Linux: "Kaum Probleme in der Praxis"

26.01.2005 von Till Jaeger
Für den bloßen Anwender gleichen die juristischen Risiken beim Einsatz von freier Software weitgehend denen beim Einsatz von herkömmlichen Programmen. Haftung und Gewährleistung für das Produkt hängen bei Individualvereinbarungen von den Verträgen mit dem Anbieter ab, bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen gewährt das AGB-Recht weitgehend Schutz vor vertraglichen Fallen. Entschei-dend für das Risiko ist also nicht die Li-zenzierung, die bei der bloßen Benutzung ohnehin nur eine untergeordnete Rolle spielt, sondern der Erwerbsvorgang.
"Entscheidend für das Risiko ist nicht die Lizenzierung, sondern der Erwerbsvorgang." (Till Jaeger)

Wer sich ein Programm kostenlos aus dem Internet herunterlädt, kann nicht die gleiche Gewährleistung erwarten wie für den Fall, dass ein kommerzieller Anbieter die freie Software verkauft oder an spezielle Bedürfnisse anpasst. Ist Letzteres der Fall, ergibt sich rechtlich kein Unterschied zum Erwerb herkömmlicher Software. Dem obligatorischen Haftungsausschluss (Disclaimer) in Open-Source-Lizenzen kommt dann keine Bedeutung zu, wenn es um das Verhältnis zwischen Anbieter und Kunde geht. Lediglich die Beziehung zwischen dem kommerziellen Anbieter und den Programmierern ist davon betroffen.

Auch im Hinblick auf die Verletzung von Softwarepatenten sind die Risiken bei Open Source und "proprietärer" Software vergleichbar. Da durch Patente technische Funktionen unabhängig von der konkreten Implementierung geschützt werden und nicht - wie durch das Urheberrecht - konkreter Code, können Patentverletzungen für jedes Lizenzmodell ein Problem darstellen. Daher fällt auch nicht ins Gewicht, dass Sourcecode offen zugänglich ist; er ist für den Nachweis von Patentverletzungen zumeist nicht relevant.

Wiederum ist die Stellung des Anbieters wichtiger: Während große Player wie IBM und Novell ihre Kunden von Ansprüchen Dritter freizustellen vermögen, weil sie aufgrund ihres eigenen Patentportfolios Cross-Licensing-Agreements mit anderen Patentinhabern abschließen können, fallen kleineren Anbietern solche "Versicherungen" wesentlich schwerer. Für den An-wender jedoch tröstlich: Schadensersatz-ansprüche können nur bei Verschulden, also Vorsatz oder Fahrlässigkeit, geltend gemacht werden. Selbst wenn eingesetzte Software ein Patent verletzt, kann dem Anwender allenfalls die weitere Nutzung verboten werden.

Zu starker Verunsicherung führte der Rechtsstreit zwischen SCO und IBM wegen angeblich von IBM heimlich in Linux eingefügten SCO-Codes. Bislang konnte SCO dafür keine Beweise veröffentlichen. Daher wurde dem Unternehmen in Deutschland die Behauptung gerichtlich verboten, dass die Nutzung von Linux gegen seine Urheberrechte verstoße. Eine Klage von SCO gegen den Linux-Anwender Daimler-Chrysler blieb denn auch erfolglos.

Theoretische Gefahren

Theoretisch besteht stets das Risiko, dass arglistig fremder Code in eine freie Soft-ware eingefügt wird, allerdings dürften diese Fälle praktisch zu vernachlässigen sein: Im Regelfall schützen Softwareunternehmen ihren Sourcecode als Betriebsgeheimnis, dementsprechend unwahrschein-lich ist auch die Übernahme in einem Open-Source-Projekt. Ist eine Firma hingegen selbst im Open-Source-Bereich tätig, wie dies bei SCO der Fall war, ist es rechtsmissbräuchlich, einerseits dieselbe Software als Open Source anzubieten, andererseits aber die Nutzung durch Dritte verbieten zu wollen.

Praktisch relevante Rechtsprobleme stellen sich jedoch den Anbietern von Softwarelösungen, die Bestandteile unter verschiedenen Lizenzbedingungen beinhalten. Hier ist eine sorgfältige Analyse erforderlich, ob die unterschiedlichen Lizenzen die Kombination zu einem Produkt erlauben. Die damit verbundenen Rechtsfragen lassen sich aber durch ein geeignetes Lizenz-Management ebenso in den Griff bekommen wie die Erfüllung von Pflichten aus den Open-Source-Lizenzen. Hier hatte die in dem GPL-Verfahren vor dem LG München I verklagte Firma (siehe neben-stehenden Artikel) schlicht geschlampt. Für den Anwender ergeben sich daraus kaum praktische Probleme: Die GPL erlaubt dem Anwender die Benutzung des Programms auch für den Fall, dass der Lieferant die Lizenzbedingungen verletzt hat.