Datenrettung und Backup kostenlos

Linux-Versionen für den Notfall

29.10.2012 von Jürgen Donauer
Mit den kostenlosen Linux-Distributionen Trinity Rescue Kit, Parted Magic und SystemRescueCd sind Sie auf den Ernstfall vorbereitet.

Ein Datenverlust kann richtig ins Geld gehen. Wohl dem, der ein Backup zur Hand hat. Aber auch ohne Datensicherung ist noch nicht alles verloren. Im schlimmsten Fall muss man die defekte Festplatte zu professionellen Diensten einschicken. Diese können schnell richtig teuer werden. So lange die Massenspeicher aber physikalisch noch in einem brauchbaren Zustand sind, können Sie selbst mehr Daten retten, als Sie annehmen. Das gilt sogar für formatierte Festplatten.

Die Linux-Distributionen Parted Magic, Trinity Rescue Kit und SystemRescueCd haben sich auf Datenrettung spezialisiert. Dabei können diese auch auf Windows- und Mac-Rechnern weiterhelfen. Im Folgenden stellen wir Ihnen die drei kostenlosen Linux-Versionen vor. Die Schnittmenge der enthaltenen Software ist groß. Dennoch gibt es Unterschiede.

Ursprünglich als mobiler Partitionierer entwickelt: Parted Magic

Grafisch: Parted Magic startet per Standard in eine grafische Oberfläche.

Das Projekt Parted Magic wurde ursprünglich ins Leben gerufen, um eine Live-CD zum Partitionieren in der Tasche zu haben. Im Laufe der Zeit hat sich das auf Linux basierende System zu einem vollständigen Datenretter gemausert. Die Entwickler haben Stück für Stück wichtige System-Tools angefügt, die für jeden Administrator oder IT-Techniker wertvoll sind. Parted Magic startet per Standard in einen grafischen Modus.

Linux-Versionen für den Notfall
Bootscreen
Parted Magic starten.
Grafisch
Parted Magic startet per Standard in eine grafische Oberfläche.
Mit TrueCrypt
Das Betriebssystem bringt viele nützliche Programme mit sich.
Viel Software
Vom sicheren Löschen bis zur Datenrettung.
Internet-Werkzeuge
Diverse Netzwerk-Tools erleichtern die Arbeit.
Nach dem Crash
Mit TestDisk können Sie Dateisystem wieder herstellen oder reparieren.
Von außen
Parted Magic bringt Remote-Werkzeuge mit, um VNC- oder RDP-Verbindungen aufzubauen.
Für immer
Mit Erase Disk können Sie Massenspeicher sicher löschen.
Viel Auswahl
Bereits beim Start bietet Trinity Rescue Kit viele Möglichkeiten.
Virenjagd
Eine Startoption ist alle Massenspeicher auf Schadcode zu untersuchen.
Sichere Verbindung
Starten Sie den SSH-Server, müssen Sie ein neues Passwort vergeben.
Übersichtlich
Wer keine Kommandozeilen-Orgien mag, dem kommt das TRK-Menü gelegen.
Nicht nur ClamAV
Bei Trinity Rescue Kit haben Sie mehrere Virenscanner zur Auswahl.
Internet notwendig
ür das Benutzen der Virenscanner ist eine Internet-Verbindung erforderlich.
Windows aufräumen
TRK kann beim Frühjahrsputz eines Windows-PCs helfen.
Alternativen
Die SystemRescueCd bietet verschiedene Kernel als Start-Option an.
Grafisch oder nicht
Einen grafischen Modus müssen Sie manuell aufrufen.
CD- und DVD-Editor
Unter Multimedia finden Sie auch ISO Master.
fsarchiver
Damit können Sie die Inhalte von Massenspeichern in eine komprimierte Datei sichern.
Klonen
Mit Partimage können Sie komplette Partitionen wegsichern und wieder herstellen.

Partitions-Programme

Viel Software: Vom sicheren Löschen bis zur Datenrettung.

