Produktionsfaktor Information

Kollaborative Governance-Prozesse im Trend

20.02.2012 von Wolfgang Martin
Information Governance und Compliance gehören nicht zu den Themen, mit denen man bei Anwendern Begeisterung für die IT weckt. Aber zur Pflege des "dritten Produktikonsfaktors" sind sie unabdingbar.
Im Mittelpunkt der Produktion steht heute der Faktor Information.
Foto: Fotolia/Stefan Rajewski

Die Welt ist digital geworden. Wir informieren uns im Internet. Twitter erweist sich als der schnellste Nachrichtenkanal. Wir kaufen in zunehmendem Maße Produkte und Dienstleistungen im Internet. Soziale Medien produzieren Informationen in bisher nicht gekanntem Volumen. Das mobile Internet macht mit Smartphones und Tablets Informationen allgegenwärtig. Die Information ist zum Motor der Welt geworden - ob beim Einkaufen im Web, beim Steuern von Produktionsstraßen, beim Handeln im Finanzwesen, bei sozialen Netzwerken wie LinkedIn und Facebook oder beim Entscheiden im Unternehmen.

Heute kommt es ganz besonders darauf an, die richtige Information in der richtigen Situation am richtigen Ort rechtzeitig zur Verfügung zu haben. Das senkt Kosten, steigert Umsätze und erhöht die Wettbewerbskraft. Die Information ist nach Arbeit und Kapital zum "dritten Produktionsfaktor" geworden.

Daher betrachtet man heute Informationen als Anlagegut (Information as an Asset). Konsequenterweise müssen wir Informationen im Unternehmen angemessen behandeln. Information Management sorgt dafür, dass Informationen über ihren gesamten Lebenszyklus gemanagt werden. Die Zielsetzung lautet vor allem: vertrauenswürdige Daten schaffen.

Glossar

  • Governance bezeichnet die verantwortungsvolle, nachhaltige und auf langfristige Wertschöpfung ausgerichtete Organisation und Steuerung von Aktivitäten und Ressourcen im Unternehmen.

  • Information Governance umfassst die Festlegung von Entscheidungsbefugnissen und Rahmenbedingungen für den gezielten Umgang mit Informationen.

  • Compliance bedeutet die Erfüllung der von der Unternehmensleitung gemachten Vorgaben ("Policies") sowie der rechtlichen und regulativen Vorgaben. Compliance ist insofern das Ziel einer Governance: "Jeder handelt so, wie er handeln sollte."

Was Information Management leistet

Die Aufgaben des Information Management sind die folgenden:

Dabei beschränken wir uns nicht mehr auf strukturierte Daten allein. Information Management bedeutet das Verwalten aller Informationen im Unternehmen: Rund 80 Prozent aller Daten sind unstrukturiert, enthalten in Formularen, Vereinbarungen, Verträgen, Manifesten, Beschreibungen, Korrespondenzen, Kommunikation etc.

Kritischer Erfolgsfaktor für Information Management im Unternehmen ist eine Information Governance: eine geeignete Organisation mit klaren Rollen und Verantwortlichkeiten. Es bedarf der richtigen und rigorosen Prozesse und Policies ("Regeln"), und nicht der geeigneten Technologie und der passenden Plattform, auf der die Information Governance abgebildet werden kann. Mittels einer Information Governance lassen sich vertrauenswürdige Daten schaffen und alle Anforderungen, die Compliance an die Daten stellt, erfüllen. Information Governance bezieht sich auf Prozesse, Technologien, Organisation und nicht zuletzt die Menschen.

Die Prozesse

Beim Aufbau einer Information Governance sind Prozesse und Policies zu modellieren, zu implementieren und zu betreiben. Dazu kommt auch ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess. So wie Geschäftsprozesse mittels Kennzahlen gesteuert werden, lassen sich auch die Governance-Prozesse des Information Management mittels Kennzahlen auf operativer, taktischer und strategischer Ebene lenken. Anhand der gemachten Erfahrungen gilt es, die Prozesse permanent zu verbessern.

Das ist der Schlüssel zu einem professionellen und erfolgreich gelebten Information Management. Ergebnis ist ein "Total Quality Management". Es sorgt dafür, dass Qualität kontinuierlich überwacht und gesteuert wird. So kann beispielsweise auch im operativen Betrieb sichergestellt werden, dass die Regeln und Policies von Compliance-Anforderungen erfüllt werden.

Die Technologie

Damit Information Governance auch die notwendige Nachhaltigkeit erreicht, sind die richtige Technologie und Plattform unabdingbar. Kern einer solchen Plattform ist ein Repository, in dem alle Elemente des Information Managements und ihre Beziehungen untereinander abgebildet sind. Ein solches Repository ist idealerweise aktiv: Wenn es Änderungen gibt, werden alle davon betroffenen Elemente automatisch angezeigt und so weit wie möglich automatisch geändert. Damit erreicht man die notwendige Änderungsgeschwindigkeit und Flexibilität.

Foto: Wolfgang Martin

Die Plattform sollte Service-orientiert sein. So lassen sich Information-Management-Services in jeden betroffenen Prozess schnell und standardisiert integrieren und nutzen. Damit besteht auch die Möglichkeit, Information-Management-Services als Software as a Service (SaaS) aus der Cloud verfügbar zu machen. Schließlich ist auch die gesamte Plattform als Platform as a Service (PaaS) aus einer privaten oder auch öffentlichen Cloud nutzbar. Die beigefügte Abbildung zeigt als Beispiel die Nutzung von Data-Quality-Services, die in Echtzeit in einen Datenintegrationsprozess eingebettet werden können. Diese stehen sowohl on premise als auch als Cloud-Lösung zur Verfügung.

