Diskussion unter Vermittlern

Konzerne bekommen nicht die besten IT-Freiberufler

22.10.2014 von Christiane Pütter
Personaldienstleister haben zwei Probleme: die Scheinselbständigkeit, von der sie hoffen, dass sich das Thema bald erledigt hat, und das fehlende Verständnis mancher Kunden dafür, dass Qualität ihren Preis hat.

Wir arbeiten unter einem Damoklesschwert", sagt Christian Neuerburg, Director Freelance in der Geschäftsbereichsleitung IT beim Personaldienstleister DIS. Sofort kommt das Gespräch auf den Fall Daimler. Voriges Jahr hatten sich zwei IT-Freiberufler beim Autobauer in eine Festanstellung geklagt und damit eine Diskussion um Scheinselbständigkeit angestoßen.

Übergroßer Aktionismus nach Daimler-Urteil

"Natürlich haben wir eine Contracting Unit für das Gestalten möglichst rechtssicherer Verträge", so Neuerburg. Außerdem überprüfe DIS seine Freelancer anhand einer Check-Liste, ob sie sie alle rechtlichen Kriterien erfüllen, zum Beispiel, ob sie als Selbständige für mehrere Auftraggeber arbeiten.

Emagine-Manager Holger Kall hat den Eindruck, dass nach dem Daimler-Urteil viele Kunden "in übergroßen Aktionismus" verfallen sind. In einem Unternehmen sollen die Freiberufler sogar in ein extra Gebäude umgezogen sein. Oftmals fragten die Auftraggeber, ob freie Berater nicht im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung unter Vertrag genommen werden könnten. "Wie bitte soll das bei einem SAP-Spezialisten mit über hundert Euro Stundenlohn gehen?", fragt sich DIS-Mann Neuerburg.

Freiberuflervermittler in der Diskussion
Die wichtigsten Freiberuflervermittler...
...diskutierten im IDG-Verlagsgebäude in München über die Chancen und Risiken in der Personaldienstleistung.
Frank Schabel, Hays,...
...erwartet nicht, dass die Vermittler die hohen Wachstumsraten der vorigen Jahre in naher Zukunft erreichen können.
Simon Gravel, Freelance.de,...
...stellt fest, dass jüngere Freiberufler keine Brührungsängste mit Vermittlern haben. Gestandene Freiberufler hingegen bevorzugen es, direkt mit dem Endkunden zu verhandeln.
Guido Sieber, Westhouse Consulting,...
...sieht sich teilweise mit unrealistischen Kundenwünschen konfrontiert, etwa wann ein Hana-Experte drei bis fünf Jahre Erfahrung mitbringen sollte.
Holger Kall, Emagine,....
... hat den Eindruck, dass nach dem Daimler-Urteil viele Anwenderunternehmen „in übergroßen Aktionismus“ verfielen. So wurde berichtet, dass in einem Unternehmen die Selbständigen in eine extra Gebäude umziehen mussten.
Christian Neuerburg, DIS AG,...
sieht in der Arbeitnehmerüberlassung keine Alternative für viele IT-Freelancer, da diese mit ihren hohen Stundensätzen nicht in das Modell passen.

Am ehesten könne so eine Regelung bei einem Systemadministrator, also einem weniger hoch dotierten Job, funktionieren. Ebenso seien Werkverträge keine Alternative, hieß es in der Runde. Sie könnten nämlich als Schein-Werkverträge klassifiziert werden. Simon Gravel, Geschäftsführer der Freelancer.Net GmbH, die die Plattform Freelance.de betreibt, hat aber auch beobachtet, dass es kaum noch "richtige Freiberufler" gebe, weil diese sich immer mehr in Gesellschaften organisierten, manchmal sogar in Ein-Mann-Firmen.

Ältere Freelancer arbeiteten am liebsten direkt mit dem Auftraggeber, jüngere dagegen mit Vermittlern, hieß es. Generell tendierten Konzerne dazu, mit großen Personalagenturen zu reden oder komplette Projekte von Systemhäusern abwickeln zu lassen. Konsens bestand unter den Vermittlern darüber, dass Unternehmen das "Staffing" nicht allein den Einkäufern überlassen dürften. Die achteten nur auf den Preis und bekämen nicht die benötigte Qualität.

