Mobiles Bezahlen

Macht Bluetooth der NFC-Technik den Rang streitig?

24.02.2014
Das mobile Bezahlen per Smartphone schien schon oft kurz vor dem Durchbruch zu stehen. Doch noch immer wartet die Branche vergebens auf den durchschlagenden Erfolg einer Lösung mit dem Funkstandard NFC. Frische Impulse könnten jetzt vom Bluetooth-Standard kommen.

Einfach an der Kasse mit dem Smartphone bezahlen - Banken, Mobilfunk-Provider, Smartphone-Hersteller und unzählige Startup-Unternehmen stehen für diese Vision längst in den Starlöchern. Lange schien die Nahfunk-Technik NFC die besten Aussichten zu haben, dabei zum weltweiten Standard zu werden. Auf der Mobilfunk-Messe Mobile World Congress in Barcelona werden ab Montag zahlreiche neue Einsatz-Szenarien zu sehen sein. Doch zum großen Durchbruch kam es bislang nicht.

Nun könnte aber von ganz anderer Seite Konkurrenz nahen. Der altbekannte Bluetooth-Standard hat in seiner neuen Funktion das Zeug, sich bei der mobilen Kommunikation und selbst bei Transaktionen einen deutlichen Vorsprung zu verschaffen, schätzen manche Beobachter.

Bluetooth wurde als Standard bereits in den 90er Jahren entwickelt. Anders als NFC kann die Technologie Entfernungen bis hin zu 100 Meter überbrücken. Ursprünglicher Zweck des Übertragungsstandards, der nach dem dänischen König Blaubart benannt ist, ist der kabellose Austausch von Daten wie etwa vom PC zum Drucker. Der große Nachteil bestand allerdings lange im großen Stromhunger. Auf mobilen Geräten konnte ein aktiviertes Bluetooth unangenehm schnell für leere Akkus sorgen. Bluetooth Low Energy (BLE) gibt es seit 2010 und es wird bereits von Android 4.3 und Apples iOS-System unterstützt. Inzwischen sind nun neue Anwendungen auf dem Markt, die das Potenzial des Funkstandards voll ausschöpfen sollen.

NFC sei inzwischen in nahezu allen Android-Smartphones integriert, das werde man auch in Barcelona sehen, betont Jeff Miles, Manager des NFC-Chip-Herstellers NXP. Damit sei die Technik als allgemeiner Standard etabliert. Auf einer Smartphone-Plattform fehlt NFC allerdings: Apple geht nämlich einen anderen Weg, auch in den aktuellen iPhone-Modellen haben die Ingenieure aus Kalifornien bewusst auf einen NFC-Chip verzichtet. Dafür integriert Apple Bluetooth und nutzt in einigen Apple Stores in den USA bereits sogenannte iBeacons für die Kundenkommunikation.

Mit dem stromsparenden Bluetooth LE kann der Funkempfang ständig aktiviert bleiben und so ungehindert als Kommunikationsweg genutzt werden. Branchenbeobachter wie die Agentur AppAdvisors sehen gerade im Stromverbrauch die größte Hürde auch für Micropayment-Technologien, wenn es um die Massentauglichkeit geht.