Parted Magic bringt diverse Programme mit sich, die sich für das Partitionieren eignen. Das bekannteste ist hier GParted, das die Bibliothek libparted benutzt. Wer mit Linux etwas vertraut ist, kennt dieses Werkzeug. Es ist so etwas wie der Quasi-Standard der grafischen Partitionierer. Es befinden sich aber auch die Konsolen-Werkzeuge cfdisk, fdisk, gpart, parted, sfdisk und gdisk an Bord. Letzteres ist ein Tool, das mit dem GPT-Format umgehen kann. Um von GPT-Festplatten zu starten brauchen Sie bekanntlich ein Mainboard mit einem EFI- BIOS.

Tools für Dateisysteme

Wie die meisten Linux-Distributionen bringt auch Parted magic die entsprechenden Tools für die Linux-Dateisysteme mit sich. Dazu gehören e2fsprogs, btrfs, reiser4progs, reiserfsprogs und xfsprogs. Um auf Windows-, Mac- und alte DOS-Dateisysteme zugreifen zu können, befinden sich ntfs-3g, ntfsprogs, hfsplus, diskdev_cmds und dosfstools an Bord. Mittels fsarchiver können Sie die Inhalte eines Dateisystems in eine komprimierte Archiv-Datei sichern. Ebenso bringt Parted Magic einige Benchmark-Tools zum Testen der Laufwerksgeschwindigkeit mit sich. Hier finden sich die üblichen Verdächtigen wie Bonnie++, dbench und IOzone wieder. Diese haben zwar weniger mit Datenrettung zu tun, es schadet aber nichts, sie zur Hand zu haben. Das Paket runden curlftpfs, EncFS, FUSE, sshfs und vmfs-tools ab.

Boot Loader

Manchmal müssen Administratoren oder Service-Techniker defekte Boot Loader wieder herstellen. Für diesen Fall ist Parted Magic ebenso gerüstet. Das Betriebssystem stellt hierfür Tools zur Verfügung, die die meisten Fälle abdecken sollten. Im Einzelnen sind das grub, HDT, install-mbr, lilo, Memtest86+, ms-sys und syslinux.

Grafische Werkzeuge

Internet-Werkzeuge: Diverse Netzwerk-Tools erleichtern die Arbeit.

Da Parted Magic per Standard in einer grafischen Oberfläche startet, bringt es natürlich auch diverse grafische Werkzeuge mit sich. Sollte sich auf dem Patienten ein mit TrueCrypt verschlüsseltes Volumen befinden, ist dieses Tool natürlich von Vorteil. Des Weiteren können Sie mit SimpleBurn Daten direkt auf CD oder DVD brennen. GSmartControl ist eine grafische Oberfläche für smartctl. Damit können Sie Festplatten auf deren Gesundheitszustand überprüfen. Als Internet Browser ist in der neuesten Version Mozillas Firefox vorhanden. Erase Disk erlaubt das sichere Löschen von Festplatten mittels dd, shred oder nwipe. Das bekannte Tool zum Editieren von CD- und DVD-Abbildern ISO Master ist ebenfalls mit von der Partie.

Nennenswerte Kommandozeilen-Programme

Nach dem Crash: Mit TestDisk können Sie Dateisystem wieder herstellen oder reparieren.

Parted Magic bringt auch viele Konsolenprogramme mit sich. Linux-Kennern dürften viele davon gut bekannt sein. Mit extundelete und ext3grep können Sie gelöschte Dateien von ext3- und ext4-Dateisystemen wieder herstellen. Mittels safecopy können Sie unter Umständen Dateien von defekten Datenträgern retten. Ebenso für das Retten von Daten sind TestDisk und PhotoRec zuständig. Mit Clonezilla und Ghost4Linux haben Sie die Möglichkeit, Partitionen oder ganze Festplatten zu klonen. Der freie Virenscanner ClamAV ist ebenfalls vorhanden. Natürlich haben die Entwickler auch an rsync, Midnight Commander, mdadm und OpenSSH gedacht. Mit rTorrent ist sogar ein Konsolen-basierter BitTorrent-Client an Bord.

Weiterführende Links

Sie finden eine Liste mit Programmen, die sich in Parted Magic befinden auf dieser Seite, die allerdings nicht ganz aktuell ist. Es fehlt zum Beispiel Ghost4Linux und es wird immer noch Chromium statt Firefox als Standard-Browser gelistet. Die aktuelle Version können Sie aus dem Download-Bereich der Projektseite herunterladen.

