Pizza, Pillen, Projektarbeit

Was IT-Profis krank macht

30.06.2009
Von 
Karen Funk ist Senior Editor beim CIO-Magazin und der COMPUTERWOCHE (von Foundry/IDG). Ihre inhaltlichen Schwerpunkte sind IT-Karriere und -Arbeitsmarkt, Führung, digitale Transformation, Diversity und Sustainability. Als Senior Editorial Project Manager leitet sie zudem seit 2007 den renommierten IT-Wettbewerb CIO des Jahres. Funk setzt sich seit vielen Jahren für mehr Frauen in der IT ein. Zusammen mit einer Kollegin hat sie eine COMPUTERWOCHE-Sonderedition zu Frauen in der IT aus der Taufe gehoben, die 2022 zum 6. Mal und mit dem erweiterten Fokus Diversity erschienen ist.
IT-Profis leiden viermal so häufig unter psychosomatischen Beschwerden wie der Durchschnitt der Beschäftigten in Deutschland. Sie greifen überdurchschnittlich häufig zu Antidepressiva und Psychopharmaka.
Oft bleibt nur der Griff in die Pillendose, um Erschöpfungserscheinungen entgegen zu wirken.
Oft bleibt nur der Griff in die Pillendose, um Erschöpfungserscheinungen entgegen zu wirken.
Foto: Gina Sanders - Fotolia.com

Die gesundheitlichen Probleme haben über alle Berufsgruppen hinweg in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Besonders betroffen sind jedoch die Beschäftigten in der IT-Branche, wie das Rhein-Ruhr-Institut für Sozialforschung und Politikberatung (RISP) an der Rhein-Ruhr-Universität Essen und Duisburg in einem 2008 veröffentlichten Arbeitspapier zu gesundheitlichen Problemfeldern in der IT-Branche festgestellt hat.

Demnach leiden IT-Mitarbeiter, die in Softwareentwicklungs- und Softwareberatungsprojekten beschäftigt sind, bis zu viermal so häufig unter psychosomatischen Beschwerden (chronische Müdigkeit, Nervosität, Schlafstörungen und Magenbeschwerden) wie der Durchschnitt der Beschäftigten in Deutschland. Ferner zeigen 40 Prozent der Befragten eine Zunahme chronischer Erschöpfung, einem Frühindikator für Burnout. Rund 30 Prozent haben nach eigenen Angaben Probleme, sich nach der Arbeit zu erholen.

Nach einem Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse von 2007 gibt es zudem eindeutige Indizien dafür, dass psychische Gesundheitsgefahren gerade für die IT-Branche zutreffen. Danach liegt der Gebrauch von Antidepressiva bei IT-Beschäftigten um 60 Prozent und der von Psychopharmaka um 91 Prozent höher als im Durchschnitt aller Beschäftigten.

Das Institut nennt in seinem Arbeitspapier acht mögliche Gründe, die für die gesundheitlichen Belastungen von IT-Mitarbeitern verantwortlich sein könnten:

1. Projektarbeit

Da IT-Beschäftigte heutzutage meistens in mehreren parallel laufenden Projekten arbeiten, komme es zu widersprüchlichen Arbeitsanforderungen, die als belastend empfunden werden. Das ist der Fall,

  • wenn IT-Mitarbeiter im Projektverlauf zusätzliche Kundenbedürfnisse erfüllen müssen, die ursprünglichen Aufgaben aber termingerecht und ohne Mehrkosten erfüllen sollen;

  • wenn IT-Mitarbeiter mit unangemessenen Hardware- oder Softwarekomponenten arbeiten müssen;

  • wenn IT-Mitarbeiter Softwarelösungen bauen sollen, ohne den Echtbetrieb beim Kunden zu kennen;

  • wenn IT-Mitarbeiter entgegen ihren Professionalitätsansprüchen nicht ausreichend getestete Systeme beim Kunden ausliefern müssen;

  • wenn IT-Mitarbeiter zum Beispiel aus Termindruck auch am Wochenende arbeiten müssen und die Familie beziehungsweise das Privatleben darunter leidet.

Gerade an der Schnittstelle zum Kunden komme es häufig zu belastenden Situationen. So können Service-Level-Agreements IT-Beschäftigte zusätzlich unter Druck setzen. Durch diese Vereinbarungen zwischen IT-Dienstleister und Kunden sind letztere nämlich in der Lage, unmittelbar auf die IT-Mitarbeiter des Serviceanbieters zuzugreifen. Ein weiteres Handikap der Projektarbeit ist die Arbeit beim Kunden, die die Kommunikation zum eigenen Betrieb erheblich einschränkt.