Logistik: Informatiker mit Schnittstellenwissen gesucht

27.05.2004 von Karen Funk
Im Zuge der fortschreitenden Globalisierung wird die internationale Vernetzung in der Logistikbranche immer wichtiger. Künftig werden Supply Chains beziehungsweise durch Logistik und IT verbundene Netzwerke miteinander konkurrieren und nicht mehr einzelne Unternehmen. Gewinnen werden die Firmen, die mit intelligenten Systemen ihre Prozesse verbessern. Die Branche braucht also Informatiker, sofern sie Erfahrung aus der Praxis mitbringen.

Lufthansa Cargo fliegt jährlich zwischen 800 und 1200 Tonnen Beaujolais Nouveau in alle Welt. Eine besondere Herausforderung für die Transportdienstleistungstochter der Lufthansa ist dabei Jahr für Jahr die termingerechte Auslieferung dieses Weines, der nach Dekret des französischen Staates erst am dritten Donnerstag im November eines jeden Jahres ausgeschenkt werden darf – ob in Europa, Japan oder in den USA.

 

Lufthansa Cargo verlädt Fracht in eines ihrer 14 Flugzeuge der Marke "MD-11F". (Foto: Peter Hamel/Lufthansa)

Dafür benötigt man eine ausgefeilte Logistik, denn sollte eine Flasche früher als erlaubt ausgeliefert oder entkorkt werden, drohen dem Genießer und dem Vertreiber gleichermaßen empfindliche Geldstrafen.

 

Die Vorbereitungen für die komplexe Verteilung beginnen in der Regel im Juni. Zunächst müssen die Flaschen von den Lufthansa-Cargo-Lagern in Lyon und Mühlhausen per LKW nach Deutschland gebracht werden, um von dort aus den Weg via Luftfracht an ihre unterschiedlichen Ziele in aller Welt anzutreten.

 

Doch in der Logistik- und Transportbranche geht es nicht nur um die Lieferung von Waren "just in time". Auch das Supply-Chain-Management (SCM) spielt eine wichtige Rolle. Ziel dabei ist, die gesamte Versorgungskette zu optimieren. Zudem kommt der internationalen Vernetzung vor allem mit den mittel- und osteuropäischen Ländern derzeit eine besondere Bedeutung zu.

 

Michael Zeuch, Vorstandsmitglied des Bundesverbands für Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME) und Professor für Materialwirtschaft und Supply Management an der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt, zeigt sich überzeugt: "Heutzutage geht es um Supply-Network-Management und um kurze Kommunikations- und Transportwege." Auf der IT-Seite spielen seiner Meinung nach vor allem intelligente Lösungen eine Rolle, die kostengünstige Prozesse ermöglichen können. Ein weiteres wichtiges Thema der Branche sei Tracking und Tracing, bei dem man die logistischen Daten online verfolgen kann. "Wer hier innovativ ist, der wird das Rennen machen", so Zeuch weiter.

 

Eine Branche im Wandel

 

Neben den klassischen Feldern Transport, Lagerung und Umschlag von Waren umfasst der Aufgabenbereich der Logistik inzwischen jedoch noch viel mehr: Heute bewegt die Branche stetig steigende Gütermengen mit Hilfe innovativer Konzepte und Technologien. So ermöglicht die Logistik die zielgerichtete Steuerung und Verwendung von Informationen auf ihrem Weg durch Unternehmen und Supply Chains. Durch die Lenkung und Koordination aller unternehmensinternen und -übergreifenden Güter- und Informationsflüsse verknüpft die Logistik Unternehmensteile, Lieferanten und Kunden in Netzwerken miteinander.

 

Und die Branche ist erfolgreich, hat Zukunft: Laut der Untersuchung "Top 100 der Logistik" von Peter Klaus, der bis dato aktuellsten Markterhebung, erwirtschaftete die Logistikwirtschaft 2001 in Deutschland einen Umsatz von 150 Milliarden Euro und zählte 2,06 Millionen Mitarbeiter. Davon entfielen 39,3 Milliarden Euro auf die industrielle Kontraktlogistik und 19,3 Milliarden Euro auf die Konsumgüterlogistik. Die nächstgrößeren Umsatzblöcke sind Terminaldienste mit 16,4 Milliarden Euro, allgemeiner Ladungsverkehr mit 12,6 Milliarden Euro und nationale Massengutlogistik mit zehn Milliarden Euro. Deutschlands größter Logistikdienstleister war 2001 die Deutsche Post AG, wurde aber 2002 durch das Zusammengehen von DB Cargo und Schenker/Stinnes abgelöst.