Lünendonk-Studie: Top Ten der Freiberufler-Vermittler
Gute Aussichten für IT-Freelancer
Wer als einer von derzeit etwa 87.500 IT-Freien auf dem deutschen Markt agiert, hat gut Lachen. Das zeigen zwei Studien von Lünendonk: "Der Markt für Rekrutierung, Vermittlung und Steuerung freiberuflicher IT-Experten in Deutschland" und "Führende Zeitarbeits- und Personaldienstleistungsunternehmen in Deutschland".
Gefragte Informatiker
Ein Blick in Lünendonks Studie über führende Zeitarbeitsfirmen und Personaldienstleister 2014 bestätigt den hohen Bedarf an Informatikern. Gerade die Top-Ten-Personaldienstleister suchen IT-Fachkräfte.
Führende Vermittler von IT-Freien: Platz 22 bis 11
Insgesamt hat Lünendonk 22 Firmen untersucht, die Rekrutierung, Vermittlung und Steuerung von IT-Freien in Deutschland anbieten. Die Zahlen in der Liste sind teilweise geschätzt.
Platz 10: emagine
Die GFT-Tochter emagine, im Bild emagine Geschäftsführer Stefan Frohnhoff, machte 2013 mit der Freiberuflervermittlung einen Umsatz von 43 Millionen Euro (Vorjahr: 61,1 Mio), der Gesamtumsatz von emagine betrug 93,4 Millionen Euro (Vorjahr 113,8 Mio).
Platz 9. Quest
erwirtschaftete 2013 44 Mio. Euro Umsatz mit Freiberuflervermittlung (Vorjahr:49 Mio). Der Dienstleister beschäftigte 2013 46 Mitarbeiter, zwei mehr als 2012.
Platz 8: Etengo
Etengo-Vorstandschef Nikolaus Reuter kann sich über 45 Millionen Euro Umsatz und damit sieben Millionen mehr als in 2012 freuen. Die Mitarbeiterzahl der Mannheimer wuchs von 39 im Jahr 2012 auf 51 im Jahr 2013.
Platz 7. 1st Solution
Mit 46,6 Millionen Euro Umsatz durch die Freiberuflervermittlung im Jahrt 2013 hat 1st Solution fast den Wert des Vorjahres erreicht (46,8 Mio). Der Gesamtumsatz ging in dem Zeitraum um drei Millionen auf 59 Millionen zurück. 1st solution beschäftigte 2013 68 Mitarbeiter.
Platz 6: Westhouse Consulting
..ist unter anderem spezialisiert auf die Vermittlung von SAP-Freiberufler. 2013 liefen die Geschäfte bestens: Der Umsatz der Freiberuflervermittlung stieg um 23 Millionen auf 62,1 Millionen Euro an, der Gesamtumsatz stieg von 47 auf 71 Millionen Euro, die Mitarbeiterzahl von 65 auf 87 Euro.
Platz 5. SThree
... und ihre IT-Personalvermittlung Computer Futures haben 2013 mit IT-Staffing 62,7 Millionen Euro umgesetzt, 2,9 Millionen Euro mehr als 2012. Auch der Gesamtumsatz stieg von 137 Millionen auf 141 Millionen Euro. SThree beschäftigt 505 Mitarbeiter.
Platz 4. Solcom
Die Solcom-Geschäftsführer (von links) Martin Schäfer, Ansgar Nagel, Thomas Müller und Andreas Müller können zufrieden sein: Die IT-Freiberuflervermittlung brachte 2013 einen Umsatz von 67 Millionen Euro ( Vorjahr: 57,8 Millionen) ein. Die Mitarbeiterzahl wuchs um 23 auf 110.
Platz 3. Allgeier
Mit einem Gesamtumsatz von 239,4 Millionen Euro in 2013 hebt sich Allgeier auf Platz 3 deutlich von den Wettbewerbern ab. 161,2 Millionen Euro ( Vorjahr: 172,1 Mio. Euro) entfielen davon auf die IT-Freiberuflervermittlung. Die Mitarbeiterzahl stieg von 411 auf 437 an.
Platz 2. Gulp
... macht mit IT-Freiberuflervermittlung gut 100 Millionen mehr Umsatz als Allgeier Experts und liegt unangefochten auf Platz 2 des Rankings. Von 2012 auf 2013 erhöhte sich der Gesamtumsatz um mehr als 32 Millionen Euro auf 278,4 Millionen Euro, davon 268,3 Millionen Euro Umsatz durch IT-Freiberuflervermittlung (2012: 236,1 Mio. Euro). Gulp ist schlank aufgestellt und beschäftigt 180 Mitarbeiter ( 2012: 165 Mitarbeiter).
Platz 1. Hays
... und Vorstandschef Klaus Breitschopf sind die unangefochtenen Platzhirsche in der IT-Freiberuflervermittlung: Von 2012 auf 2013 stieg der Umsatz im IT-Staffing um 223 Millionen auf 759 Millionen Euro. Damit ist allein das Umsatzplus von Hays größer als der Freiberufler-Umsatz des Drittplatzierten Allgeier Experts. Hays erwirtschaftete mit 1380 Mitarbeiter 2013 einen Gesamtumsatz von 1,1 Milliarden Euro. Im Vorjahr waren es noch 819 Millionen Euro mit 1100 Mitarbeitern.
Auftraggeber in den Unternehmen
Nicht immer geht der Wunsch nach der Zusammenarbeit mit IT-Freelancern von der IT-Abteilung innerhalb der Unternehmen aus. Dies ist in 42 Prozent der Fälle so. Fast ebenso oft werden sie von der Einkaufsabteilung angefordert. Ein weiteres Ergebnis der Studie: in neun von zehn Fällen kommt der Freelancer zum Kunden.
Honorarerwartung nach Kenntnissen
Die Vermittler erwarten, dass insbesondere die Honorare für SAP-Spezialisten steigen. Denn diese sind besonders gesucht.