NFC in der Praxis -
Bus-Ticket via Handy lösen
In London ist Mobile Payment laut VISA schon so verbreitet, dass in den U-Bahnen und Bussen (siehe Bild) kein oder kaum noch Bargeld angenommen wird. Bezahlt wird via Smartphone und NFC.
Kontaktloses Bezahlen mit MasterCard
Immer mehr Kreditkarten wie die von MasterCard und VISA kommen mit einem NFC-Funklogo und erlauben das kontaktlose Bezahlen an einem entsprechend ausgerüsteten Kartenterminal.
Vodafone Smartpass
SmartPass ist als Teil von Vodafone Wallet das Mobile Bezahlsystem des Mobilfunkanbieters, entwickelt in Kooperation mit VISA und Wirecard. Für Kunden, die kein NFC-fähiges Smartphone haben, wird die Lösung auch mit NFC-Sticker angeboten.
Kontaktlos bezahlen mit Vodafone Wallet
Mit Vodafone Wallet (alias Vodafone SmartPass), 2013 zunächst in Düsseldorf gestartet, wird das Smartphone zur digitalen Geldbörse. Die Übertragung erfolgt per Near Field Communication, kurz NFC.
Vodafone Wallet auf Samsung Galaxy S3
NFC wurde zunächst für das kontaktlose One-Touch-Bezahlen mit NFC-Handys und NFC-Kreditkarten konzipiert. Schon seit 2006 laufen viele regional begrenzte Pilotprojekte rund um den Globus. Das Foto stammt aus einer Messedemo vom Oktober 2012. Ende 2013 ist Vodafone Wallet alias SmartPass nun regional in Düsseldorf gestartet. 2014 soll es sich über ganz Deutschland verbreiten
NFC und andere Nahfunk-Technologien im Vergleich
NFC im Vergleich zu anderen Nahfunktechnologien
Top-Smartphones alle mit NFC
Im Gegensatz zu den Modellen Anfang 2014 waren 2015 alle Top-Smartphones mit NFC und LTE ausgestattet. Die von Telekom und Vodafone 2014 vorgestellte LTE-Advanced Kategorie 6 wird jedoch nicht von allen Geräten unterstützt.
NFC-BT-WLAN-Funk-Ausstattung von Top-Smartphones
Auswahl von Top-Smartphones Anfang 2014: Alle hatten Bluetooth (BT) Version 3.0 oder 4.0, alle hatten WLAN-11n, fast alle hatten NFC und knapp die Hälfte hatte Gigabit-WLAN-11ac unter der Haube.
Apple iPhone s6 mit NFC-Logo
Smartphones mit NFC haben auf der Rückseite oft ein kleines N für NFC. Apple hat sich lange verweigert, beim iPhone 6s dann aber doch NFC integriert und das Logo hinten angebracht.
Sony One-touch
Unter dem Motto One-touch vertreibt Sony eine Reihe von Lösungen, um über NFC verschiedene Geräte mit dem Smartphone zu koppeln. Die hier nennt sich One-touch listening. Für Fernseher der BRAVIA-Familie gibt es zum Beispiel auch One-touch Mirroring.
Nokia Lumia 920-NFC
Handy kurz Dranhalten - und die Verbindung baut sich von selber auf: So einfach kann man NFC-fähige Kopfhörer, aber auch Lautsprecher, Headsets, Navi-Systeme, Freisprechanlagen, Fitnessarmbänder, Laptops, Tablets, Drucker und Fernseher mit NFC-fähigen Smartphones verkoppeln
NFC-Tags
NFC dient neben dem kontaktlosen Bezahlen auch der bediener-freundlichen One-Touch-Kopplung von zwei Handys untereinander, aber auch von NFC-Handys mit NCF-Aufklebern, NFC-Anhängern, NFC-Lautsprechern und vielen weiteren NFC-fähigen Geräten
Das NFC-Prinzip
Der aktive NFC-Initiator, etwa ein Handy, generiert ein magnetisches Feld. Damit versorgt er das passive Ziel, etwa ein NFC-Tag, mit Energie. Damit kann das passive Ziel auch ohne eigene Stromversorgung dem aktiven Kommunikations-Initiator antworten. Das Verfahren funktioniert aber nur auf kurze Distanz bis maximal vier Zentimeter. Die Grafik stammt aus dem Buch von Vedat Coskun et.al: Professional NFC Application Development for Android, Wiley, 2013
NFC-Tags
Links klebt der NFC-Tag Topaz 512 von Androidbands mit einem Speichervolumen von 512 Bytes noch auf seiner Unterlage. Rechts offenbart er, nach dem Abziehen, sein Innenleben und die kreisförmigen NFC-Antennen an seiner Unterseite.
NFC-Tags
Passive NFC-Partner mit eingebauten NFC-Chips und NFC-Antennen, aber ohne eigene Stromversorgung, findet man in NFC-Aufklebern, NFC-Schlüsselanhängern, NFC-Armbändern oder in NFC-Kärtchen im Visitenkartenformat.
NFC im Vergleich
Das schmalbandige NFC dient oft nur der Einschaltung und Kopplung von schnelleren Bluetooth (BT)- oder WLAN-Verbindungen. Bei den angegebenen BT- und WLAN-Reichweiten wurde eine einheitliche Sendestärke von 100 Milliwatt und freie Sichtverbindung ohne dämpfende Hindernisse unterstellt.
Sony Xperia Z1 Compact
Smartphones mit NFC haben auf der Rückseite oft ein kleines N für NFC. Beim Sony-Handy Xperia Z1 Compact etwa sitzt das NFC-Logo im oberen Drittel zwischen dem SONY-Schriftzug und der 20-Megapixel-Kamera
NFC-Handys
Die meisten Tophandys hatten Anfang 2014 schon NFC unter der Haube: Zum Beispiel das Nokia Lumia 925 mit Windows Phone 8 oder die beiden Android-Top-Phones LG G2 und Sony Xperia Z1, ganz rechts. Dagegen hat Apples iPhone 5s, ganz links, noch kein NFC.
NFC-Tags