Trinity Rescue Kit (TRK): Datenrettung und Backup

Viel Auswahl: bereits beim Start bietet TRK viele Möglichkeiten.

Bereits im Bootscreen haben Datenretter diverse Möglichkeiten, die sehr nützlich sein können. Zum Beispiel können Sie einen nicht interaktiven Virenscan auf allen Datenträgern mittels ClamAV durchführen lassen. Dafür sollten Sie aber eine Internet-Verbindung zur Verfügung haben, da Trinity Rescue Kit (TRK) ClamAV zunächst auf einen aktuellen Stand bringt. Ebenso können Sie mittels mclone beliebig viele Rechner klonen. Die Möglichkeit den Client zu starten ist ebenfalls eine Start-Option. Den zu klonenden Rechner müssen Sie mit TRK zunächst starten und dann mclone –s aufrufen.

Des Weiteren können Sie während des Starts angeben, dass alle Laufwerke via Samba als Gast freigegeben werden. Hier ist jedoch Vorsicht geboten, da alle im selben Netzwerk Zugriff auf diese Shares haben. Sie können TRK auch anweisen, während des Bootens einen SSH-Server zu starten. Somit können Sie Daten eines Clients sicher übertragen, weil Sie das Passwort während des Startvorgangs ändern müssen.

Nicht grafisch, aber dennoch Menü

Übersichtlich: Wer keine Kommandozeilen-Orgien mag, dem kommt das TRK-Menü gelegen.

Trinity Rescue Kit hat keine grafische Oberfläche. Es startet per Standard allerdings in ein Eigenbau-Menü, das schnellen Zugriff auf wichtige Datenrettungs-Werkzeuge gibt. Aus diesem Menü können Sie ebenfalls einen Samba- oder SSH-Server starten. Des Weiteren haben Sie die Möglichkeit die IP-Adresse der ersten Netzwerkkarte selbst festzulegen. Ebenso können Sie den Midnight-Commander aus dem Menü aufrufen. Sollten Sie sich auf einer Kommandozeile befinden und das Menü wieder aufrufen wollen, brauchen Sie das System nicht neu zu starten. Der Befehl trkmenu erledigt dies.

Virenjäger

Nicht nur ClamAV: Bei Trinity Rescue Kit haben Sie mehrere Virenscanner zur Auswahl.

Ein herausragende Eigenschaft von Trinity Rescue Kit ist die Implementierung der Virenscanner. Dass die freie Software ClamAV enthalten ist, wurde bereits erwähnt. Sie können aber auch mit F-Prot, BitDefender, Vexira und Avast die Speichermedien auf Cyberungeziefer untersuchen lassen. Dazu ist aber eine funktionierende Internetverbindung notwendig. TRK lädt Testversionen der entsprechenden Scanner herunter und prüft dann auf Viren. Für Avast brauchen Sie allerdings zunächst einen gültigen Lizenzschlüssel.

Windows-Passwort zurücksetzen und Rechner aufräumen

Windows aufräumen: TRK kann beim Frühjahrsputz eines Windows-PCs helfen.

Im Menü von Trinity Rescue Kit gibt es eine Option, das Windows-Passwort zurück zu setzen. Dabei können Sie wählen, ob Sie das Kennwort für den eingebauten Administrator ändern möchten oder einen bestimmten Benutzernamen angeben. Das dafür verwendete Tool ist winpass.

Des Weiteren können Sie TRK anweisen, nicht mehr benutzte Dateien von der Windows-Installation zu entfernen. Dazu gehören auch hängende Druckaufträge, alle Papierkörbe, leere DLL-Cache-Ordner, Java-Cache für Sun Java und temporäre Dateien.

Links und Kommandozeile

Auf den ersten Blick sieht Trinity Rescue Kit etwas mager ausgestattet aus. Das liegt aber daran, dass das Menü bei weitem nicht alle enthaltenen Werkzeuge auflistet. Sieht man sich die von den Entwicklern bereitgestellte Kommandozeilen-Liste an, enthält man einen Eindruck, wie mächtig TRK ist.

