenen Reihen besetzt. Ein 50-jähriger mittlerer Manager, dem gekündigt wurde, kann dagegen mit seiner Abfindung in der Regel nicht bis zur Rente durchhalten. Er kann wirklich fallen. Der Führungskräfte-Trainer und Buchautor Alexander Groth bemängelt, dass es in Deutschland "keine Kultur der Zurückstufung" gibt: Wenn ein hervorragender Fachmann sich als schlechter Chef erweist, wird er nicht dorthin zurückversetzt, wo er positiv aufgefallen war, sondern zunächst einmal in die Arbeitslosigkeit geschickt.

Mittlere Manager erkranken überdurchschnittlich oft an Herzinfarkt, Hörsturz oder psychosomatischen Beschwerden. Das liegt auch daran, dass sie weich und warm führen müssen, selbst aber kalt und hart geführt werden. Ihre Vorgesetzten ordnen, anhand von Zahlen, einfach an; sie selbst müssen aber ihre Mitarbeiter immer wieder gewinnen, da diese sich sonst querstellen können, ohne sich angreifbar zu machen. Entsprechende Tricks kennt jeder. "Von mir wird im Umgang mit meinen Mitarbeitern emotionale Intelligenz verlangt", kommentiert IT-Mann Jensen. "Selbst kann ich sie von oben aber nicht erwarten."

Überstunden sind die Regel

Jensen arbeitet pro Woche 50 bis 70 Stunden. Mit 40 bis eher 50 Stunden kommt Projekt-Manager Hermann aus. Regelmäßig auf 70 Stunden, etwa ein Drittel davon unterwegs, bringt es Andreas Adler (Name geändert). Er fungierte bis letztes Jahr als IT-Projektleiter bei einer großen Bank und wechselte dann zu einer amerikanischen Unternehmensberatung, die sich auf IT-Consulting spezialisiert hat. Dort arbeitet er als deutschlandweit verantwortlicher Manager für Marketing, Sales und Geschäftsfeldentwicklung. Viel Zeit kostet ihn sein Wunsch, zu Kunden immer ehrlich zu sein: "Wir haben Kunden, deren Fachkompetenz ist derartig schlecht, dass man nicht ohne sehr aufwändige Erklärungen auskommt."

Gehaltlich hat sich Adler, variable Bestandteile eingerechnet, durch seinen Wechsel von 75.000 auf 110.000 Euro pro Jahr verbessert. Projekt-Manager Hermann ist mit seinem Salär ebenfalls zufrieden. Jensens Vergütung ist sein "kleinstes Problem". Berücksichtige man jedoch, dass mittlere Manager vor ebenso anspruchsvollen Aufgaben ständen wie Top-Manager, sei sie "dem Aufwand nicht angemessen".

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Wie kann sich ein mittlerer Manager wehren, wenn der Druck übermächtig wird?