Client-Hardware-Trends

Kollege Computer macht mobil

15.10.2003 von von Jan
Desktop-PCs sind von keinem Büroarbeitsplatz mehr wegzudenken. In Form von Notebooks und Handhelds erobert der Personalcomputer immer mehr Arbeitsplätze in den Unternehmen. Allerdings sorgen Kosten-Nutzen-Überlegungen noch für Zurückhaltung.

NACHDEM die Notebooks den Ruf des Manager-Spielzeugs bereits vor geraumer Zeit verloren haben, ist Mobile Computing in vielen Unternehmen heute Realität. Das hat auch die Computerbranche erkannt. Inzwischen überschlagen sich die Hersteller, wenn es darum geht, immer leistungsfähigere und schnellere Geräte auf den Markt zu bringen. Und so ist den Notebooks mittlerweile eine ultramobile Konkurrenz erwachsen: Handhelds und Tablet- PCs.

Fast jeder Computerproduzent hält heute eine üppige Handheld- Auswahl parat, auch an Standardsoftware fehlt es nicht. Zudem bieten sich zahlreiche Dienstleister an, wenn es um die Entwicklung von individuellen Anwendungen geht. Mit neuen Geräten und Konzepten versuchen die Anbieter, die Unternehmenskunden vom Nutzen neuer Investitionen zu überzeugen.

Das jüngste Kind der mobilen Rechnerwelt sind Tablet-PCs, eine Mischung aus Notebook und Handheld. Sie gibt es seit Ende 2002 im Handel. Die Geräte sind ungefähr so groß wie ein Blatt Papier, können über einen digitalen Stift bedient werden und haben in der Regel Prozessoren mit 800 MHz im Inneren. Als Betriebssystem dient eine spezielle Version von Windows XP, auch erste Linux- Geräte sind bereits am Markt verfügbar.

Wer einmal einen Tablet-PC in der Hand hatte, ist meist begeistert. Die einfache Bedienung, das geringe Gewicht und die kompakte Bauweise lassen viele Notebooks im Vergleich dazu unförmig und schwer erscheinen. Dazu kommt, dass bei Tablet-PCs kein Bildschirm aufgeklappt werden muss - die symbolische Barriere, die zum Beispiel im Kundengespräch oft als störend empfunden wird, entfällt. Inzwischen bieten die Hersteller Tablet- PCs in verschiedenen Varianten an - vom Notebook-artigen „Convertible“, das sowohl wie ein Tablet- PC als auch wie ein Notebook benutzt werden kann, bis hin zum Desktop-Ersatz, bei dem der Tablet-PC durch eine Docking- Station wie ein normaler PC einsetzbar ist.

So schön und praktisch der Tablet- PC auch ist - bei den Einkäufern der Industrie weckte er bislang nur wenig Interesse. Im August 2003 berichteten die Marktforscher von IDC, dass der Notebook- Markt in EMEA (Europe, Middle East, Africa) mit rund 39 Prozent ein Rekordwachstum vorweisen könne. Dagegen fiel der Tablet- PC-Start mager aus, diese Geräte sind nicht einmal für ein Prozent des gesamten Notebook-Markts verantwortlich. Weniger als 20000 Einheiten wurden demnach im zweiten Quartal des Jahres in dieser Region ausgeliefert. Der Trend geht offensichtlich hin zu Systemen, die bereits erprobt sind und deren Nutzen klar erkennbar ist.

Nachdem sich Notebooks in den vergangenen Jahren einen festen Platz in der Unternehmens-IT erkämpft haben, scheinen nun die PDAs (Personal Digital Assistants) in den Startlöchern zu stehen. Deren Betriebssysteme - hauptsächlich PalmOS 5 und Microsoft Pocket PC 2003 - haben inzwischen einen ausgesprochen hohen Reifegrad, die Geräte sind klein und leistungsfähig. Große Unternehmen wie Daimler Chrysler oder der TÜV Nord haben bereits seit geraumer Zeit mobile Lösungen auf Basis von Notebooks und PDAs im Einsatz.

Was den Konzernen recht ist, kann dem „Small and Medium Size Business“ (SMB) nur billig sein.- Auch in kleineren Unternehmen haben mobile Technologien längst Einzug gehalten. „Eine signifikante Anzahl europäischer SMBs hat Mobillösungen im Einsatz oder plant ihre Einführung“, interpretieren die Marktforscher von IDC die Ergebnisse ihrer Studie „European Vertical Markets Survey“ vom vergangenen Jahr. 45 Prozent der befragten deutschen SMBs haben demnach mobile Lösungen in Betrieb, weitere 28 Prozent planen deren Implementierung. Die Studie berücksichtigte Laptops, Handys, PDAs und weitere Geräte.

Die meisten dieser mobilen Anwendungen befassen sich mit einfachen Funktionen wie E-Mail oder Kalender. Outlook oder Lotus Notes sind heute Standard auf den PCs für unterwegs, auch wenn das System-Management für die mobilen Clients oft noch unprofessionell gehandhabt wird. Doch immerhin 17 Prozent der Unternehmen mit 250 bis 499 Mitarbeitern nutzen laut der IDCStudie bereits Mobile-Office-Lösungen - und fast 24 Prozent von ihnen wollen noch im laufenden Jahr Mobile-Salesforce-Automation realisieren.

