KTW-Chef Karner sieht Zukunft für Semiramis

27.10.2006
Nachdem der österreichische ERP-Hersteller Semiramis Software GmbH sowie dessen deutsche Tochter Semiramis Software AG aus Hannover Konkurs beziehungsweise Insolvenz angemeldet haben, ist die Zukunft des Produkts völlig unklar.

Laut Reinhold Karner, Gründer und Chef der Firma Semiramis, müsse zwar das Insolvenzverfahren abgewartet werden. Er sieht aber gute Chancen, die ERP-Lösung Semiramis am Leben zu erhalten. Karners Unternehmen KTW mit Sitz in Kirchbichl in Tirol, ist zu 50 Prozent an der Semiramis Software GmbH beteiligt und habe auch Rechte am Quellcode sowie an der Marke. Nach seinen Worten zählt der Programmcode durch entsprechende Vereinbarungen mit der KTW auch nicht zur Konkursmasse. Zu hundert Prozent sicher ist sich der Österreicher hingegen nicht: "Ich bin kein Jurist."

Zur Insolvenz sei es gekommen, da Karners Partner Franz Koch nicht bereit war, die "eigentlich schon vereinbarten Expansionspläne" auch finanziell mitzutragen. Geplant war, das Partnergeschäft auszubauen, durch einen direkten Vertrieb zu ergänzen, um so auch größere Kunden als den bisher adressierten Mittelstand zu erreichen, und Branchenschwerpunkte zu setzen. Im Zuge dieser Ausrichtung sollten die Firmen KTW und Semiramis zusammengeführt werden. Daraus wird nun vorerst nichts. Was aus dem Produkt und der Firma Semiramis wird, steht vermutlich erst im Dezember fest.

Nach Angaben des Firmengründers hätte KTW die Möglichkeit, das ERP-Produkt auch in Eigenregie weiterzuführen, allerdings könnten die anvisierten Zukunftspläne nicht ohne Unterstützung von außen in voller Breite verwirklicht werden. KTW verfüge über Supportkapazitäten und sei in der Lage, das Produkt weiterzuentwickeln. Zudem habe er vor, die Softwarespezialisten der Semiramis Software AG in Hannover zu übernehmen und auch den Standort zu halten. Allerdings ist KTW nicht der juristische Nachfolger der Firma Semiramis und will dies laut Karner auch nicht sein. In diesem Fall hätte das Unternehmen nämlich die Nachfolgehaftung.

Allerdings dürfte es der KTW schwer fallen, allein über einen längeren Zeitraum Supportverträge zu erfüllen sowie das Produkt weiterzuentwickeln. Der Grund: Bis dato ist Semiramis eher noch ein Investitionsobjekt.

Geldgeber Koch und Softwareunternehmer Karner hatten gemeinsam rund 50 Millionen Euro in die Entwicklung der Software gesteckt. Zudem kamen etwa 20 Millionen Euro der KTW für Infrastruktur. Unklar bleibt, warum genau Koch nicht mehr mitziehen wollte. Gegenüber der Tageszeitung "Tiroler Tageszeitung" sagte er: "Semiramis ist die einzige unserer Beteiligungen, die nicht erfolgreich läuft. Wir haben uns nie operativ eingemischt." Jeder Geldgeber habe das Recht, auszusteigen. Wie die Zeitung weiter schreibt, belaufen sich die Außenstände der Semiramis Software GmbH, bei der drei Personen angestellt sind, auf 8,5 Millionen Euro. Wie hoch die Verbindlichkeiten der deutschen Tochter sind, die 45 Mitarbeiter beschäftigt, ist nicht bekannt. Die erforderlichen finanziellen Mittel zur Expansion hätten sich "in einem einstelligen Millionenbereich" bewegt.

Die Eigentümer von Semiramis sind neben der KTW (50 Prozent) die Firma Risq in Malta (fünf Prozent) und zu 45 Prozent die Koch Stiftung.

Karner ist bemüht zu betonen, dass er die Entscheidung seines Partners Koch respektiere, kann aber seine Enttäuschung nicht verbergen. Offenbar schwelte schon länger ein Interessenkonflikt zwischen Karner und Koch. Seit Mai dieses Jahres lagen die Pläne auf dem Tisch, die, so stellt es der Semiramis-Gründer dar, eigentlich auch seitens Koch abgesegnet waren. Bis auf die Finanzierung.

Vor einem Scherbenhaufen stehen sieht sich Karner indes nicht, obwohl er durch die Insolvenz Geld verloren hat und die Pleite auch nicht spurlos an der Firma KTW vorbeigehen wird. Im gleichen Atemzug betont er, Kunden, potenzielle Investoren, Konkurrenten und mögliche Softwarepartner, darunter die IBM, hätten ihre Unterstützung angeboten. Ob das stimmt und wie ernst diese Anrufer es meinen, werden die nächsten Monate zeigen. Vor allem die undurchsichtliche rechtliche Situation dürfte eine Beteiligung eines externen Partners nicht gerade erleichtern.

Insgesamt haben rund 200 Firmen Semiramis erworben. Wie viele davon die Lösung bereits produktiv einsetzen, vermochte Kartner nicht zu sagen. Das Produkt wird ausschließlich indirekt über Partner verkauft, wobei KTW mit etwa 70 Abschlüssen der größte Vertriebspartner ist. Die Anwender haben Verträge mit Partnern und nicht mit der Firma Semiramis geschlossen. Sie leisten auch den First-Level-Support. Den Second-Level-Support erhalten sie von der KTW. Dies, so Karner, werde auch so bleiben.

Zu den Anwendern des ERP-Programms zählt der Autopflegemittelhersteller Sonax aus Neuburg an der Donau. Frank Schubbert, ERP-Projektleiter, war genau wie die Mitarbeiter des Softwarehauses selbst überrascht von der Insolvenz. Der für Sonax zuständige Kundenbetreuer der KTW informierte den IT-Experten auf der Systems. Erfreut ist Schubbert natürlich nicht, sieht die Situation jedoch nicht so dramatisch. Sein Unternehmen wird unbeirrt geplante Vorhaben rund um die Semiramis-Installation realisieren, teilte Schubbert der COMPUTERWOCHE mit. Sonax nutzt die ERP-Lösung seit Juli dieses Jahres produktiv, und zwar für Ein- und Verkauf, Produktion, Finanzbuchhaltung und zur Anbindung an den externen Logistikdienstleister. (fn)