Lohnt sich Long Term Evolution?

LTE bringt hohe Datenraten und kurze Latenzzeiten

22.03.2013 von Jürgen Hill
Lohnt es sich für Unternehmen, in die Mobilfunktechnik LTE einzusteigen? Bislang geben die Anbieter unterschiedliche Antworten, denn es geht um mehr als nur die Übertragungsgeschwindigkeit.
Foto: watcharakun, Shutterstock.com

Surfen mit bis zu 100 Mbit/s mit LTE. Starten Sie jetzt mit LTE-Geschwindigkeit durch - bei der Deutschen Telekom mit dem iPhone 5. Schneller kann keiner." Mit diesen Worten und einer ganzseitigen Anzeige in einer Tageszeitung informierte die Telekom kürzlich über den Stand der mobilen Kommunikation. Vier Tage später konterte Vodafone an selber Stelle in gleicher Größe: "Schnelles Internet ist da, wo Du bist. Surfen, simsen und telefonieren im größten Highspeed-Netz Deutschlands". Gemeint war hier allerdings UMTS. Was braucht der kommerzielle Anwender nun wirklich - UMTS oder LTE?

LTE in der Praxis
Long Term Evolution ist angekommen. Konnte man den Highspeed-Nachfolger für UMTS anfangs nur auf dem Land testen und messen, ist die Technik nun in immer mehr Städten verfügbar. Wir haben den mobilen Datenfunk ausprobiert.
o2 LTE Router Huawei B390s-2
O2 und Deutsche Telekom lassen den schwarz-weißen LTE-Router Huawei B390s-2 optisch fast unverändert und passen lediglich die Verpackung, das Handbuch und die Software stark an die Firmenfarben an. Vodafone vertreibt das gleiche Gerät in einem rot-weißen Gehäuse.
o2 LTE Router Huawei B390s-2
Im O2-LTE-800-Netz zu Pfaffing kommt aus dem O2 LTE Router sogar mehr Upload-Leistung, als im O2-LTE-Tarif 7200/2000 avisiert wird.
Speedport LTE Neufinsing, Esso
Bei diesem Screenshot stand der Telekom Speedport LTE Router am 10. Februar 2012 gerade in Neufinsing bei Markt Schwaben im Auto auf dem Armaturenbrett. Dort funkt bereits ein LTE-800-Netz der Telekom: Die SIM-Karte wurde vom Router als gültig validiert = GRÜN. Der Router findet auch ein passendes 4G-Netz = GRÜN. Auch die LTE-Signalstärke reicht bestens zum Surfen, was durch fünf grüne Balken rechts oben angezeigt wird.
AVM FRITZ!Box 6840 LTE
Die AVM FRITZ!Box 6840 LTE hat sich im Test mit einer LTE-SIM-Karte von Vodafone gut vertragen.
AVM FRITZ!Box 6840 LTE
Die Downloadwerte der AVM 6840 waren im LTE-800-Funknetz von Vodafone in München ganz okay. Die Upload-Werte schwächelten aber im Vergleich zu anderen LTE-Routern. Trotzdem können auch diese LTE-800-Durchsatzwerte der 4G-Fritzbox noch locker mit einem mittelprächtigen VDSL-50-Anschluss konkurrieren.
AVM FRITZ!Box 6840 LTE Vodafone
In diesem Screenshot war die FritzBox-LTE mit einer LTE-800-Funkzelle von Vodafone in Vierkirchen bei Dachau verbunden. In München sieht es derweil ähnlich aus.
AVM FRITZ!Box 6840 LTE
In diesem Fenster sieht man, ob die LTE-Antennen am Router einen guten Empfangspegel haben. Falls nicht, dreht man so lange an den Antennen herum, bis beide dBm-Werte möglichst hoch sind.