Selbstverständich sind Werkzeuge wie TestDisk, PhotoRec, rkhunter, chrootkit und rsync mit von der Partie. Eine umfangreiche Dokumentation stellen die Entwickler hinter diesem Link zur Verfügung. Das Ganze gibt es auch freundlich für Drucker. Herunterladen können Sie Trinity Rescue Kit aus dem Download-Bereich des Projekts.

Die Dritte im Bunde: SystemRescueCd

Alternativen: Die SystemRescueCd bietet verschiedene Kernel als Start-Option an.

Die dritte große Datenrettungs-Distribution ist SystemRescueCd. Das Betriebssystem startet per Standard in einen nicht-grafischen Modus. Wer lieber mit einer GUI arbeitet, kann diese via startx starten. Sollte dieser Vorgang fehlschlagen gibt es die Möglichkeit, mittels wizard den X-Server zunächst zu konfigurieren.

Die SystemRescueCd stellt auf einem Medium den Linux-Kernel für x86- und x86_64-Bit-Systeme zur Verfügung. Ebenfalls ist ein alternativer Kernel für beide Architekturen enthalten, falls der Standard-Kernel Probleme bereitet.

Vorhandene Programme

CD- und DVD-Editor: Unter Multimedia finden Sie auch ISO Master.

Die SystemRescueCd bringt diverse nützliche Programme zur Datenrettung mit sich. Fsarchiver dient zum Beispiel für eine Datensicherung kompletter Dateisysteme. Partimage speichert Massenspeicher Block für Block. Ebenso enthalten sind prominente Open-Source-Programme wie zum Beispiel TestDisk, PhotoRec, Midnight Commander, ClamAV, chrootkit, rsync, shred und wipe. Auch ISO Master und Xfburn finden sich in der Programmliste wieder.

fsarchiver: Damit können Sie die Inhalte von Massenspeichern in eine komprimierte Datei sichern.

Für die SystemRescueCd gilt ebenso, dass das Betriebssystem mächtiger ist, als es auf den ersten Blick scheint. Die Liste der enthaltenen Pakete verrät, dass die SystemRescueCd ein vollständiger Datenretter ist.

Tipps und weiterführende Links

Sehr angenehm ist, dass die Dokumentation für die SystemRescueCd auf Deutsch verfügbar ist. Dort finden Sie auch praktische Tipps und Kommandozeilen-Beispiele. Somit dürften auch Linux-Anfänger schnell erste Erfolge aufweisen können. Wenn Sie die SystemRescueCd zum ersten Mal benutzen, könnte die Schnellstart-Seite wertvoll sein.

Die Entwickler stellen auch eine ausführliche Anleitung bereit, wie Sie die SystemRescueCd auf einen USB-Stick installieren können. Diese gibt es allerdings nur in Englisch. Die Distribution lässt sich des Weiteren an eigene Bedürfnisse anpassen. Wie das funktioniert finden Sie hier. Eine Kopie der SystemRescueCd können Sie aus dem Download-bereich der Projektseite herunterladen. Testfreudige können auch einen Blick auf die aktuelle Beta-Version werfen. Hier finden Sie unter anderem Kernel 2.6.38 und Xfce 4.8.

Fazit: Backup und Datenrettung mit Linux

Die beste Linux-Distribution für die Datenrettung aus den drei hier vorgestellten zu küren ist schwer. Auch wenn Trinity Rescue Kit über keine grafische Oberfläche verfügt, gibt es hier jedoch keinen Schönheitspreis zu vergeben. Alle Systeme haben eindeutige Vorzüge. Nachteile gibt es nicht wirklich bei einer der Distributionen. Die Tools sind teilweise nur anders ausgewählt. Es wäre geradezu unfair, hier Ränge zu vergeben. Die Entwickler aller drei Systeme machen sehr gute Arbeit und stellen ihre Werke auch noch kostenfrei zur Verfügung. Alle drei Projekte nehmen gerne Spenden an.

Schwer zu lernen ist keiner der drei Linux-Retter. Vor allen Dingen nicht, wenn man schon mit Linux-Systemen vertraut ist. Etwas einlesen und herumprobieren kann vor einem Noteinsatz allerdings nicht schaden. Geschickt ist wohl, sich nicht auf eine der Distributionen zu verlassen, sondern alle drei im Gepäck zu haben. Dann ist man als Systemtechniker oder Administrator optimal ausgerüstet. (wh)