In unseren Tests haben alle NFC-Tags erst auf den letzten ein bis vier Zentimetern die Kommunikation mit den Handys aufgenommen und die selber programmierten Befehle auf den Handys ausgeführt. Hier ein NFC-Tag von Nokia mit dem NFC-fähigen Top-Smartphone LG G2. Wir konnten den NFC-Aufkleber auch beliebig oft überschreiben, sprich umprogrammieren.
NFC-Drucken
Auch im Nach-PC-Zeitalter wollen viele User wichtige Dokumente von Ihren mobilen Apps heraus drucken. Dazu müssen die Schnittstellen von den mobilen Geräten über die mobilen Netze bis hin zu stationären Druckern und Cloud-Druckern erst noch harmonisiert werden (Grafik: MOPRIA Alliance).
NFC-Drucker
Wie kann der normale Privat- oder Business-User ein spontanes Foto vom Samsung Galaxy S4 ohne langwierige Installation von Treibern auf zwei verschiedenen NFC-Druckern von Samsung und von Xerox ausdrucken? Zum Beispiel mittels NFC und dem MOPRIA-Standard.
NFC-Drucker
Karl Dueland, Vice President bei Xerox, legte das NFC-fähige Samsung Galaxy S4 auf den NFC-fähigen MOPRIA-Drucker von Xerox. Ein paar Sekunden später kam das Handy-Foto als Laserfarbdruck aus den Walzen.
NFC-Drucker
Nur wer sich an den proprietären MOPRIA-Standard hält, darf auch das MOPRIA-Logo für extrem einfaches, mobiles Drucken auf seinen Drucker kleben. Im Bild einer der MOPRIA-Sprecher, Karl Dueland, Vice President bei der Xerox Corp. im Staat New York an einem MOPRIA-Drucker von Xerox.
NFC-Drucker
Auch Samsung hat schon Business-Drucker mit NFC und MOPRIA für User-freundliches Drucken direkt aus mobilen Geräten und mobilen Betriebssystemen. Im Bild Brent Richtsmeier, einer der MOPRIA-Sprecher und Senior Director of Software Development im Samsung-Forschungszentrum Kalifornien
Nokia Lumia 920-NFC
Durch einfaches Tappen, also kurzes Draufhalten, wurde das gelbe NFC-Smartphone Nokia Lumia 920 mit dem roten NFC-Kopfhörer von Monster gekoppelt. Danach wurde die Musik nicht via NFC, sondern via Bluetooth vom Handy zum Kopfhörer gefunkt. Das Handy kann nach erfolgter BT-Kopplung auch in der Akten-, Sakko- oder Hosentasche liegen bleiben.
NFC-Lautsprecher
Alle drei mobilen Akku-Lautsprecher Rapoo, JBL-Nokia und Bose sowie alle vier Smartphones Apple 5s, Nokia 925, LG G2 und Sony Z1 beherrschen Bluetooth. Nur Apple links vorne und Bose rechts hinten hatten im Test noch kein NFC. Bei denen muss der User die Bluetooth-Audio-Kopplung noch selber vornehmen.
Nokia Lumia 925-NFC
Das Nokia Lumia 925 hat sich im Test dank NFC supereinfach via Bluetooth mit dem mobilen Lautsprecher Rapoo A500 verbunden. Danach konnten wir Katy Perrys Dark Horse auf dem externen Speaker hören.
Nokia Lumia 925-NFC
Im Gegensatz zum Rapoo-Lautsprecher hat der Nokia-JBL-Speaker nach erfolgreicher NFC- und BT-Kopplung auch gleich noch eine eigene JBL-PlayUp-Kachel auf die Startseite des Windows Phone 8 Handys gelegt. Hier zeigt sie die restliche Akkulaufzeit des JBL mit 9 Stunden an.
Nokia Lumia 925-NFC
Genau wie der Rapoo-Lautsprecher hat auch der Nokia-JBL-Speaker nach erfolgter NFC- und BT-Kopplung die Musik aus dem Nokia Lumia 925 Handy abgespielt.
Sony-Android-NFC-App
Diese beiden Screenshots der Sony-App "NFC-Schnellverbindung" entstanden auf einem Android-Smartphone LG G2. Auf dem Sony Xperia Z1 sah die App fast identisch aus. Auf beiden Handys funktionierte sie bestens.
Sony-Android-NFC-App
Solange die Musik vom NFC-Handy an den NFC-Lautsprecher übertragen wird, darf man die Bluetooth-Verbindung in den Android-Einstellungen nicht unterbrechen, denn die Musik wird nach erfolgreicher NFC-Kopplung ja nicht via NFC, sondern via BT drahtlos gestreamt.
Sony SBH80
Hier koppeln wir gerade das Sony Xperia Z1 Compact mit dem Sony SBH80 Stereo Bluetooth Headset. Die BT-Kopplung der Beiden wurde durch einfaches Dranhalten von hinten per NFC ausgelöst. Der User muss nur noch die BT-Verbindung im Display vorne mit Ja bestätigen.
Sony Core & SmartBand - Sony Xperia Z1 Compact
Das zur CES 2014 erstmals gezeigte Fitness-Tracking-Gespann Sony Core & SmartBand rechts im Bild hat auch schon NFC verbaut. Es lässt sich daher sehr bequem per One-Touch mit NFC-Handys wie den beiden Sony Xperia Z1 Compact links im Bild verkoppeln. Beim weißen Handy sieht man das NFC-Symbol über dem Sony-Schriftzug.
Sony KD-65X9005A - Sony 4K-TV
Hier hatten wir im Januar 2014 einen 65-Zoll-4K-Ultra-HD-Fernseher Sony Bravia mit einem weißen Sony Xperia Z1 durch kurzes Dranhalten an dessen Fernbedienung verkoppelt. Der Inhalt des NFC-Handys wurde sodann auf das TV-Gerät gespiegelt.
Sony KD-65X9005A - Sony 4K-TV
Wie spiegelt man den Inhalt eines Handys ruckzuck auf einen NFC-Fernseher? Einfach das NFC-Smartphone auf der Couch kurz an die NFC-TV-Fernbedienung Dranhalten. Die restliche Handy-TV-Kopplung läuft dann von selber ab. So einfach kann man auch NFC-fähige Drucker, Lautsprecher, Headsets, etc. mit NFC-fähigen Smartphones verkoppeln.