Der Vorteil einer solchen Lösung ist ein Datenqualitäts-Management im Sinne einer "Total-Quality-Management"-Lösung: Datenqualität wird kontinuierlich in die Datenintegrations- und Beschaffungsprozesse eingebaut, so dass ein Service Level Agreement bezüglich Datenqualität kontinuierlich überwacht und gesteuert werden kann. Nach dem gleichen Prinzip können beispielsweise auch Anforderungen der Compliance über einen Service in Echtzeit überwacht werden.

Die Organisation

Weiterhin sind die organisatorischen Einheiten, Rollen und Verantwortlichkeiten zu bestimmen. Hier hat sich als Best-Practice ein Kompetenzzentrum für Information Management bewährt. Es besteht typischerweise aus einem Leitungsgremium, dem ein Information-Management-Sponsor vorsitzt, dem eigentlichen Information Management-Kompetenzzentrum und den Data Stewards. Der Sponsor sollte aus der Geschäftsführung oder dem Vorstand kommen, damit die Strategie und die Policies der Information Governance durchgesetzt werden können. Die Data Stewards sitzen in den Fachbereichen und sind dort über die Information-Governance-Prozesse und -Policies eingebunden.

Das Kompetenzzentrum vereint Führung und Kontrolle von Strategie, Methoden, Standards, Regeln und Technologien zum Information Management. Es wird gemeinsam vom Business und von der IT aufgesetzt, betrieben und gelebt. Sein Leitsatz ist: Das Kompetenzzentrum plant, leitet und koordiniert Information-Management-Projekte und sorgt für den effizienten Einsatz von Personal und Technologie.

Reality Check Collaboration
Studie von PAC und Berlecon
PAC und Berlecon befragten zwischen Februar und April dieses Jahres 100 IT-Verantwortliche aus Unternehmen, die hierzulande mindestens 500 Mitarbeiter beschäftigen, wie sie über Collaboration denken. Hier finden Sie die Ergebnisse der Studie:
Die Botschaft ist angekommen
Die IT- und Business-Entscheider haben die Wichtigkeit des Themas Collaboration erkannt. Vier von fünf der befragten Unternehmen haben vor, in den kommenden zwei Jahren Geld dafür auszugeben - viele nicht zum ersten Mal, sondern um vorhandene Systeme zu ersetzten oder zu erweitern.
Kostenvorteile sind abgeschöpft
Die formulierten Ziele nehmen sich durchaus strategisch aus. An der Spitze rangieren die Vernetzung der Mitarbeiter über Standortgrenzen hinweg sowie die Möglichkeit, Teamarbeit zu fördern und die Produktivität zu steigern. Kosten sparen oder das E-Mail-Aufkommen reduzieren sind nachgeordnet
Das bislang Erreichte ist zu wenig
Offenbar sind viele Unternehmen mit den bisherigen Ergebnissen ihrer Collaboration-Bemühungen nicht zufrieden. Wie der Autor der Studie, Andreas Stiehler, herausstellt, stufen zwei Drittel der Befragten das Ziel "effizientere Nutzung vorhandener Tools und Anwendungen" als wichtig oder sogar sehr wichtig ein. Das lasse sich allerdings auch so interpretieren, dass die Anwender zu der Erkenntnis gelangt seien, die Implementierung neuer Tools allein reiche nicht aus, um die Zusammenarbeit zu verbessern.
Belange der Anwender sind offenbar Nebensache.
Was die Anwender wollen, wird zu wenig berücksichtigt. Neben der Binsenweisheit von der notwendigen Unterstützung durch das Topmanagement ist die Akzeptanz der Endanwender das wichtigste Kriterium für den Erfolg eines Collaboration-Vorhabens.

Die Menschen

Viele Leser werden die Erfahrung gemacht haben, dass Governance-Organisation und -Prozesse als einschränkendes Regelwerk empfunden werden. Die Befürchtung, dass Flexibilität und Agilität behindert werden, ist weit verbreitet. Inzwischen haben sich hier aber kollaborative Methoden und Werkzeuge bewährt und Abhilfe geschaffen. Durch den Social-Media-Arbeitsstil lassen sich die Mitarbeiter mitnehmen und für eine Information Governance gewinnen. Social Media fördert den Mitmach-Effekt und trägt zur Transparenz wesentlich bei.

Idealerweise wird aus einem als Top-down empfundenen, lästigen Regelwerk eine Bottom-up gelebte Kollaboration, in der jeder mit jedem auf gleicher Augenhöhe kommunizieren und diskutieren kann. Heutige Information-Management-Plattformen sind zu einem guten Teil bereits mit solchen kollaborativen Werkzeugen ausgerüstet. Das sollte bei der Wahl der passenden Plattform unbedingt berücksichtigt werden und mit einem hohen Gewicht in die Bewertung eingehen. Mit einer funktionierenden Information Governance verbessern sich die Chancen auf nachhaltigen Erfolg in der digitalen Welt das Erfüllen aller Vorgaben der geforderten Compliance. (hv)