Freiberufler an Agentur binden

Obwohl die Unternehmensberatung Lünendonk den Vermittlern zweistellige Wachstumsraten prophezeit, ist die Stimmung alles andere als euphorisch. "Die hohen Wachstumsraten der vorigen Jahre werden wir in naher Zukunft wohl eher nicht mehr erreichen", glaubt Hays-Marketing-Leiter Frank Schabel. Die logische Konsequenz sei, dem Auftraggeber nicht nur Kandidaten zu präsentieren, sondern bereits im Vorfeld mehr Beratung anzubieten und noch besser darauf zu achten, dass der Kandidat den Ansprüchen genüge.

Für Firmen gehe es angesichts knapper Ressourcen darum, Freelancer enger an sich zu binden - zum Beispiel durch einen professionellen und fairen Recruiting-Prozess. Dass das nicht immer einfach sei, zeige das Thema SAP HANA. Hier sehen sich die Vermittler oft mit unrealistischen Kundenwünschen konfrontiert. "HANA-Experten mit drei bis fünf Jahren Erfahrung kann ich leider nicht schnitzen", sagt Guido Sieber von Westhouse Consulting.

Freiberufler-Vermittler an einem Tisch

Die COMPUTERWOCHE hat die Geschäftsführer der wichtigsten IT-Freiberufler-Vermittler zum Gespräch gebeten. Angesichts der großen Resonanz wurde in zwei Gesprächsrunden diskutiert. In beiden Roundtables ging es um die Herausforderungen und künftigen Trends im Freiberuflermarkt. Moderatoren waren die CW-Redakteure Alexandra Mesmer und Hans Königes.

Hier finden Sie den Bericht über die andere Diskussionsrunde: Freiberuflervermittler müssen immer mehr in Vorleistung gehen

Begleitend erstellte die Marktforschungsabteilung der COMPUTERWOCHE eine Studie, deren Ergebnisse im Frühjahr vorgestellt werden sollen.

Drei Prognosen für den Projektmarkt 2015

Etengo-Vorstand Nikolaus Reuter: Wachstum trotz unsicherem Markt

Zum Video: Konzerne bekommen nicht die besten IT-Freiberufler

Top-itservices-Vorstand Peter Schneider: Big Data und Mobility gefragt

Zum Video: Konzerne bekommen nicht die besten IT-Freiberufler

Projektwerk-Geschäftsführerin Daniela Chikato: Webspezialisten im Kommen

Zum Video: Konzerne bekommen nicht die besten IT-Freiberufler