Kölner Allerlei

12.11.1982

Beim Wiedersehen mit einem der legendären Flügel-Daimler geraten Automobilfans unweigerlich aus dem Häuschen. Wenn Oldtimer-Liebhaber gar einmal eine noch gut erhaltene Borgward-lsabella sichten, kommen Nostalgiegefühle auf. Das waren noch Autos mit Flair und Finesse. Der Glas aus Dingolfing fällt einem ein - und der Wankel-RO 80 aus Neckarsulm.

Heute rollen die fahrbaren Untersätze im Stufenheck-Einheitslock vom Band - Fortbewegungsmittel ohne Charme und Charakter. Der Windkanal macht alle gleich. Technische Sicherheit, sagen die Konstrukteure, rechtfertige das Gleichmacher-Verfahren. Klo-Rollen im Häkelkleid auf der hinteren Ablage, Klebebuttons auf dem Kofferraumdeckel: Der Phantasie des Käufers, etwas aus seinem PS-Eigenheim zu machen, sind keine Grenzen gesetzt.

Ob die Masse der Kraftfahrer mit den 08/15-Karossen zufrieden ist, scheint zweifelhaft. Zeigt nicht vielmehr die Entwicklung in Detroit, Tokio, Paris oder Wolfsburg, daß der innovative Drive raus ist aus der Automobilindustrie? Wer die auf der Orgatechnik Köln zur Schau gestellten Mikrocomputer Revue passieren läßt, dem drängen sich ganz ähnliche Fragen auf. Kann es sein, daß der Mikrocomputerindustrie, obwohl wesentlich jünger als die Automobilindustrie, bereits die Einfälle ausgehen? Soll die Diskussion um 8-Biter und die 16-Bit-Architektur nur davon ablenken, daß die Innovationsquellen im Silicon Valley und anderswo langsam austrocknen?

Einige Anzeichen deuten darauf hin. Rund 150 Unternehmen sind es mittlerweile, die Business-Mikrocomputer auf dem bundesdeutschen Markt vertreiben. Bei dem einen heißen die Kompaktrechner "Personal Computer", bei dem anderen "Professionals". "Arbeitscomputer" ist ein ebenso gebräuchlicher Name wie "Tischcomputer" oder "Desktop". 150 Angebote - 150 Möglichkeiten für den Anwender? Eher das Gegenteil ist der Fall. Da verkaufen an die hundert Hersteller und Distributoren im Grunde dieselbe Technik. Hundert zuviel. Auf ganze fünf Grundarten, je nach Prozessortyp und Bauweise, lassen sich nämlich sämtliche derzeit verfügbaren Mikro-Modelle zurückführen.

Da wären zunächst die Z80-Computer mit zwei 51/4-Zoll-Disketten. Alle laufen unter dem Betriebssystem CP/M. Um den Z80-Prozessor herum haben unter anderem Altos, Compucorp, Cromemco, Heatht, North Star, Sharp, Tandy Radio Shack und Vector Graphics "individuelle" Gehäuse gebaut. Mal wurde die eine Funktion hinzugefügt, mal die andere weggelassen, immer mit Blick auf den Preis: Z80-Varianten sind simpel und billig.

Auf 6502-Prozessoren basieren die Rechner der zweiten Gruppe, die "Tastatur"-Computer von Commodore, Apple und Atari: inkompatibel zu allen anderen Systemen und doch durch die Bank Bestseller. Neuerdings sind auch Unixtaugliche Minis im Mikrogewand auf dem Markt; als Herz fungiert der 68000er Chip von Motorola. Pionier in dieser Gruppe: Der 32:16 von Fortune.

Zur vierten Kategorie, den 8086/8088-Computern, gehören der Personal Computer (PC), den die IBM den Deutschen noch vorenthält; ferner die neue Sirius-Maschine. Für die Gruppe-vier-Rechner sind die Betriebssysteme CP/M und MS-DOS verfügbar. Nimmt man die "Tragbaren" hinzu, wie den Osborne 1 und den Grid Compass, dann ist das Mikro-Ensemble komplett: fünf Computer - keine zehn, keine 50, schon gar keine 150. Fazit: Das Mikro-Angebot täuscht eine Vielfalt vor, die gar nicht existiert.