Das Interesse auf der einen Seite, aber auch die Zurückhaltung der mittelständischen Anwender bei PDA-Anwendungen auf der anderen Seite bestätigt Thomas Tuttenuj, Geschäftsführer der auf Softwareentwicklung im mobilen Umfeld spezialisierten Gutura GmbH in Waiblingen: „Das Bewusstsein, dass mobile Geräte einen Nutzen für ein Unternehmen darstellen können, ist bei den meisten Anwendern vorhanden.“ So habe der Dienstleister etwa für einen Backofenhersteller ein System auf Basis der PDAs von Palm entwickelt, mit dem Vor-Ort-Backöfen programmiert werden können, die zum Beispiel in Tankstellen zum Einsatz kommen.

„Aus der Kosten-Nutzen-Perspektive sind die Kunden allerdings noch zögerlich“, schränkt Tuttenuj ein. Kosten und Nutzen würden bei der Investition in eine mobile Lösungen sorgfältig abgewogen. Deutlich zu erkennen sei, dass die PDAs auch in den Unternehmen über den Status der PIMs (Personal Information Manager) hinaus heute bereits als professionelle Instrumente erkannt und eingeplant würden. Der Rechtfertigungsdruck der PDA-affinen Mitarbeiter gegenüber dem Einkauf und dem Controlling ist aus Tuttenujs Sicht jedoch noch sehr hoch. „Meinem Eindruck nach stehen viele Unternehmen in den Startlöchern und warten nur darauf, dass Best Practices den finanziellen Nutzen belegen.“

Finanzieller Nutzen noch unklar

Gerade der unklare finanzielle Nutzen hält zum Beispiel die Bäckerei und Konditorei Miedl GmbH in Bad Endorf davon ab, in solche Technologien zu investieren. Das Unternehmen mit über 100 Mitarbeitern betreibt 18 Filialen. So findet Firmeninhaber Manfred Miedl zwar den Gedanken, die Vor-Ort-Backöfen in den Filialen per PDA zu programmieren, interessant. Doch sieht er für seinen Betrieb darin keinen Mehrwert: „Unsere Vertriebsleiterin muss ohnehin täglich alle Filialen anfahren. Sie kennt die Geräte und kann Änderungen an den Programmen direkt vornehmen.“ Eine Lösung auf PDA-Basis würde dagegen neben den Kosten für Soft- und Hardware noch einen hohen Schulungsaufwand nach sich ziehen. Zudem sei unklar, ob die jetzigen Standards in zwei Jahren auch noch aktuell seien. Ein positiver Kosten- Nutzen-Aspekt gegenüber der jetzigen Praxis ist für ihn zumindest kurzfristig nicht zu erkennen.

Neben mobilen Computern spielt aus Kostengründen in jüngster Zeit auch der alte Thin Client wieder eine stärkere Rolle.

Thin-Client-Revival

Hier scheint sich ein großer Markt für das Open-Source-Betriebssystem Linux aufzutun. IDC prognostiziert dem gesamten Thin-Client- Markt ein deutliches Wachstum für die kommenden Jahre. Allerdings können die Stückzahlen mit den PC-Verkäufen noch lange nicht mithalten: 2007 sollen weltweit 3,4 Millionen Stück abgesetzt werden - grob ein Zehntel der heutigen PC-Stückzahlen pro Quartal. Während sich auf Seiten der Hardware hier keine Revolution abzeichnet, bringen die Anbieter von Terminal-Server-Software fast schon regelmäßig Verbesserungen auf den Markt. Dabei handelt es sich jedoch in der Regel um Details wie leistungsfähigeres Load-Balancing oder erweiterte Farbdarstellung.

Mehr Funktionalität

Auf der Client-Hardwareseite gibt es seit einiger Zeit einen deutlichen Trend hin zu mehr Funktionalität. Höhere Speicheraustattung, schnellere Prozessoren und bessere Grafikchips sollen es ermöglichen, Basissoftware wie Web-Browser oder Java-Laufzeitumgebung direkt auf dem Thin Client zu starten. So bringt zum Beispiel Wyse Technoloy, einer der großen Anbieter in diesem Segment, pünktlich zur Systems zwei neue Geräte auf den Markt.

Ob sich aus der gestiegenen Leistungsfähigkeit der Thin Clients mehr Interesse seitens der mittelständischen Anwender entwickelt, kann bezweifelt werden. Denn trotz aller Verbesserungen bleibt der herkömmliche PC das universellere Instrument.

Außer dem Tablet-PC sind auf der Client-Seite keine großen Neuerungen in Sicht. Und auch die stetigen Steigerungen bei Prozessortaktung oder Festplattenzugriffszeit werden kaum ein Unternehmen dazu verleiten, außerplanmäßig in Client-Hardware zu investieren. Hier werden  eher die PDAs mittelfristig einen Boom erleben. Zwar fehlen für viele Einsatzbereiche noch die notwendigen Geschäftsszenarien, doch zeigen die großen Konzerne weltweit, dass die  Westentaschencomputer einen Mehrwert darstellen können. Dennoch werden sich diese Gerätekaum so stark verbreiten wie Notebooks oder gar PCs. Denn in vielen Unternehmen ist ein sinnvolles und Gewinn bringendes Geschäftsmodell auf Basis von PDAs kaum zu erkennen.