Bluetooth könnte der NFC-Technologie damit die Vorreiter-Rolle streitig machen. Zusammen mit den funkenden Beacons könnte der Blauzahn-Standard vor allem im stationären Handel punkten. Beacons basieren auf der Sensor-Technologie Bluetooth Smart, die von der Bluetooth Special Interest Group (SIG) entwickelt wurde. Über kleine, in einem Laden stationierte Beacon-Sender können Händler den Smartphones ihrer Kunden die exakte Position in einem Geschäft mitteilen und über eine App bestimmte Marketing-Botschaften kommunizieren oder besondere, individuell zugeschnittene Sonderangebote machen.

"Der Einzelhandel wird der erste Bereich sein, der auf Beacons setzen wird, aber das ist erst der Anfang für Beacons, die auf Bluetooth Smart beruhen", ist Suke Jawanda, Marketing-Chef bei Bluetooth SIG überzeugt. Der zu Ebay gehörende Bezahldienst PayPal testet derzeit als starker Partner standortbasierte Zahlungsmöglichkeiten mit Beacons in einigen Läden in den USA und Australien. Weitere Pilotprojekte sind in Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Kanada geplant. PayPal-Chef David Marcus ist ein scharfer Kritiker der NFC-Technik: Es sei eine "Lösung auf der Suche nach einem Problem", die keine Vorteile gegenüber bisherigen Verfahren bringe.

Eine Stärke von Bluetooth könnte sein, dass der Funkstandard zusammen mit den Beacons und entsprechender Software neben dem mobilen Bezahlen weitere Möglichkeiten bietet. So könnte ein Lebensmittelladen - wenn der Kunde es wünscht - über die Smartphone-App ermitteln, wann er zuletzt Milch gekauft hat und ihn an Nachschub erinnern, wenn er gerade vor dem Milchregal steht. "Die Anpassung von Bluetooth Smart für den Einsatz im Einzelhandel bildet die Basis für eine explosionsartige Entwicklung der Beacon-Technologie in den nächsten Jahren", ist sich Jawanda sicher.

"Wir erwarten, dass Bluetooth in diesem Jahr eine viel größere Rolle im mobilen Bezahlsystem spielen wird", sagt Jennifer Kent, Analystin bei Parks Associates. Dafür müssten die Geschäfte allerdings erst mit der Technologie aufgerüstet werden, wendet Miles ein. Die jeweiligen Nutzungs-Szenarien von NFC und BLE seien komplett verschieden. Für den verschlüsselten Bezahlvorgang sieht der NXP-Manager ohnehin keine drohende Konkurrenz für NFC. (dpa/tc)