 

3000 Informatiker braucht die Logistik jährlich

 

Der Informationstechnologie kommt dabei eine besondere Rolle zu. "IT ist heute ein zentraler Lösungsbaustein der Logistik", so Bitkom-Vizepräsident Heinz Paul Bonn. Ob Software für die Steuerung von Lager, Umschlag und Transport, ob mobile Lösungen für den Außendienst oder Radio-Frequency-Identification-Technik zur elektronischen Identifikation von Waren und Gütern, mit der sich Lieferketten kontrollieren und verbessern lassen - multimodale Integration werde künftig unterschiedliche Transport- und Informationswege zusammenfassen.

 

Das schlägt sich auch auf dem Arbeitsmarkt nieder. "Die Logistikwirtschaft benötigt rund 10 000 Hochschulabsolventen pro Jahr, davon zirka 30 Prozent mit einem Abschluss in Informatik", skizziert Stefan Walter, Projektleiter bei der Bundesvereinigung Logistik (BVL) in Bremen, die augenblickliche Arbeitsmarktlage. Besonders prädestiniert für die Branche sind seiner Meinung nach Wirtschaftsingenieure: "Die kann man überall einsetzen. Sie beherrschen die wirtschaftliche, aber auch die technische und informationstechnologische Seite." Walter verweist auf die Technische Universität Berlin, die seit neuestem im Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen die Studienrichtung Informations- und Kommunikationssysteme anbietet, bei der ein Schwerpunkt auf der Informatik und der andere auf der Logistik liegt.

 

Aber auch die reinen Informatiker hätten sehr gute Chancen in der Logistik- und Materialwirtschaft, vor allem wenn sie Branchenkenntnisse mitbringen. Besonders gesucht sei Know-how zu Logistiksimulationssystemen, agentengestützter Software und natürlich zu SCM-Lösungen wie etwa von SAP, IBM oder Microsoft.

 

Aber bitte mit Branchenkenntnissen

 

So interessiert sich auch die Lufthansa Cargo vor allem für IT-Spezialisten, die drei bis fünf Jahre Berufserfahrung - idealerweise in der Luftfracht- und Logistikbranche - mitbringen. Weltweit beschäftigt der Transportprofi 5000 Mitarbeiter, davon 3700 in Deutschland und rund 100 im IT-Bereich, die hauptsächlich für die fachliche Steuerung der Informationstechnologie zuständig sind. Die technischen Aufgaben hat das Unternehmen an die Konzern-Tochter Lufthansa Systems vergeben.

 

Beim IT-Know-how legt der Transportdienstleister, der 2003 rund 1,6 Millionen Tonnen Fracht beförderte und einen Umsatz von über 2,1 Milliarden Euro erwirtschaftete, vor allem Wert auf Kenntnis von Prozess- und Use-Case-Modellierung sowie EAI-Konzepten (EAI = Enterprise Application Integration). Aber auch Know-how in Sachen Java, J2EE (Java 2 Enterprise Edition), C/C++, Web-Services, Data Warehouse und Corba (Common Object Request Broker Architecture) stehen auf der Wunschliste der Qualifikationen.

 

Daneben sind Eigenschaften wie ein hohes Abstraktionsvermögen sowie analytisches und konzeptionelles Denken, Organisations- und Koordinationstalent gefragt. Auch andere Soft Skills wie Teamfähigkeit und gute Englischkenntnisse sind für eine IT-Karriere in der Lufthansa-Logistiksparte wichtig. "Unsere Branche ist einem zunehmenden Wettbewerb ausgesetzt, es findet eine stärkere Vernetzung der Unternehmen statt", erklärt Nils Haupt, Leiter der Unternehmenskommunikation bei der Lufthansa Cargo. Das habe Konsequenzen für die Mitarbeiter: sie müssten flexibel und bereit für Veränderungen sein sowie interkulturelle Kompetenz mitbringen.

 

Branchenwissen ist auch für das Speditionsunternehmen Intertrans GmbH aus Ludwigshafen ausschlaggebend, wenn es um die Auswahl von IT-Mitarbeitern geht. Zudem zählen Wissen über Netzwerke sowie deren Anbindung an die Außenwelt und Softwarekenntnisse, die über die reine Bedienung hinausgehen. Tracking und Tracing sowie Barcoding werden wichtiger und damit kämen auch immer mehr verschiedene Programme zur Anwendung, so dass die IT-Mitarbeiter ein zunehmend breiteres Spektrum abdecken müssten.

 

Der Familienbetrieb, der zurzeit 60 Mitarbeiter beschäftigt, beklagt allerdings, dass es zu wenig qualifizierte Bewerbungen gebe. Unternehmenssprecher Michael Peters: "Meist sind es Theoretiker ohne Ideen oder Umschüler mit nur rudimentärem DV-Wissen." Auch Haupt von Lufthansa Cargo erklärt, dass die Anzahl der Bewerbungen immer von der Marktlage abhänge, "da wir natürlich nicht unbedingt erste Wahl für Informatiker sind".