LANCOM 1781-4G-
Der LANCOM 1781-4G-LTE-Business-Router versteht LTE bei 800, 1800 und 2600 MHz. Findet er überhaupt kein LTE-Netz, dann schaltet er auf GPRS, EDGE, UMTS, HSPA oder HSPA+ zurück. Er brachte schöne Messwerte in allen getesteten LTE-Netzen von Telekom, O2 und Vodafone.
LANCOM 1781-4G Netzliste 1
Der LANCOM-Router zeigt den Modus (hier LTE), das Mobilfunkband (hier LTE 1800 MHz) und sogar die Kanalbandbreite (hier 20 MHz) in der Bediener-Software an. So differenziert hat das der Tester noch bei keinem anderen LTE-Router gesehen.
LANCOM 1781-4G Vodafone Netzliste 2
Netzliste: Hier steckte eine geeignete SIM-Karte von Vodafone im LANCOM 1781-4G-LTE-Business-Router. Damit ist der Zugriff auf die Vodafone-Netze per GPRS, UMTS und LTE gestattet. Außerdem funken noch LTE/UMTS/GPRS-Netze von der Telekom sowie LTE-lose UMTS/GPRS-Netze von E-Plus und O2 im Büro des Testers. Auf die drei Letztgenannten war der Zugriff mit der verwendeten LTE-SIM-Karte von Vodafone jedoch „verboten“.
LANCOM 1781-4G
VDSL-Feeling im Auto: So lange LTE-1800 noch nicht mit Bestwerten direkt ins Büro des Testers funkt, wird der LANCOM 1781-4G Router für die Speed-Messungen eben an den Messesee nach München-Riem gefahren. Über das blaue Ethernet-Kabel hängt der Laptop an einem Gigabit-Port des silbergrauen Routers. Das Router-Netzteil wird mit 230 Volt aus einem Spannungswandler versorgt.
LANCOM 1781-4G
Topwert: Eine Messung ergab im LTE-1800-Netz der Telekom in Riem einen DL von 42,40 und einen UL von 27,96 Mbps bei einer Pingzeit von 25 Millisekunden.
LANCOM 1781-4G T-SIM---LANCOM---Riem---Ping 25ms
Die Messung wurde gegen 00:23 Uhr nachts vorgenommen - der Tester hatte vermutlich "freie Bahn".
LANCOM 1781-4G
Bei über 40 Durchsatz-Messungen stellten sich am 26. März 2012 im LTE-1800-Netz der Telekom in Riem sehr schöne Mittelwerte von 42 Mbps im DL und 28 Mbps im UL bei einer mittleren Pingzeit von 31 Millisekunden ein.
Huawei E398u-15-Telekom Speedstick LTE
Im Juni 2011 verkündete die Telekom den Ausbau des Kölner LTE-Netzes bei 1800 MHz. Dabei hat sie auch gleich den Alles-Könner-LTE-Stick Huawei E398u-15 unter dem Namen Telekom Speedstick LTE kommuniziert. Er versteht LTE bei 2600, bei 1800 und seit 2012 nun endlich auch bei 800 MHz.
LTE T-SIM-T-Stick
Im Münchener LTE-1800-Funknetz war der „Telekom Speedstick LTE“ alias Huawei E398u-15 im Download so schnell wie ein sehr guter VDSL-50-Anschluss, knapp 50 Mbps. Im Upload war er sogar mehr als doppelt so schnell. VDSL-50 erreicht im Upload in der Praxis meist „nur“ 6 bis 9 Mbps.
HTC Velocity 4G
Dieser beste Messwert aus einem 2,6 km langen Fußmarsch in München hat große Ähnlichkeit mit typischen VDSL-50-Praxiswerten. Nur die Pings dauerten länger als bei VDSL üblich.

