Für ein System, das seit vielen Jahren totgesagt wird, ist der Mainframe erstaunlich munter. Es gibt sogar Experten, die sagen dem Großrechner mindestens weitere 20 Jahre voraus. Die positive Lage bestätigt auch Sebastian Rahm, Abteilungsleiter beim Personal-Dienstleister Hays: "Wenn es um hochverfügbare und stabile Systeme geht, kommt im Banken- und Versicherungsumfeld niemand daran vorbei." Die Mainframe-Gemeinde hat indes ein Problem: Ihr gehen allmählich die Programmierer und Wartungsfachleute aus. Denn die erfahrenen Mainframe-Profis gehen nach und nach in Rente. Doch im Gegensatz zu früher haben die Unternehmen dieses Dilemma erkannt und steuern dagegen. Mit anderen Worten: Es wird wieder verstärkt in Ausbildung investiert. So bieten deutsche Hochschulen wie Leipzig oder Tübingen entsprechende Lehrgänge an. Beide erhielten dafür von IBM einen teuren Mainframe. Berufstätige wiederum können sich bei Berufsakademien fit machen.
Der Hays-Experte: "Die Nachfrage nach IT-Freelancern im Großrechnerbereich ist seit Jahren stabil. Viele sind ehemalige IBMler und seit Jahrzehnten in der IT-Branche tätig." Unter den älteren und erfahrenen Freiberuflern seien etliche frühere Festangestellte, die sich "am Ende ihrer beruflichen Laufbahn" noch selbständig gemacht hätten. Nach Rahms Erfahrung muss die Nachfrage indes differenziert gesehen werden. Zum einen würden Profis für die Programmierung, die Wartung und die Administration gesucht. Zum anderen stünden auf der Prioritätenliste weit oben auch Experten, die nicht mehr hands-on arbeiten, also die reine Wartung selbst übernehmen, sondern sich beispielsweise mit der Business-Analyse auseinandersetzen. Diese Freelancer hätten einen technischen Hintergrund und würden später beispielsweise eine Kapazitätsplanung übernehmen.
"Ihr Vorteil ist, dass sie die Systeme aus dem Effeff kennen und mit der Architektur entsprechend vertraut sind", meint der Hays-Mann. Daher könnten die Externen gut einschätzen, welche Geschäftsprozesse sich auf dem jeweiligen Host abbilden lassen. Da die IT-Freiberufler bereichsübergreifend arbeiten müssten, seien nicht nur technische, sondern auch soziale Kompetenzen erforderlich. Rahm: "Die Externen müssen sich schließlich mit Kollegen befassen, die von der Client-Server-Seite und/oder von der kaufmännischen Seite kommen. Das macht die Sache nicht einfach." Vom stillen Tüftler kann seiner Meinung nach schon lange nicht mehr die Rede sein. Neben den erfahrenen IT-Profis würden sich aber auch immer mehr jüngere Freelancer für Jobs im Mainframe-Umfeld interessieren. Rahm: "Gerade die Schnittstellen-Problematik macht die Tätigkeit auch für Jüngere interessant."
Rahm erlebt daher immer wieder, dass sich freiberufliche Mainframe-Profis Java-Kenntnisse aneignen, um zu verstehen, welche Anwendungen angebunden werden. Sein Fazit: Die vielgeschmähte Dinosaurier-Welt hat einen entscheidenden Vorteil gegenüber den neuen Technologien: Sie unterliegt kaum Schwankungen und bietet IT-Freelancern langfristig gute Möglichkeiten.
Nachwuchs dringend gesucht
Peter Lennartz gehört zu den Mainframe-Pionieren. Bevor er sich 1981 für das Freiberuflertum entschied, war er sieben Jahre in einem Unternehmen als Großrechner-Experte tätig. "Die Aufgaben hängen vom jeweiligen Projekt ab. Ich habe bislang sowohl in der Entwicklung und in der Migration als auch in der Team- und Projektleitung gearbeitet", erzählt Lennartz. Das Spektrum seiner Tätigkeiten sei sehr umfangreich. Zurzeit arbeitet der Mainframe-Experte im Bankenbereich und kümmert sich dort um die Migration eines Front-End-Systems.
Zweimal in seiner Großrechner-Laufbahn war Lennartz nicht sicher, ob der Mainframe weiter stabil bleibt: "Die erste Verunsicherung trat auf, als die 36-/38-Rechner auftauchten und alles dezentralisiert werden sollte. Das zweite Mal fürchtete ich, dass der zunehmende PC-Einsatz dem Host den Garaus machen könnte." Doch der Großrechner habe sich behaupten können. Ein Aspekt, der immer wieder für Stabilität in diesem Umfeld sorgt, ist seiner Meinung die Datensicherheit. Darüber hinaus werde immer übersehen, dass sich mit Assembler sinnvoll arbeiten lasse. Mit jeder Generation, die softwaremäßig aufgestockt wird, übernimmt laut Lennartz die Maschine vorgegebene Routinen, die in der vorherigen Generation noch selbst programmiert werden mussten.
Der Mainframe-Fachmann räumt ein, dass mangelnder Nachwuchs in der Großrechner-Welt durchaus ein Problem darstellt. Schließlich sei mehr als 20 Jahre lang nur noch im Server-Umfeld ausgebildet worden. Da den Unternehmen dieses Dilemma bewusst geworden sei, hätten etliche ihre Mitarbeiter mit Hilfe von Berufsakademien weitergebildet. Lennartz: "Sowohl bei den festangestellten IT-Profis als auch bei den Externen trifft man entweder auf junge Kollegen, die sich ihr Mainframe-Wissen an einer Hochschule angeeignet haben, oder auf alte, erfahrene IT-Kollegen, die seit Langem auf diesem Gebiet tätig sind." Lennartz fühlt sich in seinem Arbeitsgebiet nicht nur sehr wohl - er fühlt sich auch sicher: "Die Welt der Großrechner stellt eine gute Nische dar. Da es mit dem der kommenden Generation trotz Weiterbildung noch immer nicht so gut aussieht, stehen den Freiberuflern viele Türen offen."
Dass dringender Nachwuchsbedarf im Großrechner-Umfeld besteht, hat sich auch an den Hochschulen herumgesprochen. Eine Art Vorreiterrolle in puncto Weiterbildung hat der emeritierte Professor Wilhelm Spruth von der Universität Leipzig und Tübingen übernommen. Am Institut für Informatik der Universität Leipzig steht der von IBM gesponserte Mainframe Z9. "Der Großrechner bringt für künftige Absolventen der Informatik mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Die Wirtschaft sucht dringend Experten, die sich mit dem Mainframe auskennen, und wir bilden sie aus", erläutert der Professor. Freiberuflichen IT-Profis empfiehlt Spruth die European Mainframe Academy. Hierbei handelt es sich um eine virtuelle zweijährige berufsbegleitende Schulung. Für den Leipziger Mainframe-Experten steht fest, dass gerade IT-Freelancer künftig im Großrechner-Umfeld beste Chancen haben: "Ich gebe der Welt der Mainframes noch mindestens weitere 20 Jahre."