Kommentar

Kommt die Digitalisierung der Banken zu spät?

27.11.2014 von Mathias  Walter
Um die Jahrtausendwende war die „New Economy“ der Mega-Hype. Die digitale Revolution wurde ausgerufen und – und blieb aus. Das Internet war noch nicht erwachsen. Doch schon bald wendete sich das Blatt und aus den Ideen wurde zunehmend Realität.
Mathias Walter: "Auch Banken erkennen langsam aber sicher, dass Digitalisierung kein kurzlebiger Trend sondern zur dringenden Notwendigkeit geworden ist."
Foto: Trivadis AG

Mit der digitalen Revolution begann sich auch der Markt zu verändern - insbesondere im Retail-Segment. Wenige große Online-Händler brachten alteingesessene Katalog-Versandhäuser zunehmend in Bedrängnis und auch deren Geschäfte wurden schrittweise digitaler. Doch wo blieben die Banken?

Im Geschäftsverkehr etablierten sich neben der Kreditkarte elektronische Bezahldienste wie PayPal, Click & Buy oder Moneybookers machten das Einkaufen schneller und sicherer - sowohl für Kunden als auch für Händler. Auf Bankenseite existieren hingegen noch immer umständliche Verfahren wie Überweisung oder Lastschrift - seit BTX hat sich bisher kaum etwas verändert.

Seit Erfindung des Apple iPhone haben immer mehr Menschen das Internet Tag und Nacht dabei. Das Netz hat heute mindestens die gleiche Bedeutung, wie die New Economy - nur weniger spekulativ. Erneut stellt sich die Frage: Wo sind die Banken? Mit ApplePay steigt nun auch der erfolgreiche Konzern aus Cupertino in das Online-Bezahlgeschäft ein und wird Kunden schon bald auch außerhalb von Online-Plattformen die Bezahlung von Einkäufen erleichtern. Ganz gleich ob Shopping Mall, Fitness Studio oder Restaurant: Das Handy wird zur unkomplizierten Geldbörse.

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Auch Banken erkennen langsam aber sicher, dass Digitalisierung kein kurzlebiger Trend sondern zur dringenden Notwendigkeit geworden ist. Auch die technischen und organisatorischen Schwierigkeiten, die der steigende Regulierungsdruck hervorruft, zeigen deutlich, wie veraltet die über Jahre gewachsenen Systemlandschaften inzwischen sind. Seit Zeiten der New Economy ist bekannt, dass die eigentliche Digitalisierung im Back-End gewonnen wird - und hier liegt auch die Achillesferse. Ein Vergleich mit der BTX-Welt zeigt, wie wenig sich in den letzten 25 Jahren hinter den Kulissen getan hat. Dies gilt sowohl für Web-Oberflächen als auch für die Banking-Apps: Hier wurde lediglich alte IT-Welt auf moderne Endgeräte portiert. Innovation? Fehlanzeige! Hätte die Automobilindustrie sich genauso verhalten, würden wir heute in Autos sitzen, die äußerlich modern daher kommen aber Motoren aus den 70ern an Bord hätten. Doch nicht nur die Backend-Systeme sind in die Jahre gekommen sondern auch der wirtschaftlich sinnvolle Umfang mit Kundendaten. Während Internet-Konzerne seit geraumer Zeit Bewegungsdaten und Netzwerke ihrer Benutzer erfassen, auswerten und zur Kundengewinnung nutzen, warten traditionelle Banken im Grunde immer noch so lange, bis potenzielle Kunden in die Filialen kommen.

Wo bleiben die Banken? Diese Frage ist sehr zentral, denn zahlreiche FinTechs stehen bereits in den Startlöchern und verändern die Wertschöpfungsketten im Finanzsektor. Die Auswirkungen sind nicht zu unterschätzen. Anbieter wie Spotify oder Napster zeigen am Beispiel der Musikindustrie, dass traditionelle Geschäftsmodelle und Vertriebswege quasi über Nacht obsolet werden können. Da Banken in der Regel nur virtuelle Produkte anbieten, sind sie von der fortschreitenden Digitalisierung besonders betroffen. Sie sollten daher umgehend handeln, neue digitale Geschäfts- und Bezahlmodelle entwickeln und kundenorientierter handeln. Das bedeutet auch, ihre IT flexibel und bedarfsgerecht aufstellen. Wenn den traditionellen Banken der Sprung ins Digitalzeitalter nicht bald gelingt, könnten sie früher oder später von der Bildfläche verschwunden sein. Es besteht akuter Handlungsbedarf - sonst stellt sich die Frage nicht mehr, wo denn die Banken geblieben sind. (bw)