LTE steht für Long Term Evolution und ist ein Zwischenschritt auf dem Weg zur vierten Mobilfunkgeneration. LTE wird in zwei unterschiedlichen Anwendungsszenarien eingesetzt: als Alternative zu festen Internet-Anschlüssen über DSL oder Kabel-TV im Frequenzbereich 800 Megahertz (digitale Dividende) und als derzeit schnellster mobiler Internet-Zugang in den Frequenzbereichen 1,8; 2,0 und 2,6 Gigahertz. Für die letztgenannte Variante haben alle vier Netzbetreiber in Deutschland - Deutsche Telekom, Vodafone, E-Plus und Telefónica Germany (O2) die lizenzpflichtigen Frequenzen ersteigert. Das Frequenzspektrum bei 800 Megahertz verteilt sich an Telekom, Vodafone und O2 - E-Plus ging bei der Versteigerung leer aus. Die Ende Mai 2010 abgeschlossene LTE-Frequenzversteigerung erbrachte insgesamt 4,4 Milliarden Euro - das ist nur ein Bruchteil der rund 50 Milliarden Euro, die im Jahr 2000 bei der Versteigerung der UMTS-Frequenzen erzielt wurden.

Welche Vorteile bietet LTE?

Zunächst bietet LTE deutlich höhere Übertragungsgeschwindigkeiten im Vergleich zu GSM und UMTS/HSPA. Damit lassen sich auch große Datenmengen in Sekundenschnelle herunterladen: unter idealen Bedingungen werden hier beim mobilen Surfen Datenraten von bis zu 100 Mbit/s erreicht. Allerdings gilt auch für diese moderne Mobilfunktechnologie der Grundsatz des geteilten Übertragungsmediums: alle Teilnehmer in einer Funkzelle beziehungsweise einem Sektor teilen sich die Kapazität. Das bedeutet praktisch: Je mehr Teilnehmer gleichzeitig kommunizieren, desto geringer wird die Geschwindigkeit für jeden einzelnen.

LTE-Mobilfunknetze stellen für Datendienste eine deutlich höhere Kapazität zur Verfügung. Die Treiber für mehr Bandbreite sind insbesondere Cloud-Dienste und Videokommunikation. Der entscheidende Vorteil von LTE liegt jedoch in den wesentlich kürzeren Reaktionszeiten für einen schnellen Aufbau von Websites. Die Latenzzeit beträgt für LTE 20 Millisekunden (ms) und für LTE advanced sogar nur mehr fünf ms. LTE schlägt also die für DSL typischen 30 ms klar.

Der Zugang zu LTE-Netzen ist besonders einfach mit entsprechend ausgerüsteten Smartphones. Aber auch bereits vorhandene Laptops, Netbooks und Tablet-PCs können durch Nachrüstung mit einem USB-Stick die Vorteile des derzeit schnellsten Mobilfunknetzes nutzen. Weitere Zugangsmöglichkeiten bestehen mittels LTE-Modems und mobilen batteriebetriebenen LTE-WLAN-Routern.

Wo gibt es LTE?

Die Bundesnetzagentur hatte die Lizenznehmer verpflichtet, zunächst in den einzelnen Bundesländern den ländlichen Raum zu 90 Prozent mit der digitalen Dividende zu versorgen. Erst danach konnten die lukrativen Ballungsgebiete ausgebaut werden. Hier sind die Marktführer Telekom und Vodafone besonders stark engagiert.

LTE bei der Telekom

Die Telekom hatte Ende 2012 die 100 größten Städte mit LTE 1800 ausgestattet und wird bis 2016 rund 85 Prozent der Bevölkerung mit Datenraten bis zu 150 Mbit/s versorgen. Angekündigt ist ein innovativer Hybrid-Box-Dienst, der die beiden Technologien DSL-Vectoring und LTE miteinander kombinieren soll. Damit sollen Geschwindigkeiten von 200 Mbit/s im Download und 90 Mbit/s im Upload realisiert werden. Das aktuelle Angebot umfasst 34 Endgeräte, und die monatlichen Tarife liegen zwischen 20 und 90 Euro, abhängig von den gewählten Optionen.

"Die Zukunft im Mobilfunk heißt für uns LTE - und darauf konzentrieren wir uns in diesem Jahr und darüber hinaus. Parallel dazu setzen wir auch weiterhin auf die Modernisierung unseres UMTS-Netzes und bieten mit HSPA+ bereits Geschwindigkeiten von bis zu 42 Megabit/Sekunde in unserem gesamten UMTS-Netz an", erläutert Bruno Jacobfeuerborn, Geschäftsführer Technik Telekom Deutschland GmbH, die Konzernstrategie. An diesem Statement fällt auf: Von LTE advanced, dem eigentlichen 4G-Standard, ist nicht die Rede.

LTE bei Vodafone

Mehr Gebiete in Deutschland versorgt Vodafone mit LTE: 120 Städte mit mehr als 50.000 Einwohnern und fast 70 Großstädte mit über 100.000 Einwohnern können LTE bereits nutzen. In 2013 werden alle 81 deutschen Großstädte mit über 100.000 Einwohnern großflächig mit LTE versorgt. Und 2015 kann ganz Deutschland mit LTE surfen. Bereits im Dezember 2010 hat Vodafone als erster Netzbetreiber seine LTE-Tarife und LTE-Hardware angeboten. Das Hardwareangebot umfasst heute rund 20 Endgeräte, und die monatlichen Tarife bewegen sich zwischen 20 und 70 Euro, abhängig von der benötigten Geschwindigkeit und dem inkludierten Datenvolumen.

LTE bei Telefónica

Telefónica (O2) bietet mobiles LTE seit Juli 2012 in nur sechs Städten an und deckt damit lediglich 15 Prozent der Bevölkerung ab. Die monatlichen Tarife liegen zwischen 15 und 70 Euro. Allerdings meldet das Unternehmen im Februar 2013 einen technologischen Durchbruch: Im Labor wurde eine Technik demonstriert, die Telefongespräche ohne Unterbrechung aus dem LTE-Netz in das UMTS-Mobilfunknetz übergibt. Damit werden Sprachanrufe, die als Voice over LTE (VoLTE) über IP beginnen, beim Verlassen des LTE-Netzes als herkömmlicher Anruf weitergeführt. Derzeit müssen fast alle LTE-Smartphones zum Telefonieren auf ältere Standards wie GSM oder UMTS umschalten.

Schlusslicht E-Plus

E-Plus hat im Oktober 2011 weltweit das erste LTE-Kundenlabor an der TU Chemnitz eröffnet. Dort will man zunächst den tatsächlichen Kundenbedarf erforschen und wartet mit der Inbetriebnahme des eigenen LTE-Netzes noch ab. Die Planung sieht den Start für Ende 2013 vor. In der Zwischenzeit baut E-Plus sein UMTS-Netz intensiv mit HSPA+ aus.

LTE im Unternehmen?

Wer sich als ITK-Entscheider im Unternehmen mit LTE befasst, sollte sich darüber im Klaren sein: LTE ist heute noch nicht das Universalnetz für die Sprach- und Datenkommunikation. Die Technologie sollte deshalb nur dann bevorzugt werden, wenn große Datenmengen in kurzer Zeit übertragen werden müssen. Auch das Kriterium Latenzzeit kann ein Entscheidungsgrund sein. Die reine Übertragungsgeschwindigkeit hat für die meisten Anwender keine Bedeutung, denn ihnen ist eine hohe Verfügbarkeit und Qualität wichtiger. Abgesehen von den hohen Datenraten und sehr kurzen Latenzzeiten stellt LTE erstmals eine durchgängige IP-basierte Netzarchitektur bereit.

Die offenen Schnittstellen ermöglichen somit das Einbinden von bestehenden Anwendungen und Systemen. Ferner ist damit ein nahtloser Übergang von In- und Outdoor- sowie von verschiedenen Teilnetzen möglich. Insbesondere profitieren mobile Videoanwendungen von der überragenden Qualität dieser nächsten Netzwerkgeneration. LTE-Mobilfunkgeräte werden somit zu leistungsstarken mobilen Computern. (hi)

Das Potenzial der verschiedenen Mobilfunkgenerationen

Generation

Eigenschaften

Latenzzeit

Bemerkung

1G - Analog (A-,B-,C-Netz in Deutschland)

Entwickelt für Telefonie; Datenübertragung mit Modem

750 bis 1000 ms

Mobilfunk in D seit 1958; C-Netz ging 1985 in Betrieb und lief bis Ende 2000

2G - GSM (Europa) IS-95/CDMA (Asien, USA)

Telefonie Datenübertragung mit GPRS: 171 Kbit/s HSCSD: 115 Kbit/s EDGE: 473 Kbit/s

500 ms 250 ms 350 ms

Erste digitale Mobilfunknetze seit 1990 in Betrieb D-Netze gingen in Deutschland 1992 in Betrieb

3G - UMTS

Telefonie Datenübertragung bis 2 Mbit/s Mit HSPA bis zu 14,4 Mbit/s Mit HSPA+ bis zu 42 Mbit/s (168 Mbit/s möglich)

200 ms 65 ms 50 ms

Weltweiter Standard bei ITU als IMT-2000 definiert; im Februar 2013 kommunizierten weltweit 1,28 Milliarden Teilnehmer in den UMTS-Netzen

3,9G - LTE

Datenübertragung bis zu 150 Mbit/s; Telefonie in Vorbereitung

20 ms

LTE ist ein Zwischenschritt zu 4G; im Februar 2013 sind weltweit 137 LTE-Netze in Betrieb

4G - LTE advanced

Datenübertragung bis 1 Gbit/s

5 ms

Offizielle 4G-Technologien nach ITU sind LTE advanced und WiMAX2

Quelle: Gerhard Kafka